Stromprojekte warten auf „Go“
28 Mrd. Euro will die E-Wirtschaft in den Ausbau von Wasser-, Wind- und Sonnenkraft investieren, doch es braucht Flächen, Leitungen und Mitarbeiter. Die Meinung der Bevölkerung schlägt um.
WIEN. Der Widerstand der Österreicher gegen Windräder und Solarparks sinkt, zeigt eine aktuelle Umfrage im Auftrag der E-Wirtschaft. Hielten es voriges Jahr 44 Prozent der 1000 Befragten für nötig, die Stromnetze auszubauen, bzw. 58 Prozent die Stromerzeugung, waren es im April 2022 bereits 54 bzw. 72 Prozent. Den sprunghaften Anstieg führt der Branchenverband Oesterreichs Energie auf den russischen Angriff auf die Ukraine zurück.
Der Krieg habe die Akzeptanz von Windrädern, Wasserkraftwerken und Photovoltaik-(PV)-Anlagen gesteigert, sogar in der eigenen
Wohnregion, sagte Generalsekretärin Barbara Schmidt am Mittwoch
bei der Präsentation der Ergebnisse. Fast jeder Zweite finde mittlerweile den Ökostromausbau zu langsam. „Es gibt also wirklich keinen Grund
mehr für Zurückhaltung der Politik“, findet Schmidt.
Österreich will in acht Jahren 27 Terawattstunden (TWh) Ökostrommenge dazubauen – fast 40 Prozent des derzeitigen Jahresverbrauchs –,
um das 100-Prozent-Ökostrom-Ziel
zu erreichen. Der Zubau von Strom aus Wasser-, Wind- und Sonnenkraft sowie Biomasse läuft aber weiter schaumgebremst. An der E-Wirtschaft liege es nicht, sagt Michael
Strugl, Verbund-Chef und Präsident des Branchenverbands. Laut einer Erhebung unter den großen Mitgliedern sind derzeit 220 Projekte – mit zwölf TWh – in der Pipeline. Die Liste reicht von neuen Speicherkraftwerken
über Windparks bis zu großen Solaranlagen. Am weitesten gediehen sind, abgesehen vom Boom bei privaten PV-Anlagen, die
Ausbaupläne in der Wasserkraft, wo eine Terawattstunde schon in Bau ist. Der große Rest der Vorhaben ist in Entwicklung oder kurz vor bzw. in der Genehmigung.
Insgesamt gehe es um Investitionen von 28 Mrd. Euro, sagt Strugl. Die Zahl sei eine Momentaufnahme und könne durch höhere Rohstoffpreise und Lieferprobleme noch steigen. Daher sei auch eine Abschöpfung der Gewinne der Energieversorger keine gute Idee.
Abgesehen von den finanziellen Mitteln brauche es aber auch Flächen für den Ausbau, viel schnellere Genehmigungsverfahren, neue Leitungen und Fachpersonal. Die EWirtschaft nehme die Verantwortung ernst, brauche aber die Unterstützung
der Politik, sagt Strugl. Der
Ausbau erneuerbarer Energie sei die einzige Chance für Europa, die Strompreise wieder auf ein vernünftiges Niveau zu bringen.
Weltweit werden die Investitionen im Energiebereich, vor allem in Erneuerbare und Netze, heuer um acht Prozent auf 2,4 Billionen Dollar steigen, erwartet die Internationale Energieagentur (IEA). Das sei zwar ermutigend, reiche aber nicht aus, um die Klima- und Energiekrise zu bewältigen, teilte die Organisation am Mittwoch mit. Fast die
Hälfte des nominalen Wachstums sei zudem auf höhere Kosten für Personal, Dienstleistungen und Material zurückzuführen, was künftig die realen Investitionen hemmen
könnte. Zudem könnten die Sorgen um die Energiesicherheit und höhere Preise die Investitionen in fossile Energieträger wieder erhöhen.
IEA: Investitionen steigen nicht genug