Ein Musterbeispiel für schlechte Politik
Die Impfpflicht wurde offiziell beerdigt. Gut so. Und höchste Zeit für einen Neustart der Pandemiepolitik.
Ein totes Pferd kann man nicht reiten. Ein totes Gesetz kann man nicht vollziehen. Die Impfpflicht, auf die sich Bund und Länder bei einer chaotischen Landeshauptleutesitzung im November 2021 geeinigt
hatten, war ein Musterbeispiel für schlechte Politik. Sie hätte in gesundheitlicher Hinsicht nichts bewirkt,
weil die meisten jener, die sich der Impfung verweigern, auch durch angedrohte Strafen nicht zur Nadel zu bewegen gewesen wären. Sie wäre in politischer
Hinsicht fatal gewesen, weil sie den Spalt, der zwischen Maßnahmenskeptikern und Maßnahmenbefürwortern klafft, noch weiter aufgerissen hätte. Sie
wäre mit relativ großer Wahrscheinlichkeit als unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden. Und sie hätte zu ihrer Durchführung den Aufbau einer Bürokratie
benötigt, die in keiner Relation zum möglichen (aber fragwürdigen) Nutzen stand. Im Grunde haben sich Bund und Länder im vergangenen Herbst nur deshalb auf die Impfpflicht geeinigt, weil sie damals auch einen Lockdown verkündeten, den sie zuvor kategorisch ausgeschlossen hatten. Daher wollten die Regierenden – quasi als Trost für die Geimpften, die nun wieder daheimsitzen mussten – auch den Ungeimpften einen Tort antun, nämlich die Impfpflicht.
Was ein denkbar schlechtes Argument war. Es ist kein Zufall, dass die Regierung die wider besseres
Wissen beschlossene Impfpflicht zwar gesetzlich verankert, aber nicht umgesetzt hat. Jetzt kündigten der neue Gesundheitsminister Johannes Rauch und der türkise Klubchef August Wöginger die offizielle Abschaffung der Impfpflicht an, und das ist gut so.
Die Regierung setzt nun lieber auf die Eigenverantwortung der Menschen, und auch das ist gut. Genauer gesagt: Es wäre gut. Nämlich dann, wenn die Regierung die geforderte Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger mit noch mehr Aufklärung, noch mehr Information, noch mehr Anreizen unterfüttern würde. Es kann nicht sein, dass in jedem Wahlkampf Millionen zur geistigen Bearbeitung des Wahlvolks verpulvert werden, während die Regierungskampagnen für die Impfung mit freiem Auge
kaum wahrnehmbar sind. Man könnte sogar darüber diskutieren, ob nicht eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sinnvoll wäre, doch eine solche Diskussion ist nach dem bisherigen Impfpflicht-Desaster wohl nicht mehr möglich.
So oder so: Die Regierung gab sich am Donnerstag die Chance für einen Neustart in der Coronapolitik.
Sie sollte ihn nutzen.