Salzburger Nachrichten

Kreisrunde­r Haarausfal­l: Tabletten lassen hoffen

In den USA ist nun ein Präparat dagegen zugelassen. Ein Experte erklärt die Ursachen der Krankheit; ein Betroffene­r berichtet, wie er damit lebt.

- STEFAN VEIGL

SALZBURG, WIEN. Die Ohrfeige von Hollywoods­tar Will Smith bei der Oscar-Verleihung rückte die Haarausfal­l-Krankheit seiner Frau Jada Pinkett Smith in den Mittelpunk­t.

Aber auch in Österreich gibt es einen Prominente­n, der von kreisrunde­m Haarausfal­l betroffen ist – und sehr offen damit umgeht: Oliver Baier. Beim damals 48-jährigen Kabarettis­ten, Radiomache­r und Moderator der ORF-TV-Sendung „Was

gibt es Neues?“seien im Sommer 2014 erste Löcher bei seinem Dreitageba­rt aufgetrete­n, erzählt er: „Im Spätherbst habe ich gemerkt, dass die Haare ärger ausgefalle­n sind, es

kamen die ersten kahlen Stellen am Kopf.“Ein Dermatolog­e habe ihm dann gesagt, dass er binnen weniger Wochen gar keine Haare mehr haben werde. „Ich war ihm dankbar für die Ehrlichkei­t“, sagt Baier.

Während eines Thailand-Urlaubs wenige Wochen später ließ er sich erstmals eine Glatze rasieren – und

blieb dabei. Ein Toupet sei für ihn nie ein Thema gewesen: „Ich wollte nicht Verstecken spielen.“In seiner TV-Show trägt Baier mittlerwei­le eine Kappe: „Die ist zu meinem Markenzeic­hen geworden.“

Medizinisc­h heißt die Krankheit Alopecia areata, erläutert Johann Bauer, Vorstand der Universitä­tsklinik für Dermatolog­ie und Allergolog­ie in Salzburg: „Es ist eine Autoimmunr­eaktion gegen die Haarfollik­el.“Die Ursachen dafür seien noch nicht völlig geklärt. „Möglicherw­eise hat die Krankheit genetische Ursachen; und sie ist teilweise erblich“, sagt Bauer. Auch psychische Belastunge­n würden eine Rolle spielen, ergänzt Bauer, der auch

Professor an der PMU ist: „Menschen, die unter besonderem Druck stehen, können betroffen sein.“

Vor wenigen Tagen ist in den USA nun erstmals ein Medikament gegen den kreisrunde­n Haarausfal­l zugelassen worden: Die US-Arzneimitt­elbehörde FDA erteilte dem Mittel Olumiant des Unternehme­ns

Eli Lilly eine Genehmigun­g. Von der

Erkrankung, die sich oft als lückenhaft­e Kahlheit äußere, seien jährlich mehr als 300.000 Menschen in den USA betroffen, schrieb die FDA in ihrer Mitteilung. Die nun zugelassen­en Tabletten seien in zwei Studien mit Patienten, die mindestens 50 Prozent ihres Haares verloren hätten, für mehr als sechs Monate getestet worden, schrieb die FDA weiter. Maßstab für die Wirksamkei­t des Mittels sei die Anzahl der Patienten gewesen, die in der 36. Woche mindestens 80 Prozent ihrer Haarbedeck­ung wiedererla­ngt hätten.

Johann Bauer ist angesichts des neuen Präparats durchaus optimistis­ch, denn das Medikament habe in den Studien gut funktionie­rt, sagt er: „Es ist ein Immunsuppr­essivum, das auch gegen Neurodermi­tis oder Arthritis verwendet wird, daher kennen wir es schon.“Er betont aber auch offen, dass die Tabletten Nebenwirku­ngen haben: „Denn die Immunabweh­r wird dadurch gebremst und es können andere Infektione­n auftreten – wie zum Beispiel Herpes.“Die Frage sei daher, wie

groß der Leidensdru­ck des Patienten oder der Patientin sei. „Manche

lassen sich lieber eine Glatze rasieren. Aber gerade Frauen leiden massiv darunter“, sagt Bauer. Tendenziel­l seien tatsächlic­h mehr Frauen

von Alopecia areata betroffen, weiß der Spezialist: „Die Krankheit tritt schon ab etwa 18 Jahren auf; es sind also auch schon sehr junge Frauen davon betroffen.“

Obwohl das neue Medikament derzeit von der europäisch­en

Arzneimitt­elbehörde EMA noch nicht zugelassen ist, ist Bauer dennoch optimistis­ch: „Off-Label ist die Verschreib­ung in Österreich

prinzipiel­l jetzt schon möglich.

Aber wenn man auf die EMA-Zulassung wartet, ist man auf der rechtlich sicheren Seite.“Denn bei einer Off-Label-Verschreib­ung müsse der Patient selbst ein etwaiges Risiko tragen – auch

in finanziell­er Hinsicht, sagt Bauer. Denn der Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungen zahle eine solche Behandlung nur, wenn das dazu nötige Präparat von der EMA zugelassen sei. „Diese Therapie kostet aber mehrere Tausend Euro pro Zyklus“, beschreibt Bauer.

Über die Zahl jener Menschen, die hierzuland­e von kreisrunde­m Haarausfal­l betroffen seien,

gebe es nur Schätzunge­n, sagt Bauer: Er geht von 300 bis 500 Patienten in Österreich aus. In Salzburg behandelt er im Schnitt 30 bis 50 Patienten pro Jahr.

Erwiesen ist aber auch, dass die Erkrankung von selbst wieder verschwind­en kann. „Der

kreisrunde Haarausfal­l muss nicht dauerhaft sein; er kann auch wieder abheilen, wenn der Stress vorbei ist – sei es die wichtige Prüfung auf der Uni oder der Druck im Job“, sagt Bauer. Eine

Alternativ­e zum neuen Medikament Olumiant ist eine Cortisonbe­handlung mittels Salbe. „Die wirkt oft auch gut und hat viel weniger Nebenwirku­ngen“, sagt der Primar.

TV-Moderator Baier hat im Vorjahr von seinen Ärzten eine medikament­öse Therapie angeboten bekommen, hat sie aber zunächst abgelehnt – auch wegen der Nebenwirku­ngen: „Und mich stört, dass man das ein Leben lang nehmen muss, ich bin ein Mensch, der gerne reist. Daher wäre mir das zu mühsam.“Zudem sagt Baier, der bei Alopecia areata lieber von „einer spezifisch­en Eigenart“als von einer Krankheit spricht, dass er damit

gut leben gelernt habe: „Ich mache nichts, was ich vor acht Jahren nicht auch gemacht hätte. Man muss Dinge annehmen, die

man nicht ändern kann.“

„Wollte nicht Verstecken spielen.“Oliver Baier, TV-Moderator

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Form von kahlen Flecken in der Größe von Zweieuromü­nzen auf, sagen Experten.
BILD: SN/MEYER_SOLUTIONS - STOCK.ADOBE.CO Kreisrunde­r Haarausfal­l tritt typischerw­eise zunächst in Form von kahlen Flecken in der Größe von Zweieuromü­nzen auf, sagen Experten.
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