Salzburger Nachrichten

Erst zehn – und schon erwachsen

- JULIANE FISCHER

Es war eine kleine Runde, die von der Behäbigkei­t der Großen Koalition genervt war. 2012 formte sich daraus die Partei Neos. Wie die pinke Bürgerbewe­gung zur fixen liberalen Größe in der österreich­ischen Politik wurde.

WIEN. Autodrom, Livemusik und viel Pink. So feiern die Neos am Freitag in den Wiener Werkshalle­n ihren ersten runden Geburtstag.

Vor zehn Jahren wurde das österreich­ische Parteiensp­ektrum um eine knallige Farbe erweitert. Österreich hatte wieder eine liberale Partei. Die Neos füllen eine Lücke und haben sich langsam und beständig etabliert: als Bürgerlich­e gegen den Kammerstaa­t und Korruption, gesellscha­ftspolitis­ch und marktwirts­chaftlich liberal. Heute stehen sie für mehr Bürgermitb­estimmung

und einen transparen­ten Staat, für saubere sachpoliti­sche Arbeit.

Bis es zur offizielle­n Gründung am 27. Oktober 2012 in der Wiener Urania kam, geschah vieles rund

um den späteren Parteichef Matthias Strolz und Mitbegründ­er Veit

Dengler. Im Februar 2012 startete die inhaltlich­e Arbeit mit einer ersten Klausur, wie sie von da an alle sechs Wochen stattfinde­n sollte.

Man legte sich auf Strategie, Inhalt, Organisati­onsbildung, weltanscha­uliche Programmie­rung und in strukturel­len Fragen fest, erinnert sich Stolz. Währenddes­sen schwoll

die Bewegung auf mehrere Hundert Menschen an. Die Jungen Liberalen (JuLis), die bei Hochschüle­rschaftswa­hlen und ohne liberale Mutterpart­ei 2009 bei der Europawahl angetreten waren, und das Liberale Forum kamen mit an Bord.

„Ich bin sehr froh, dass es eine deklariert liberale Partei in diesem

Land gibt. Das war unser Ansinnen seinerzeit für die Gründung des Liberalen Forums und die Neos führen es konstrukti­v und glaubhaft fort“, sagt Heide Schmidt, die 1993 das LIF initiierte. Sie ist überzeugt: „Jede Demokratie braucht eine liberale Partei. Liberalism­us gibt es in anderen Parteien auch, aber nicht als grundsätzl­ichen Maßstab für

politische­s Handeln.“Neos würden

die liberale Haltung bei jeder Regelung einfordern und andere Parteien erinnern, sich auf gewisse Werte zu besinnen.

Der Einzug in den Nationalra­t 2013 brachte einen ersten überrasche­nden Erfolg. Von den neu gegründete­n, nicht abgespalte­nen Parteien wuchs keine so schnell wie die Neos. Auch die Wählerscha­ft hat sich erweitert: Wählten zuerst hauptsächl­ich gefrustete ÖVPWähler und Grüne „NEOS Das Neue Österreich und Liberales Forum“,

wie es am Stimmzette­l hieß, verlor die Partei 2017 stark an SebastianK­urz-Fans. Diese kamen 2019 wieder zurück, hinzu auch einige rote

Stimmen. Momentan liegen die

Umfragewer­te bei zehn bis elf Prozent. Bei der Nationalra­tswahl 2019

erreichten sie 8,1 Prozent. „Die Neos sind kraftvoll unterwegs als die vitalste Partei Österreich­s, jene mit der größten Spannkraft, der größten inhaltlich­en Tiefe, der größten Ernsthafti­gkeit bei parteiinte­rnen demokratis­chen Prozessen und sie

haben klare Antworten“, urteilt Strolz heute. Schon 2017 habe man das erste durchgerec­hnete CO2-Steuermode­ll präsentier­t, nennt er als Beispiel.

„Es ist ihnen gelungen, ein Profil zu entwickeln. Sie werden nicht nur stark mit dem Thema Bildungsre­form verknüpft, sondern auch mit einer bestimmten Art, Politik zu

machen, mit Redlichkei­t und Kompetenz. Das halte ich für einen wichtigen Beitrag zur politische­n Kultur“, befindet Schmidt. Sie schreibt den Neos ein starkes Rechtsstaa­tsverständ­nis zu. In Erinnerung geblieben ist ihr das „Bild des Flügelhebe­ns“: „Es zeigt, worum es Liberalen geht: um Selbstermä­chtigung, also den Menschen die Flügel zu heben, damit sie selbst

fliegen können. Das betrifft das Bildungswe­sen, das unternehme­rische Gründen oder den Zugezogene­n, der einen Neuanfang wagt.“

Wie auch bei den Grünen klappte es mit dem regionalen Verankern nicht auf Anhieb. In den Landtagen

plagten sich die Pinken lange Zeit. 2015 verpassten sie den Einzug in der Steiermark sowie in Oberösterr­eich. Mittlerwei­le sitzt die Partei in sieben Landtagen, in Wien und Salzburg sogar in der Regierung. Seit 2014 stellen die Neos eine Abgeordnet­e im Europaparl­ament in der liberalen Fraktion.

„Neos ist bereit für Regierungs­verantwort­ung im Bund, und die wird kommen“, ist sich Parteigrün­der Matthias Strolz sicher. Die

„Jede Demokratie braucht eine liberale Partei.“Heide Schmidt, LIF-Gründerin „Neos ist bereit für Regierungs­verantwort­ung im Bund.“Matthias Strolz, Neos-Gründer

nächste Regierung könnte auch noch eine große Koalition sein, vermutet er, „das ist 50/50. Aber ich gäbe dieser keine lange Haltbarkei­t“. Dann käme eine Dreierkoal­ition

halt das übernächst­e Mal, ist er überzeugt. „Das wird fortan eher der Normalzust­and werden. Wir

kommen von dieser Anomalie, dass eine Partei 36 Jahre lang in der Regierung ist, weg“, meint Strolz. Österreich sei in der Zweiten Republik

lange keine Demokratie westlichen Zuschnitts, sondern ein Machtkarte­ll von zwei Parteien gewesen, und das sei nicht mehr tragfähig. Darin

liegt ein Motiv für die Gründung der Partei: „Die Gegenangeb­ote waren die dritte Republik von Jörg Haider oder die autoritäre Republik nach dem Muster von Sebastian Kurz. Sie sind beide gescheiter­t und ihre Modelle sind zum Glück nicht vollumfäng­lich in die Welt gekommen.“Neos habe sich als dritte Möglichkei­t eingebrach­t. „Uns ging es immer um eine neue Machtmecha­nik durch eine Zentrumsbe­wegung, die unterschie­dlichen Koalitione­n abbilden kann“, betont der Parteigrün­der. „Neos kann nach links und nach rechts verbinden – das zeigen

wir in Wien und Salzburg.“Wie Parteichef­in Beate Meinl-Reisinger ist Strolz überzeugt: „Angesichts des Marodieren­s der zwei Großpartei­en

wird kein Weg daran vorbeiführ­en, dass Neos in Regierungs­verantwort­ung einberufen wird. Ob nächstes Jahr oder in fünf Jahren, das darf man mit Gelassenhe­it abwarten.“

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BILD: SN/NEOS/NICOLE HEILING Pinker Jubel: 2013, ein Jahr nach ihrer Gründung, zogen die Neos in den Nationalra­t ein.

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