Ambros live: Triumph übers Vergängliche
Meer der Euphorie: Wolfgang Ambros wird in der Salzburgarena beim Auftritt zu seinem 50-Jahr-Bühnenjubiläum gefeiert.
SALZBURG. Bevor es zum Ende auf den Zentralfriedhof und freilich zum „Schifoan“geht, lehnt Wolfgang Ambros an seinem Hocker. Er
kam gestützt auf zwei Stöcken auf die Bühne in der Salzburgarena,
wo’s noch vor dem ersten Ton Standing Ovations gab – fürs Kommen.
Hier weiß jeder: Der Rücken des Mannes ist hin. Ambros, im März 70
geworden, steht verkrümmt da. „Baba und foi ned“ist gerade vorbei, das Konzert fast. Die Handflächen
liegen geöffnet auf den Schenkeln, als wollte er die Energie aufsaugen. Und er kann nichts sagen.
Jede Härte ist aus den Furchen im Gesicht gewichen. Er ist gerührt.
Vieles auf der Tour, die seine 50 Jahre auf der Bühne feiert, macht klar: Einmal noch alle Kräfte bündeln für so einen magischen Moment, in
dem im letzten Akkord ein Jubel aufbraust, der nichts ist als eine tiefe Verneigung. Ein Moment, der eine Zeile aus „Baba und foi ned“
Lügen straft, wenn es heißt: „A Nacht umsonst aufblieb’n ...“Die Nacht war nicht umsonst. Sie endete im Triumph.
Es werde alte Lieder zu hören geben – und ganz alte, hatte Ambros am Anfang kichernd gesagt. Nichts anderes will sein begeistertes Volk
hören. Zwischendurch verneigt er sich auch vor Vorbildern und verstorbenen Weggefährten. Aus „Sunny Afternoon“von den Kinks wird „Herumliegn in der Sunn“, aus „Love Minus Zero/No Limit“von
Bob Dylan hatte er schon 1978 „Wahre Liebe“gemacht. In beiden
Fällen hat er weniger Probleme, diesen Songs der anderen frisches Charisma zu geben, als bei manchen
eigenen. Gassenhauer wie „Hoit, do is a Spoit“, „Zwickts mi“oder „Blume aus dem Gemeindebau“sind halt nur Mitsingschlager.
Ambros ist der wohl wichtigste Liedermacher des Landes, einer, der die Verfassung des Landes und seine Hinterhofabgründe ebenso einfing, wie er ein paar der feinsinnigsten Liebeslieder schuf. Blöd, dass sich eben bei einem solchen das Mitmachdilemma besonders brutal zeigt.
Ambros rackert sich mit „Du bist wia die Wintersun“ab. Verwaschen und in breitem Sound zubetoniert
werden die Feinheiten dieses mindestens in den Top Ten der schönsten Liebeslieder deutscher Sprache
rangierenden Songs. Kaschiert wird so die einzig schwerwiegende
Schwäche der Stimme: Die Melancholie, die manchen seiner Songs
innewohnt, kann der alte Ambros
nicht mehr erzeugen. Das Publikum erwartet sie offenbar auch nicht, sondern pascht halt mit.
Das Dilemma zwischen Zwischenton und Begeisterungstaumel
wird mit dem nächsten Song untermauert. Nach der traurig-überladenen „Wintersun“-Version tobt das Publikum beim vergleichsweise
banalen „Langsam wochs’ ma z’amm“. Eine Frau eine Reihe weiter
vorn schreit das Lied mit und ihrem Begleiter laut entgegen. Da ist klar: Dieses Lied gehört nur uns. Vielleicht gibt es wegen eines seiner Songs auch Kinder, jedenfalls gibt’s
wohl für alle im Saal, vielleicht im ganzen Land, einen Moment, der an einen Ambros-Song erinnert.
Es sind Volkslieder, ebenso wie die beiden Songs, mit denen er sich
vor Georg Danzer und vor Willi Resetarits verbeugt. Bei Danzers „Jö schau“dreht der Saal durch. Bei „Feia“, der anhabig-blusigen Ostbahn-Kurti-Version des Springsteen-Songs „Fire“, geht das nicht. Dafür schafft Ambros hier, der Song ist eher ruhig und langsam intensiv und passt zu seiner rauen Stimmlage, plötzlich eine dichte Innigkeit. Danach dreht er diese Innigkeit ins Umheimliche: „Gezeichnet fürs Leben“klingt, als hörte man jenen Ambros, der diesen wütenden Song schon vor 40 Jahren stets zu einem Konzerthöhepunkt werden ließ. Eigenartig bloß, mit welcher Inbrunst auch ein längst alt gewordenes
Publikum die Selbstmordfantasie eines jungen Verzweifelten mitsingt. Aber freilich geht es an diesem Abend mehr um Erinnerung als
ums Hier und Jetzt. Das gilt auch für „De Kinnetn, wo i schlaf“, jene Geschichte des Sandlers, dem sie die Baugrube zuschütten, in der er
übernachtet. Fein gesponnen ist der Song von einer fabelhaft aufgelegten
Band, die manchmal halt ein bisserl zu breitbeinig auftritt.
„Feia“, „Gezeichnet fürs Leben“und „De Kinnetn“– dieses Dreierpack bildet den Höhepunkt des Abends, weil sich da in nur eine paar Minuten Ambros’ Inwendigkeit, Rebellentum und auch seine Wehmut, sein Blick
für Randfiguren kraftvoll zeigen. Schließlich bekennt er auch die einfach schwerste Sache: „A Mensch möchte i bleib’n, ned ois
Leich möcht i sterb’n.“So singt er das in der letzten Nummer vor den Zugaben. Auch so ein Song,
bei dem die von den Schlägen des Lebens malträtierte, manchmal kippende Stimme im geschundenen Körper nichts ausmacht. Es geht nicht um Genauigkeit. Es geht um ein Gefühl, um die Belebung eines ewigen Geistes. Die Euphorie beim „Hofa“,
beim „Zentralfriedhof“, der Taumel beim „Schifoan“– alles gut. Doch es sind andere Moment, die
bleiben. Die Vergänglichkeit mag an Körper und Stimme nagen, an manchen Zeilen nagt sie nie und nimmer: „… ned alles, was an
Wert hat, muss a an Preis hab’n“. Danke, baba und stehen bleiben.
Es geht nicht um Genauigkeit, sondern um ein ewiges Gefühl