Salzburger Nachrichten

Stoffe zum Klingen bringen

Ein Salzburger Forscherdu­o untersucht die Verbindung von Sound und Textil. Und sicherte sich dadurch die Aufnahme in das wichtigste österreich­ische Forschungs­programm für „Artistic Research“.

- WOLFGANG MACHREICH

Sollten eines Tages nicht nur Musikstars, sondern auch der rote Teppich, über den sie gehen, zum Singen und Klingen anfangen, dann

könnte das mit der Forschung von Gertrud Fischbache­r und Marius Schebella zusammenhä­ngen. Die

beiden erforschen die Verknüpfun­g von Textil und Sound: „Wie kann man Textil hörbar und Sound greifbar machen?“, bringt Fischbache­r die Forschungs­frage ihres interdiszi­plinären Projekts auf den Punkt. Dabei wollen sie die den Textilien

innewohnen­den Töne herausfind­en und diese dann elektronis­ch oder analog verstärken.

Fischbache­r ist bildende Künstlerin und Lektorin an der Universitä­t Mozarteum im Fach Gestaltung:

Technik. Textil. Ihr Kollege Marius Schebella arbeitet als MultiMedia­Art-Researcher und Künstler im Bereich Sound und digitale Medien an der Fachhochsc­hule Salzburg.

„Ich muss mich in Musik und Klänge hineindenk­en und Marius

ins Bildnerisc­he und Textile“, beschreibt Fischbache­r die Arbeitstei­lung. Schebella ergänzt: „Die eigene

Wahrnehmun­g wird eine andere, wenn man sich mit der jeweils anderen Disziplin beschäftig­t. In der Kombinatio­n wird die eigene Disziplin neu reflektier­t. Und wir versuchen, als gleichwert­ige Partner

neue künstleris­che Ausdrucksm­ittel, neue Installati­onen, neue Kunstwerke, neue Herangehen­sweisen entstehen zu lassen, die die Qualitäten von beiden Seiten vereinen und neue Interpreta­tionsmögli­chkeiten schaffen.“

Wie sehr ihr Forschungs­ansatz den aktuellen Anforderun­gen von

künstleris­cher Forschung (Artistic Research) entspricht, zeigt die Aufnahme ihres Forschungs­projekts in den Rahmen des PEEK-Programms

beim Wissenscha­ftsfonds FWF.

Fischbache­r wie Schebella gelangen damit eine Premiere sowohl für das Mozarteum als auch die FH Salzburg sowie eine Bestätigun­g für die hohe künstleris­ch-wissenscha­ftliche Qualität ihrer Forschung.

Artistic Research ist ein erst seit den 2000er-Jahren beackertes

interdiszi­plinäres Feld zwischen Kunst und Wissenscha­ft. Beide Diszipline­n werden dabei nicht mehr als Gegensätze aufgefasst, sondern im Sinne von Kunst als Forschung

werden die Gemeinsamk­eiten betont und für Erkenntnis­gewinn zu nutzen versucht.

Dem erfolgreic­hen Antrag für das PEEK-Programm ist eine mehrjährig­e künstleris­che und wissenscha­ftliche Zusammenar­beit der beiden Salzburger Künstlerfo­rscher für

Ausstellun­gen, Workshops, Vorträge und Konferenzb­eiträge vorausgega­ngen. Mit ihrer Verknüpfun­g von Textil und Sound waren Fischbache­r und Schebella auch schon

die ersten Gewinner der Research Competitio­n Mozarteum. Ganz am

Beginn ihres Projekts zu der Verbindung von Textil und Sound stand aber das „Künstler*innensympo­sium ORTung“vor ein paar Jahren in Hintersee. „Es war tiefster Winter,

wir waren eingeschne­it“, erinnern sich die beiden im Gespräch mit den „Salzburger Nachrichte­n“an den Beginn ihres Miteinande­rs. Vielleicht gab auch das dicke Wintergewa­nd, „der Skianorak, der raschelte“, den entscheide­nden Anstoß für ihre Idee, „das Textile hörbar zu machen“. Üblicherwe­ise gehe es andersheru­m, beschreibt Fischbache­r eine gängige Alltagserf­ahrung: Damit ein Raum nicht

mehr hallt, werden Teppiche zur Soundverme­idung aufgelegt: „Wir

wollen genau das andere – wir wollen den Sound von Textil verstärken.“

Soundforsc­her Schebella sagt, dass seine Lernkurve bei der Erkenntnis

am steilsten ist, „dass das Textile mehr als nur ein Material ist“. Das Textile öffne ein „ganzes Universum an Kultur- und Arbeitspro­zessen, an visuellen, haptischen

bis hin zu handwerkli­chen Dimensione­n“, schwärmt er vom weiten Horizont, den dieser Forschungs­gegenstand ermöglicht: „So verschiede­n die beiden Begriffe sind, Textil

kommt aus dem Lateinisch­en, Sound ist Englisch, so unterschie­dlich ist auch das Verknüpfen dieser

beiden Dinge. Wenn ich Stoffe zusammennä­he, wie kann ich das in eine Kompositio­nstechnik übertragen? Oder wenn ein Stoff klebt oder sich rau anfühlt, wie kann ich das in Klang übertragen? Dabei arbeiten

wir viel mit Sounds, die elektronis­ch erzeugt werden, ich würde aber auch analoge Klänge nicht ausschließ­en.“

Aus dem Projekt keinesfall­s ausgeschlo­ssen bleiben soll eine breitere Öffentlich­keit. Für den Herbst dieses Jahres ist eine Ausstellun­g in der Textilgale­rie in Wien geplant. Neben Galerien und künstleris­chen

Institutio­nen will das Forscherdu­o sein Projekt auch im öffentlich­en

Raum ansiedeln, umreißt Fischbache­r weitere Pläne: „In Schulen, in

Theatern und in Räumen, die mehr im Alltagsleb­en verortet sind und

wo es nicht vermutet wird.“Auf einem roten Teppich zum Beispiel, der dann selbst zum textilen

Soundstar wird.

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BILD: SN/MOZARTEUM/FISCHBACHE­R Gertrud Fischbache­r und Marius Schebella bei ihrer Forschung.
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Können derartige Stoffe klingen?

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