Ein schöner Platz ist, wo man gerne Platz nimmt
Heute widmen wir uns dem Gedanken, wie schön der Kajetanerplatz geworden wäre, wenn man einfach Kies darübergestreut hätte.
Stellen Sie sich vor: Unter Ihren Füßen knirscht der Kies, vor Ihnen liegt eine schöne
Auswahl an freien Plätzen und über Ihnen wiegen sich Blätter in einem lauen Lüftchen. Ja. Sie haben richtig geraten: Sie befinden sich im Reich der Kastanien, auch Biergarten genannt.
Wenn dann noch ein Erfrischungsgetränk und eine formvollendete Essigwurst gereicht werden, dann tut sich der Himmel auf.
Dass der Biergarten ein Erfolgsmodell ist, das wissen wir seit 1605. Damals wurde er in
Bamberg erstmals schriftlich erwähnt. Diese Oase des sommerlichen Müßiggangs ist das Produkt einer schlauen Gedankenkette. Denn Bier wurde früher nur in den Wintermonaten
gebraut, weil die Gärung bei Temperaturen zwischen vier und acht Grad erfolgen musste. Das zweite Problem war die Lagerung im Sommer. Auch diese verlangte nach kühlen Temperaturen, sonst wäre das Bier schnell sauer geworden. Also wurden Bierkeller angelegt.
Diese wurden zusätzlich mit Eis gekühlt. Um die Temperatur in den Kellern noch weiter zu senken, ließen die schlauen Brauer auch noch Kies über die Keller streuen. Aber die Krönung
war die Pflanzung von Kastanienbäumen. Warum ausgerechnet Kastanienbäume? Diese haben sehr flache Wurzeln, sodass die Kellergewölbe nicht beschädigt werden konnten. Das Biergartenkonzept steht heute für Glück und Nachhaltigkeit. Eigentlich müssten Biergärten bei jeder Veranstaltung von Fridays for Future besungen werden. Am besten mit einem Lied der Spider Murphy Gang. Obwohl dann der
Vorwurf von „Cultural Appropriation“der bayerischen Lebenskultur im Raum stünde:
Mh, so schee!
Unter’m Kastanienbaum
Ja so a Tog is, des woaß i g’wiss:
Mh, grod so schee wiar im Paradies.
Diese Zeilen fliegen einem vielleicht auch zu, wenn man über den Salzburger Kajetaner
platz flaniert. Da gibt es nicht nur super Lokale wie Lindy’s Weinbar, das Ristorante La Campania und das Wirtshaus Hinterbrühl, sondern nach der katastrophalen Neugestaltung auch einen Brunnen inmitten einer Bratpfanne. Mit
Bratpfanne ist der mit Sonnenenergie aufgeladene Asphalt gemeint, mit dem der Platz überzogen wurde. Den Brunnen sahen wir zuletzt in Betrieb, als es ordentlich regnete. Dafür
wurden entlang der Hausmauer des Landesgerichts ein paar Bäume gepflanzt. So sitzen wenigstens die fleißigen Beamten im Schatten.
Beim jüngsten Besuch in Lindy’s Weinbar hatte die Teufelsküche beim Blick auf den ausgetrockneten Brunnen und heißen Asphalt eine schamanische Vision. Wie würde der
Kajetanerplatz aussehen, hätte man ihn nicht asphaltiert, sondern nur Kies darübergestreut
und ein paar Kastanienbäume gepflanzt ...