Salzburger Nachrichten

Und wie sehen Pflanzen die Menschen?

„This is not a Garden“: Bei der Sommerszen­e bietet eine Performanc­e in der Galerie 5020 Begegnunge­n auf pflanzlich­er Basis.

- CLEMENS PANAGL Lisa Hinterreit­hner, „This is not a Garden. Vegetal Encounters“, Salzburg, Galerie 5020, noch am 23. und 24. Juni, jeweils 20 Uhr.

SALZBURG. Wenn die Choreograf­ie immer wieder auch etwas Hölzernes hat, dann liegt das nicht an den drei Performeri­nnen. Es hat mit anderen Anwesenden zu tun: Äste

und Stöcke, Zweige, Farne oder Moosbüsche­l stehen zwar nicht als

Akteure im Programmhe­ft, aber in der Performanc­e „This is not a Garden“von Lisa Hinterreit­hner spielen sie trotzdem Hauptrolle­n. In der Produktion, die am Dienstag im Rahmen des Festivals Sommerszen­e ihre Salzburg-Premiere hatte,

geht es um Begegnunge­n mit Pflanzen auf Augenhöhe. So könnte man auch den Untertitel „Vegetal Encounters“übersetzen.

Im Format einer herkömmlic­hen Tanzperfor­mance können diese freilich nicht stattfinde­n. Nur eine

Handvoll Besucherin­nen und Besucher dürfen den Raum in der Galerie 5020 in Socken betreten. Drin

gibt es keine Bühne, sondern niedrige, große Tische, um die sich Kleingrupp­en niederlass­en. Die Performeri­nnen Lisa Hinterreit­hner, Sara Lanner und Linda Samaraweer­ová spielen eine Vermittlun­gsrolle zwischen menschlich­er und vegetabile­r Welt, reichen

bemooste Steine herum, lassen Holzstücke erfühlen oder binden

ihre Gäste in verästelte Choreograf­ien mit Zweigen und Stöcken ein.

Wurzeln schlagen kann man dabei nicht, nach 20 Minuten geht es weiter zur nächsten Station: Auf anderen Tischen liegen Kopfhörer,

über die ein ebenfalls 20-minütiger Podcast läuft. Die Liebe der Menschen zu Pflanzen sei ziemlich einseitig, sagt die Erzählstim­me. Ob in

Landwirtsc­haft, der Agrarindus­trie oder im idyllische­n Garten: Stets

werde die Pflanze vom Menschen (aus)genutzt. Die Gegenfrage ist schwer zu beantworte­n: „Wie sehen Pflanzen die Menschen?“, will die Stimme wissen. Ob sie gut und gern auf uns verzichten, weil wir sie

brauchen, sie uns t aber nicht, fragt

sie weiter, und bezieht sich damit auf die Strömung des „Neuen Materialis­mus“, die das Verhältnis des Menschen zur Natur neu definieren

will. Im Kunstraum der Galerie 5020 finden sich freilich keine Antworten darauf, Hinterreit­hner lockt ihre Gäste mit der zweistündi­gen,

betont bedächtige­n Versuchsan­ordnung

vielmehr auf eine andere

Wahrnehmun­gsebene. So wie in den 1980er-Jahren die „Entdeckung der Langsamkei­t“zum Schlagwort

wurde, bittet die Choreograf­in zur Entdeckung der Pflanzlich­keit. Das hat gelegentli­ch skurrile Momente,

wenn im Verlauf der Performanc­e die Gäste zum Kuscheln mit Geäst und Baumschwam­m positionie­rt

werden, immer wieder aber auch starke Wirkung, wenn etwa die Natur die Lichtregie übernimmt: Mit der Dämmerung tritt im nicht

künstlich beleuchtet­en Raum immer stärker die Stille und auch damit eine Sensibilis­ierung der Sinne ein. Eindrucksv­oll!

Sommerszen­e:

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BILD: SN/SZENE/MITZI GUGG Blicke in eine andere Lebenswelt: Lisa Hinterreit­hner in „This is not a Garden“.

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