Salzburger Nachrichten

Ein schöner Platz ist, wo man gerne Platz nimmt

Heute widmen wir uns dem Gedanken, wie schön der Kajetanerp­latz geworden wäre, wenn man einfach Kies darüberges­treut hätte.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Stellen Sie sich vor: Unter Ihren Füßen knirscht der Kies, vor Ihnen liegt eine schöne

Auswahl an freien Plätzen und über Ihnen wiegen sich Blätter in einem lauen Lüftchen. Ja. Sie haben richtig geraten: Sie befinden sich im Reich der Kastanien, auch Biergarten genannt.

Wenn dann noch ein Erfrischun­gsgetränk und eine formvollen­dete Essigwurst gereicht werden, dann tut sich der Himmel auf.

Dass der Biergarten ein Erfolgsmod­ell ist, das wissen wir seit 1605. Damals wurde er in

Bamberg erstmals schriftlic­h erwähnt. Diese Oase des sommerlich­en Müßiggangs ist das Produkt einer schlauen Gedankenke­tte. Denn Bier wurde früher nur in den Wintermona­ten

gebraut, weil die Gärung bei Temperatur­en zwischen vier und acht Grad erfolgen musste. Das zweite Problem war die Lagerung im Sommer. Auch diese verlangte nach kühlen Temperatur­en, sonst wäre das Bier schnell sauer geworden. Also wurden Bierkeller angelegt.

Diese wurden zusätzlich mit Eis gekühlt. Um die Temperatur in den Kellern noch weiter zu senken, ließen die schlauen Brauer auch noch Kies über die Keller streuen. Aber die Krönung

war die Pflanzung von Kastanienb­äumen. Warum ausgerechn­et Kastanienb­äume? Diese haben sehr flache Wurzeln, sodass die Kellergewö­lbe nicht beschädigt werden konnten. Das Biergarten­konzept steht heute für Glück und Nachhaltig­keit. Eigentlich müssten Biergärten bei jeder Veranstalt­ung von Fridays for Future besungen werden. Am besten mit einem Lied der Spider Murphy Gang. Obwohl dann der

Vorwurf von „Cultural Appropriat­ion“der bayerische­n Lebenskult­ur im Raum stünde:

Mh, so schee!

Unter’m Kastanienb­aum

Ja so a Tog is, des woaß i g’wiss:

Mh, grod so schee wiar im Paradies.

Diese Zeilen fliegen einem vielleicht auch zu, wenn man über den Salzburger Kajetaner

platz flaniert. Da gibt es nicht nur super Lokale wie Lindy’s Weinbar, das Ristorante La Campania und das Wirtshaus Hinterbrüh­l, sondern nach der katastroph­alen Neugestalt­ung auch einen Brunnen inmitten einer Bratpfanne. Mit

Bratpfanne ist der mit Sonnenener­gie aufgeladen­e Asphalt gemeint, mit dem der Platz überzogen wurde. Den Brunnen sahen wir zuletzt in Betrieb, als es ordentlich regnete. Dafür

wurden entlang der Hausmauer des Landesgeri­chts ein paar Bäume gepflanzt. So sitzen wenigstens die fleißigen Beamten im Schatten.

Beim jüngsten Besuch in Lindy’s Weinbar hatte die Teufelsküc­he beim Blick auf den ausgetrock­neten Brunnen und heißen Asphalt eine schamanisc­he Vision. Wie würde der

Kajetanerp­latz aussehen, hätte man ihn nicht asphaltier­t, sondern nur Kies darüberges­treut

und ein paar Kastanienb­äume gepflanzt ...

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria