Stoffe zum Klingen bringen
Ein Salzburger Forscherduo untersucht die Verbindung von Sound und Textil. Und sicherte sich dadurch die Aufnahme in das wichtigste österreichische Forschungsprogramm für „Artistic Research“.
Sollten eines Tages nicht nur Musikstars, sondern auch der rote Teppich, über den sie gehen, zum Singen und Klingen anfangen, dann
könnte das mit der Forschung von Gertrud Fischbacher und Marius Schebella zusammenhängen. Die
beiden erforschen die Verknüpfung von Textil und Sound: „Wie kann man Textil hörbar und Sound greifbar machen?“, bringt Fischbacher die Forschungsfrage ihres interdisziplinären Projekts auf den Punkt. Dabei wollen sie die den Textilien
innewohnenden Töne herausfinden und diese dann elektronisch oder analog verstärken.
Fischbacher ist bildende Künstlerin und Lektorin an der Universität Mozarteum im Fach Gestaltung:
Technik. Textil. Ihr Kollege Marius Schebella arbeitet als MultiMediaArt-Researcher und Künstler im Bereich Sound und digitale Medien an der Fachhochschule Salzburg.
„Ich muss mich in Musik und Klänge hineindenken und Marius
ins Bildnerische und Textile“, beschreibt Fischbacher die Arbeitsteilung. Schebella ergänzt: „Die eigene
Wahrnehmung wird eine andere, wenn man sich mit der jeweils anderen Disziplin beschäftigt. In der Kombination wird die eigene Disziplin neu reflektiert. Und wir versuchen, als gleichwertige Partner
neue künstlerische Ausdrucksmittel, neue Installationen, neue Kunstwerke, neue Herangehensweisen entstehen zu lassen, die die Qualitäten von beiden Seiten vereinen und neue Interpretationsmöglichkeiten schaffen.“
Wie sehr ihr Forschungsansatz den aktuellen Anforderungen von
künstlerischer Forschung (Artistic Research) entspricht, zeigt die Aufnahme ihres Forschungsprojekts in den Rahmen des PEEK-Programms
beim Wissenschaftsfonds FWF.
Fischbacher wie Schebella gelangen damit eine Premiere sowohl für das Mozarteum als auch die FH Salzburg sowie eine Bestätigung für die hohe künstlerisch-wissenschaftliche Qualität ihrer Forschung.
Artistic Research ist ein erst seit den 2000er-Jahren beackertes
interdisziplinäres Feld zwischen Kunst und Wissenschaft. Beide Disziplinen werden dabei nicht mehr als Gegensätze aufgefasst, sondern im Sinne von Kunst als Forschung
werden die Gemeinsamkeiten betont und für Erkenntnisgewinn zu nutzen versucht.
Dem erfolgreichen Antrag für das PEEK-Programm ist eine mehrjährige künstlerische und wissenschaftliche Zusammenarbeit der beiden Salzburger Künstlerforscher für
Ausstellungen, Workshops, Vorträge und Konferenzbeiträge vorausgegangen. Mit ihrer Verknüpfung von Textil und Sound waren Fischbacher und Schebella auch schon
die ersten Gewinner der Research Competition Mozarteum. Ganz am
Beginn ihres Projekts zu der Verbindung von Textil und Sound stand aber das „Künstler*innensymposium ORTung“vor ein paar Jahren in Hintersee. „Es war tiefster Winter,
wir waren eingeschneit“, erinnern sich die beiden im Gespräch mit den „Salzburger Nachrichten“an den Beginn ihres Miteinanders. Vielleicht gab auch das dicke Wintergewand, „der Skianorak, der raschelte“, den entscheidenden Anstoß für ihre Idee, „das Textile hörbar zu machen“. Üblicherweise gehe es andersherum, beschreibt Fischbacher eine gängige Alltagserfahrung: Damit ein Raum nicht
mehr hallt, werden Teppiche zur Soundvermeidung aufgelegt: „Wir
wollen genau das andere – wir wollen den Sound von Textil verstärken.“
Soundforscher Schebella sagt, dass seine Lernkurve bei der Erkenntnis
am steilsten ist, „dass das Textile mehr als nur ein Material ist“. Das Textile öffne ein „ganzes Universum an Kultur- und Arbeitsprozessen, an visuellen, haptischen
bis hin zu handwerklichen Dimensionen“, schwärmt er vom weiten Horizont, den dieser Forschungsgegenstand ermöglicht: „So verschieden die beiden Begriffe sind, Textil
kommt aus dem Lateinischen, Sound ist Englisch, so unterschiedlich ist auch das Verknüpfen dieser
beiden Dinge. Wenn ich Stoffe zusammennähe, wie kann ich das in eine Kompositionstechnik übertragen? Oder wenn ein Stoff klebt oder sich rau anfühlt, wie kann ich das in Klang übertragen? Dabei arbeiten
wir viel mit Sounds, die elektronisch erzeugt werden, ich würde aber auch analoge Klänge nicht ausschließen.“
Aus dem Projekt keinesfalls ausgeschlossen bleiben soll eine breitere Öffentlichkeit. Für den Herbst dieses Jahres ist eine Ausstellung in der Textilgalerie in Wien geplant. Neben Galerien und künstlerischen
Institutionen will das Forscherduo sein Projekt auch im öffentlichen
Raum ansiedeln, umreißt Fischbacher weitere Pläne: „In Schulen, in
Theatern und in Räumen, die mehr im Alltagsleben verortet sind und
wo es nicht vermutet wird.“Auf einem roten Teppich zum Beispiel, der dann selbst zum textilen
Soundstar wird.