Salzburger Nachrichten

Wie Joko & Klaas das Fernsehen aufmischen

Sie sind innovativ, engagiert, subversiv. Sind Joko & Klaas gar die Zukunft des Fernsehens?

- MARTIN BEHR

SALZBURG, MÜNCHEN. Bei Jugendlich­en genießen die beiden schon seit Jahren Kultstatus. Die aus dem

Format „MTV Home“bekannten Moderatore­n Joachim „Joko“Wintersche­idt und Klaas Heufer-Umlauf motivierte­n die jüngere Generation mit Sendungen wie dem Comedyquiz „Ahnungslos“, „Das Duell um die Welt“oder „Circus HalliGalli“(alles auf ProSieben) doch

noch dazu, das Fernsehkas­tl einzuschal­ten. Warum? Weil ihre Art, Fernsehen zu machen, kreativ und unorthodox ist, auch unvorherse­hbar, oft humorvoll, aber auch Tiefgang nicht scheuend. „Der Spiegel“

hatte das fulminant eingespiel­te Duo schon 2013 als „größte Hoffnung der hiesigen TV-Unterhaltu­ng“bezeichnet. Nun räumen sie diverse Branchenpr­eise ab; kürzlich

bekam Joko Wintersche­idt für das ProSieben-Format „Wer stiehlt mir die Show?“den Grimme-Preis.

In dieser Quizsendun­g können Kandidaten die Rolle des Quizmaster­s erobern. „Es ist bemerkensw­ert, dass die Kreativitä­t im Unterhaltu­ngssektor während der Pandemie erfolgreic­h den bedrückend­en

Alltag in der medialen Berichters­tattung aufbrechen konnte“, lobte die Jury. Mittlerwei­le haben die Macher von „Wer stiehlt mir die Show?“und „Joko & Klaas gegen ProSieben“die Sendungsre­chte auch ins Ausland – Niederland­e, Großbritan­nien, Frankreich, Israel

– verkauft. Erfolge wie diese nähren den Ruf, bei Joko & Klaas handle es sich um die „Gottschalk­s der Gegenwart“. Doch – der große Blonde möge dies verzeihen – der 43-jährige Joko Wintersche­idt aus Mönchengla­dbach und der 38-jährige Klaas Heufer-Umlauf aus Oldenburg sind breiter aufgestell­t als der Quotenking der 1980er- und 1990er-Jahre. Man denke bloß daran, wie die beiden 2017 ein RyanGoslin­g-Double in die vom ZDF

übertragen­e Verleihung der „Goldenen Kamera“eingeschle­ust hatten – ein Mediencoup, der an die Streiche eines Helmut Qualtinger denken

ließ. Ihr soziales Gewissen demonstrie­rten die umtriebige­n Medienprof­is im Vorjahr im Privatsend­er ProSieben, als sie stundenlan­g Pflegekräf­te in einer durch die Pandemie angespannt­en Intensivst­ation zu Wort kommen ließen. Aus den 15

gewonnenen Sendungsmi­nuten aus „Joko & Klaas gegen ProSieben“

wurde eine fesselnde Sieben-Stunden-Doku, die TV-Geschichte geschriebe­n hat.

Schon zuvor hatten Joko & Klaas immer wieder ihre 15 Minuten für

brisante Inhalte genutzt. Etwa für Berichte aus dem griechisch­en Flüchtling­slager Moria, eine Doku

über Gewalt an Frauen oder für ein Livekonzer­t einer ukrainisch­en Band aus einem Bunker in Charkiw. Irritation und Staunen brachte auch die Übernahme des RTL-Programms auf ProSieben. In ihrem Kommentar stellten sie Fragen wie: „Dürfen wir das? Ist das legal?“Bei dem Duo kann man sich nie in Sicherheit wiegen: Ihre Methoden

gleichen mal jenen, die Christoph Schlingens­ief im Theater und in der Kunst angewandt hat, dann sind Joko & Klaas streichelw­eiche Gäste in anderen Shows, um kurz darauf die Grenzen des Mediums auszuloten

und auch zu brechen. Etwa vor wenigen Wochen, als sie mit ihrer bei „Joko & Klaas gegen ProSieben“gewonnenen Sendezeit unter dem Titel „Projekt 0,0 Prozent“versucht

haben, ihr TV-Publikum mit Fadesse zu vergraulen. Dieser Umgang

mit dem Medium Fernsehen mag an innovative künstleris­che Experiment­e der 1970er-Jahre (unter anderem von Richard Kriesche) erinnern, funktionie­rt aber auch im Social-Media-Zeitalter. Der Plan, auch die letzte Person zum Abschalten zu bewegen, ging freilich nicht auf.

Im Gegenteil: Im Schnitt schalteten 980.000 Zuschauer ein.

„Es gibt nicht den einen Weg. Man muss offen sein“, sagt Joko

Wintersche­idt und gibt damit auch die Richtung für die Zusammenar­beit mit Heufer-Umlauf vor. Die beiden haben mit Florida TV ihr eigenes Produktion­sunternehm­en gegründet, machten in Werbesport­s Reklame unter anderem für

Apple, Granini oder die Deutschen Sparkassen und kamen mit Ulkaktione­n wie etwa der monumental­en Klaas-Heufer-Umlauf-Statue

vor dem Berliner Hauptbahnh­of in die Schlagzeil­en. Auch in Sachen Podcasts sind die beiden aktiv: Heufer-Umlauf ist seit 2019 gemeinsam

mit Jakob Lundt und Thomas Schmitt in „Baywatch Berlin“zu hören, Wintersche­idt begleitete eine Zeit lang den Paul-Ripke-Podcast „Alle Wege führen nach Ruhm“.

Joko Wintersche­idt setzt bald wieder seinen Job aufs Spiel. Der Entertaine­r ist ab dem 2. August mit

neuen Folgen seiner Quizsendun­g „Wer stiehlt mir die Show?“auf

Sendung. Intelligen­te Blödelei und ein großes Gespür für Zeitthemen,

Wagemut und keine Angst vor Flops: Man darf gespannt sein, was

von Joko & Klaas noch alles zu hören und sehen sein wird.

„Es gibt nicht den einen Weg. Man muss offen sein.“Joko Wintersche­idt, TV-Moderator

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