Brunner rechnet länger mit hoher Inflation
Das Ende der kalten Progression soll die Steuerzahler dauerhaft entlasten und Druck aus den Lohnverhandlungen nehmen.
WIEN. Der Nationalrat hat am Donnerstag das nächste Paket gegen die aktuelle Teuerungswelle beschlossen. Es bringt unter anderem eine Einmalzahlung für Mindestpensionisten, Arbeitslose und Bezieher von Studienbeihilfe in der Höhe von 300 Euro, einen Zuschlag von 180 Euro zur Familienbeihilfe sowie einen Klimabonus von 250 Euro
und einen Teuerungsbonus von ebenfalls 250 Euro.
Damit will die Regierung die höchste Inflation seit den 70erJahren abfedern. Finanzminister Magnus Brunner erwartet – im Einklang mit den Prognosen der
Wirtschaftsforscher – dauerhaft eine höhere Inflation. „So schnell werden wir die von der
Europäischen Zentralbank (EZB) angepeilten zwei Prozent nicht
wieder erreichen“, sagte er vor der Parlamentssondersitzung im Klub der Wirtschaftspublizisten.
Daher seien auch strukturelle Maßnahmen wie die Abschaffung der kalten Progression und die Valorisierung von Sozialleistungen notwendig geworden. Sie sollen ab 2023 gelten. „Das
haben uns viele Leute nicht zugetraut“, betont Brunner, beides sei historisch. Der Gesetzesentwurf werde vor dem Sommer in Begutachtung gehen, der Beschluss
soll im Herbst fallen. Details
wie die genaue Inflationsberechnung, die als Basis für die Anpassung der Steuertarifstufen dient, oder die Abschaffung überkommener Absetzbeträge sind noch in Diskussion.
Der Ausgleich erfolge jedenfalls zu 100 Prozent, betonte Brunner – zwei Drittel automatisiert und ein
Drittel indem nach dem Ermessen der Regierung beispielsweise bedürftigen Gruppen stärker geholfen
werde. Kritik an dem Modell wies
Brunner zurück: In Deutschland sei alles Ermessenssache, sagte er.
Dass das jüngste Teuerungsausgleichspaket selbst mit einem Volumen von insgesamt sechs Mrd. Euro die Inflation noch zusätzlich anheizen könnte, wies der Finanzminister zurück. „Da muss ich mich auf die Meinung der Wirtschaftsforscher verlassen“, sagte er, die hier keine Überförderung sähen. Es handle sich um ein „faires, ausgewogenes und treffsicheres Paket“, unterstrich Brunner. Es werde nicht mit der Gießkanne Geld ausgeschüttet, sondern man nehme ganz
gezielt auf die einzelnen Bevölkerungsund Einkommensgruppen Rücksicht.
Um die gefürchtete Lohn-PreisSpirale zu verhindern, hat die Regierung die temporäre Einführung einer steuer- und abgabenfreien Prämie von bis zu 3000 Euro – ähnlich wie in der Coronapandemie –
beschlossen. Sie soll – gemeinsam mit einer Senkung der Lohnnebenkosten und dem Ende der kalten Progression – Druck von den Lohnverhandlern nehmen, hofft Brunner. Die Gewerkschaft hat bereits erklärt, Prämien könnten Lohnerhöhungen nicht ersetzen.
Der Teuerungsausgleich wird jedenfalls die Budgetsanierung verzögern: In Summe geht es um 28 Mrd. Euro bis 2026, die sich zur
Hälfte durch höhere Mehrwertsteuereinnahmen aufgrund der Inflation und zu einem Drittel durch höheren Konsum finanzieren sollen.
Vier Mrd. müssen aus dem Budget kommen. Das Defizit wird dadurch heuer auf 4,1 Prozent steigen und
bis 2026 auf ein Prozent statt auf null sinken. Die Schuldenquote
wird 2022 auf 81 Prozent klettern und bis 2026 auf 74 statt 70 Prozent zurückgehen. „Das ist eine Verschiebung, wichtig ist aber, dass der Pfad nach unten geht“, so Brunner.
Andere EU-Staaten müssten ihre Budgets ebenfalls in Ordnung bringen. Eine Änderung der EU-Kriterien sei nicht notwendig.
„Das haben uns viele nicht zugetraut.“Magnus Brunner,