„Ich war der Schrecken der Sprecherzieher“
Sophie Rois spielt in „AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe“eine Schauspielerin, der ein unerwartetes Glück in den Schoß fällt.
WIEN. Ein junger Dieb raubt einer älteren Schauspielerin ihre Handtasche – und steht am nächsten Tag, als hilfsbedürftiger Schüler, vor ihrer Tür: Adrian (Milan Herms)
braucht Sprechunterricht und Anna (Sophie Rois) soll seine Lehrerin sein. Aus der pädagogischen Beziehung wird eine erotische, und die
beiden brennen durch: „AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe“ist ein leichtfüßiger Liebesfilm von Nicolette Krebitz, mit der großartigen Rois in der Rolle einer Frau, die alles
über den Haufen wirft und losfährt.
Frau Rois, in „AEIOU“gibt es diese wundervollen Sprechunterrichtszenen. Haben Sie da etwas wiederaufleben lassen, das Sie selbst als Schauspielschülerin erlebt haben?
SN:
Sophie Rois: Eine späte Befriedigung
und Genugtuung hat sich eingestellt! Ich war der Schrecken der Sprecherzieher, ich habe jetzt auch noch eine heisere Stimme, aber in meiner Jugend war alles nur aus dem Hals heraus und ohne jede
Technik, wahrscheinlich aus einer frühkindlichen Angst, nicht gehört zu werden. Der Sprecherzieher am Max-Reinhardt-Seminar hat zu mir in der ersten Stunde gesagt: „Ich habe dagegen gestimmt, dass du aufgenommen wirst. Du gehörst in ein Krankenhaus und nicht auf eine Bühne.“Das war eine wundervolle Eröffnung, traumatisch natürlich. Deswegen war es mir dann eine boshafte Freude, als Koryphäe der Sprecherziehung aufzutreten.
SN: Im Vergleich sind Sie aber dann im Film sehr konstruktiv.
Ja, aber es ging nicht darum, jemanden fertigzumachen, sondern die Freude ist ja, sich das anzumaßen,
kompetent zu sein.
SN: Das ist aber doch keine
Anmaßung. Macht es Ihnen Freude, Ihr Wissen und Können an Jüngere weiterzugeben?
Doch, aber es gibt nicht viel, was ich
jemandem beibringen kann.
SN: Jetzt kokettieren Sie wieder. Nein, das ist so. Ich kann sehr gut Gemüsemayonnaise machen, und dann weiß ich schon nicht mehr
viel, was ich jemandem beibringen könnte. Aber gut, auf die bin ich jedes Mal auch sehr stolz.
Ihre Figur Anna hat im Film die beneidenswerte Wohnsituation, ein Stockwerk über Udo Kier eingemietet zu sein, und dann auch noch ihn als Vermieter zu haben.
SN:
Dem man aber schon seit einem
Jahr Miete schuldig ist!
Der aber trotzdem noch mit Zigaretten und Drinks aushilft, wenn die Situation es verlangt. Wie war es denn mit dem realen Udo Kier?
SN:
Wunderbar, entspannt und lustig. Wir sind jetzt keine alten Freunde, aber er ist mit Coco Krebitz (Nicolette Krebitz, der Regisseurin, Anm.) ewig lange befreundet. Wir sind uns nur ein paar Mal begegnet, einmal glaube ich, bei Christoph Schlingensief und einmal bei David Schalko. Man freut sich natürlich, diese Persönlichkeit am Set zu haben. Er ist ja auch ein ästhetisches Vergnügen. Es waren lauter tolle Typen, Milan Herms auf der anderen Seite, der Adrian spielt, das war sehr schön.
SN: Was ist es eigentlich, das
die Anna an Adrian interessiert, abgesehen vielleicht von seiner
Jugend und Schönheit? Ist es auch der Reiz des Kriminellen? Das ist eine gute Frage. Die Tatsache, dass er sie überfällt und ihr die
Handtasche raubt, ist schon einmal ein guter Einstieg in eine Liebesgeschichte, dieser leichte Jean-GenetTouch, die Liebe zum Verbrecher, das find ich schon mal sexy natürlich. Also ich als Sophie Rois fand das sexy. Wobei, als ich nur das
Drehbuch gelesen hatte, hatte ich
Bedenken, ob ich die Richtige dafür
bin. Ich dachte, warum jetzt so ein 18-Jähriger mein Herz erfreut, das finde ich ja noch relativ leicht zu erklären, aber problematischer ist es umgekehrt. Ich dachte, Gott, so eine Zumutung ...
SN:
Ja, haha, eben! Ich meine, ich würde
jetzt den Teufel tun, mich einem 20Jährigen aufzudrängen, aber das ist das Schöne am Film, man folgt dann einfach dem fremden Skript
und ist damit auch ganz erlöst, wie man das jetzt vor sich selber rechtfertigt. Und er hat auch so sweet mit
Aber das täuscht ja oft.
mir gespielt. Er hat es mir sehr einfach gemacht, sodass ich eben nicht das Gefühl hatte, dass ich eine Zumutung bin.
Am Anfang ist es aber doch vor allem der pädagogische Eros der Lehrerin-SchülerBeziehung. Haben Sie darüber auch gesprochen, oder einfach gespielt, Sie und Milan?
SN:
Nein, ach, kaum, da haben wir
kaum drüber gesprochen. Wir hatten es eher lustig miteinander am Set. Wir haben nicht genauer reflektiert, was da jetzt so genau ... aber da
hat ja auch die Regisseurin, wenn es zum Drehen kam, die hat bei den einzelnen Szenen relativ genaue Vorstellungen.
Ich fand aber auch, um nochmal auf das Pädagogische zurückzukommen, den zu quälen mit dem Sprechunterricht, das hat mir schon Spaß gemacht. Zuerst ist man
ihm in dem Sinne ausgeliefert, dass er einen erschreckt, klar, er klaut einem die Handtasche, das ist ein
Schockmoment. Und auf einmal steht der dann so schüchtern in seiner ganzen ADHS-Problematik vor einem und ist einem so ausgeliefert
– da ist natürlich dann ein gewisser Sadismus am Werk, dass man sagt,
ja, jetzt schauen wir mal. Dass sich da plötzlich eine Macht verschiebt, dass man da plötzlich so Oberwasser hat, und das Spiel damit, dass das öfters so hin und her geht – sie
will das ja auch nicht wirklich wahrhaben, man genießt das zwar, dass es da ein bisschen britzelt, rrrrr, aber man weist das von sich. Man
denkt den Gedanken nicht.
Das ist ja auch der Reiz und zugleich das Tabu an der Konstellation einer Liebesbeziehung eines sehr jungen Mannes mit einer älteren Frau. Umgekehrt rührt ja nach wie vor kaum jemand ein Ohrwaschl, wenn ein Alter mit einer jungen Frau daherkommt.
SN:
Und Sophie Rois dachte: „Gott, so eine Zumutung ...“
Sie sagen es, Sie sagen es. Bis vor
Kurzem wäre das überhaupt kein Ding gewesen, wenn so ein alter
Knacker in meinem Alter mit einer Zwanzigjährigen, ja, selbstverständlich, kein Aufreger. Es gab wohl auch Aufregung deswegen, wie mir Coco erzählt hat. Manche Männer, Typen in meinem Alter, fanden bei der nun wirklich dezenten Sexszene, das wär ja total unmöglich, dass dieser Junge mit dieser alten Tante da ins Bett steigt. Da hab ich mir gedacht, echt jetzt?
Aber solche Männer sind es nicht gewöhnt, dass sie in einem Film gar nicht vorkommen.
Film: AEIOU – Das schnelle Alphabet
der Liebe. D, 2022. Regie: Nicolette Krebitz. Mit Sophie Rois, Milan Harms, Nicolas Bridet, Udo Kier.