Salzburger Nachrichten

„Ihr Reiseplan hat sich geändert“

Abgesagte Flüge, Streiks und der ganz normale Wahnsinn: So hat man sich die neue, alte Reisewelt nach Corona nicht vorgestell­t.

- Brüssel

Montagfrüh, auf dem Salzburger Flughafen

herrscht reger Betrieb. Da ertönt die Durchsage, dass der Eurowings-Flug nach Berlin leider aus „operatione­llen Gründen“entfallen müsse. Die werten Passagiere möchten sich doch bitte um ihr Gepäck kümmern.

In der Schlange, die an Gate 1 aufs Einsteigen wartet, macht sich Erleichter­ung breit.

Das ist wenig mitfühlend, aber menschlich. Man ist zum Glück nicht betroffen, denn die Reise führt nicht nach Berlin, sondern nach Frankfurt, dann weiter nach Brüssel. Nur

zur Sicherheit ein Blick in die E-Mails. „Ihr Reiseplan hat sich geändert“, steht da. „Wir mussten unsere Flugpläne anpassen. Davon ist auch Ihre Reservieru­ng betroffen.“Der Weiterflug ab Frankfurt wurde gestrichen.

Also erstens: Ich habe nicht reserviert, sondern kostenpfli­chtig gebucht. Und zweitens: Mein Reiseplan hat sich null geändert. Er lautet: nach Brüssel, so schnell wie möglich.

Nur: Am Flughafen der belgischen Hauptstadt streikt das Bodenperso­nal, es werden keine Abflüge abgewickel­t. Aber Ankünfte? Lufthansa bietet einen Ersatzflug an – am übernächst­en Tag.

Also Abheben nach Frankfurt. Denen will man gleich was erzählen, dort am Servicesch­alter. Der erste ist „vorübergeh­end geschlosse­n“, vor dem zweiten stehen geschätzt zwei Dutzend Menschen an. Also hetzen Richtung Bahnhof, in den ICE nach Köln springen, dort wechseln in den Thalys Richtung Paris.

Zum Glück noch ein Plätzchen erwischt im ansonsten so gut wie ausgebucht­en Hochgeschw­indigkeits­zug. Und während der durch die Landschaft zischt, wird innerlich gelobt, nächstes Mal aber wirklich gleich die Bahn zu nehmen: dauert zwar länger, schadet dafür dem Klima nicht. Entspannun­g stellt sich ein.

Bis es einen durchzuckt wie ein Blitz: In Brüssel herrscht Generalstr­eik! Metro, Bus,

Tramway? Alles steht. Was sich langsam durch die Stadt bewegt, ist der Demonstrat­ionszug aus rund 70.000 Gewerkscha­ftern. Es geht

ihnen um einen Ausgleich der Inflation.

An dieser Stelle überspring­en wir den Rest der Reise und wenden uns der Zukunft zu.

Also: Donnerstag, Freitag und Samstag streikt das Kabinen- und Cockpitper­sonal von Brussels Airlines, einer Lufthansa-Tochter.

Laut Gewerkscha­ften fehlt Personal an allen Ecken und Enden, weshalb die Belegschaf­t am Limit sei. Allein durch diesen Streik werden

315 Flüge ausfallen und rund 40.000 Passagiere ihre Reise nicht antreten können. Dazu kommt

noch, dass sich auch die Piloten des irischen Billiganbi­eters Ryanair in Belgien dem Ausstand anschließe­n wollen. Auch aus Spanien und Portugal wurden Streikplän­e bei Ryanair gemeldet.

Brüssel ist Sitz des NATO-Hauptquart­iers. Von hier müssen kommende Woche viele nach Madrid zum Gipfeltref­fen des Verteidigu­ngsbündnis­ses, das dort Mittwoch und Donnerstag über die Bühne gehen wird. Während die Staats- und Regierungs­chefs mit Bedarfsfli­egern einschwebe­n werden, fragt sich das Fußvolk: Halten die Reisepläne?

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