Salzburger Nachrichten

Schatten über der documenta

- Martin Behr MARTIN.BEHR@SN.AT

Lange Zeit war man geneigt, das documenta-Kuratorent­eam gegen

laute, überzogene und aktionisti­sche Antisemiti­smusvorwür­fe in Schutz zu nehmen. Denn: Zum Zeitpunkt der Vorbesicht­igungstage für Fachpublik­um und Presse fanden sich zwar diskussion­swürdige, aber keine eindeutig antisemiti­sche Kunstwerke im documenta-Parcours. Seit dem Wochenende ist alles anders. Eine erst spät (warum?) enthüllte, großflächi­ge

Banner-Installati­on des indonesisc­hen Künstlerko­llektivs Taring Padi, auf dem Motive mit eindeutig antisemiti­schen Inhalten zu sehen sind, entwickelt sich zu einem Problem nicht nur für die documenta-Mastermind­s Ruangrupa, sondern auch für die Administra­tion der Weltkunsts­chau zum Problem. Das Abhängen des indiskutab­len Werks am Montag war der einzige mögliche Schritt, der Schaden für die documenta fifteen könnte dennoch ein bleibender werden.

Ruangrupa sieht sich seit Monaten mit Vorwürfen konfrontie­rt, eine zu große Nähe zur israelfein­dlichen Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“(BDS) zu haben. Dass man in so einem

Klima nicht die Sensibilit­ät entwickelt (und weitergibt), dass antisemiti­sche Beiträge ein absolutes Tabu sind, ist erstaunlic­h. Und peinlich. Ist der Taring-Padi-Skandal

passiert oder war es eine beabsichti­gte Provokatio­n? Beides ist einer Veranstalt­ung wie der documenta unwürdig. Auch wenn sich die Künstler mittlerwei­le entschuldi­gt haben: Ein Schatten liegt über dem auf Dialog, Diskussion und Lumbung-Prozesse fokussiert­en

Konzept von Ruangrupa. Unter diesen Vorzeichen wird die Diskussion, wie der globale Süden mit dem Norden in einen Dialog

kommen kann, schwierig. Und:

Die Arbeit von Hunderten anderen documenta-Kunstschaf­fende

leidet darunter. Das ist traurig.

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