Kreisrunder Haarausfall: Tabletten lassen hoffen
In den USA ist nun ein Präparat dagegen zugelassen. Ein Experte erklärt die Ursachen der Krankheit; ein Betroffener berichtet, wie er damit lebt.
SALZBURG, WIEN. Die Ohrfeige von Hollywoodstar Will Smith bei der Oscar-Verleihung rückte die Haarausfall-Krankheit seiner Frau Jada Pinkett Smith in den Mittelpunkt.
Aber auch in Österreich gibt es einen Prominenten, der von kreisrundem Haarausfall betroffen ist – und sehr offen damit umgeht: Oliver Baier. Beim damals 48-jährigen Kabarettisten, Radiomacher und Moderator der ORF-TV-Sendung „Was
gibt es Neues?“seien im Sommer 2014 erste Löcher bei seinem Dreitagebart aufgetreten, erzählt er: „Im Spätherbst habe ich gemerkt, dass die Haare ärger ausgefallen sind, es
kamen die ersten kahlen Stellen am Kopf.“Ein Dermatologe habe ihm dann gesagt, dass er binnen weniger Wochen gar keine Haare mehr haben werde. „Ich war ihm dankbar für die Ehrlichkeit“, sagt Baier.
Während eines Thailand-Urlaubs wenige Wochen später ließ er sich erstmals eine Glatze rasieren – und
blieb dabei. Ein Toupet sei für ihn nie ein Thema gewesen: „Ich wollte nicht Verstecken spielen.“In seiner TV-Show trägt Baier mittlerweile eine Kappe: „Die ist zu meinem Markenzeichen geworden.“
Medizinisch heißt die Krankheit Alopecia areata, erläutert Johann Bauer, Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie in Salzburg: „Es ist eine Autoimmunreaktion gegen die Haarfollikel.“Die Ursachen dafür seien noch nicht völlig geklärt. „Möglicherweise hat die Krankheit genetische Ursachen; und sie ist teilweise erblich“, sagt Bauer. Auch psychische Belastungen würden eine Rolle spielen, ergänzt Bauer, der auch
Professor an der PMU ist: „Menschen, die unter besonderem Druck stehen, können betroffen sein.“
Vor wenigen Tagen ist in den USA nun erstmals ein Medikament gegen den kreisrunden Haarausfall zugelassen worden: Die US-Arzneimittelbehörde FDA erteilte dem Mittel Olumiant des Unternehmens
Eli Lilly eine Genehmigung. Von der
Erkrankung, die sich oft als lückenhafte Kahlheit äußere, seien jährlich mehr als 300.000 Menschen in den USA betroffen, schrieb die FDA in ihrer Mitteilung. Die nun zugelassenen Tabletten seien in zwei Studien mit Patienten, die mindestens 50 Prozent ihres Haares verloren hätten, für mehr als sechs Monate getestet worden, schrieb die FDA weiter. Maßstab für die Wirksamkeit des Mittels sei die Anzahl der Patienten gewesen, die in der 36. Woche mindestens 80 Prozent ihrer Haarbedeckung wiedererlangt hätten.
Johann Bauer ist angesichts des neuen Präparats durchaus optimistisch, denn das Medikament habe in den Studien gut funktioniert, sagt er: „Es ist ein Immunsuppressivum, das auch gegen Neurodermitis oder Arthritis verwendet wird, daher kennen wir es schon.“Er betont aber auch offen, dass die Tabletten Nebenwirkungen haben: „Denn die Immunabwehr wird dadurch gebremst und es können andere Infektionen auftreten – wie zum Beispiel Herpes.“Die Frage sei daher, wie
groß der Leidensdruck des Patienten oder der Patientin sei. „Manche
lassen sich lieber eine Glatze rasieren. Aber gerade Frauen leiden massiv darunter“, sagt Bauer. Tendenziell seien tatsächlich mehr Frauen
von Alopecia areata betroffen, weiß der Spezialist: „Die Krankheit tritt schon ab etwa 18 Jahren auf; es sind also auch schon sehr junge Frauen davon betroffen.“
Obwohl das neue Medikament derzeit von der europäischen
Arzneimittelbehörde EMA noch nicht zugelassen ist, ist Bauer dennoch optimistisch: „Off-Label ist die Verschreibung in Österreich
prinzipiell jetzt schon möglich.
Aber wenn man auf die EMA-Zulassung wartet, ist man auf der rechtlich sicheren Seite.“Denn bei einer Off-Label-Verschreibung müsse der Patient selbst ein etwaiges Risiko tragen – auch
in finanzieller Hinsicht, sagt Bauer. Denn der Hauptverband der Sozialversicherungen zahle eine solche Behandlung nur, wenn das dazu nötige Präparat von der EMA zugelassen sei. „Diese Therapie kostet aber mehrere Tausend Euro pro Zyklus“, beschreibt Bauer.
Über die Zahl jener Menschen, die hierzulande von kreisrundem Haarausfall betroffen seien,
gebe es nur Schätzungen, sagt Bauer: Er geht von 300 bis 500 Patienten in Österreich aus. In Salzburg behandelt er im Schnitt 30 bis 50 Patienten pro Jahr.
Erwiesen ist aber auch, dass die Erkrankung von selbst wieder verschwinden kann. „Der
kreisrunde Haarausfall muss nicht dauerhaft sein; er kann auch wieder abheilen, wenn der Stress vorbei ist – sei es die wichtige Prüfung auf der Uni oder der Druck im Job“, sagt Bauer. Eine
Alternative zum neuen Medikament Olumiant ist eine Cortisonbehandlung mittels Salbe. „Die wirkt oft auch gut und hat viel weniger Nebenwirkungen“, sagt der Primar.
TV-Moderator Baier hat im Vorjahr von seinen Ärzten eine medikamentöse Therapie angeboten bekommen, hat sie aber zunächst abgelehnt – auch wegen der Nebenwirkungen: „Und mich stört, dass man das ein Leben lang nehmen muss, ich bin ein Mensch, der gerne reist. Daher wäre mir das zu mühsam.“Zudem sagt Baier, der bei Alopecia areata lieber von „einer spezifischen Eigenart“als von einer Krankheit spricht, dass er damit
gut leben gelernt habe: „Ich mache nichts, was ich vor acht Jahren nicht auch gemacht hätte. Man muss Dinge annehmen, die
man nicht ändern kann.“
„Wollte nicht Verstecken spielen.“Oliver Baier, TV-Moderator