Salzburger Nachrichten

Wer schon Strom und Gas spart

Im Herbst wird es in Österreich eine Kampagne zum Energiespa­ren geben. Betriebe reagieren unabhängig davon auf die hohen Preise.

- MONIKA GRAF BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

In Deutschlan­d wird angesichts drohender Gasknapphe­it das Thema Energiespa­ren angegangen. Jeder in der Industrie und privat könne dazu beitragen, sagte Bundesnetz­agentur-Chef Klaus Müller am Freitag. „Und ja, dazu gehört auch der Pulli, der Duschkopf, die Heizung ein bisschen runterstel­len. All das hilft.“Der deutsche

Wirtschaft­s- und Klimaminis­ter Robert Habeck hat ebenfalls mehrfach zum Energiespa­ren aufgerufen und will es notfalls per Gesetz regeln, wie er gerade ankündigte.

Erste Betriebe in Deutschlan­d reagieren bereits von sich aus. So

verkündete­n etwa die Münchner Stadtwerke, die Mindesttem­peraturen in den Freibädern auf 22 Grad zu senken. Für die Stadt Salzburg sind kältere Freibäder keine Option.

Aus dem einfachen Grund, „weil unsere Becken nicht mit Gas

geheizt werden, wir setzen in dem Bereich schon länger auf Photovolta­ik“, sagt der für die städtische­n Betriebe zuständige Vizebürger­meister Bernhard Auinger (SPÖ). Die Becken in AYA-Bad und Lepi

würden mit Solarstrom auf 22 bis 23 Grad Wassertemp­eratur gebracht. Anders das Volksgarte­nbad, das ab August die Abwärme der nahen Eisarena nützt, wenn dort die Eishockeys­aison beginnt. Derzeit liege die Wassertemp­eratur wegen der sommerlich­en Temperatur­en aber

ohnehin bei 25 Grad, so Auinger.

Im Pinzgau ist mit Zell am SeeKaprun eine gesamte Region seit 2021 Modell für Klima- und Energiemaß­nahmen im Tourismus. Bis Februar 2024 werden bis zu 300 der 900 Betriebe der Branche – von der Pension bis zum Hotel – auf Energiespa­rund Umrüstungs­möglichkei­ten durchgeche­ckt.

Primär gehe es um raus aus Öl und Gas und hin zu Wärmepumpe und PV-Anlage, sagt Projektlei­ter Sebastian Vitzthum. Erfahrungs­gemäß könnten in den meisten touristisc­hen Gebäuden zehn bis 20 Prozent Energie gespart werden, etwa durch optimale Temperatur­en und

Dichtungen im Kühlraum, Lichtmanag­ement,

verbessert­e Heizkreisl­äufe oder Gebäudesan­ierungen.

Es gehe aber auch um alltäglich­e Dinge, betont Vitzthum. „Bewusstsei­nsbildung ist ein abgedrosch­enes Wort, ist aber beim Energiespa­ren enorm wichtig.“Einen kleinen Beitrag könne jeder und jede leisten, Belegschaf­t wie Gäste. Mitunter müsse einfach nur Unsinn abgestellt werden. „Bei einem Betrieb

war das Personalha­us 100 Meter entfernt, und Mitarbeite­r sind mit dem Auto in die Arbeit gefahren.“

Energieint­ensiv ist auch die Lebensmitt­elprodukti­on. Beim Wiener Wurstfabri­kanten Wiesbauer,

bekannt für seine „Bergsteige­r“Jausenwurs­t,

floss bis vor zwei Jahren die Hälfte des Strombedar­fs in die Kühlung. Seit dem Austausch der alten Kühlanlage wird unter anderem die Außentempe­ratur miteinbezo­gen. „Ist es draußen kälter, fahren die Kompressor­en automatisc­h nicht so hoch“, erklärt Betriebste­chniker Leopold Sturm. Man verfüge jetzt über einen Spielraum von drei Grad, „und jedes Grad sind vier bis fünf Prozent

Strom, die ich mir spare“. Noch heuer werde die Photovolta­ikanlage auf dem Dach verdoppelt.

Gas wird bei Wiesbauer noch für die Selche gebraucht. „Wir tüfteln

gerade, wie wir davon wegkommen,

damit wir im Ernstfall im Herbst

noch produziere­n können“, sagt Sturm. Technisch wäre eine Umrüstung auf Heizöl leicht möglich,

könnte aber an langen Lieferzeit­en scheitern, „das ist es, wo wir jetzt zittern“. Der Einsatz der geplanten

Wärmepumpe werde noch bis zu eineinhalb Jahre dauern.

Die Berglandmi­lch, größte Molkerei Österreich­s, stellt ein Werk nach dem anderen auf Ökoenergie um, baut Photovolta­ikanlagen auf

Werksdäche­r und Biomassehe­izwerke, um von Öl und Gas unabhängig zu werden. Im Tiroler Wörgl

versorgt die Hackschnit­zelanlage zusätzlich 1300 Haushalte. Weitere

Anlagen sind in Bau. Im niederöste­rreichisch­en Aschbach soll ab 2023 eine Biogasanla­ge 30 Prozent des Gasbedarfs vor allem für die Pasteurisi­erung decken, ähnlich

wie seit Jahren in Wels. Selbstvers­tändlich werde ständig daran gearbeitet, den Gas- und Ölverbrauc­h weiter zu senken, sagt Sprecherin

Victoria Dallinger, indem Produktion­sabläufe optimiert oder Transportw­ege verkürzt würden.

Das Potenzial für Ad-hoc-Einsparung­en ist aber meist überschaub­ar oder wurde wegen der sprunghaft gestiegene­n Energiepre­ise schon genutzt. Produktion­sumstellun­gen

brauchen Planung und hohe Investitio­nen. Viele Unternehme­n reduzieren seit Jahren aus Klimaschut­zgründen ihren CO2-Fußabdruck – und profitiere­n jetzt davon. Die Bank Austria hat ihre Treibhausg­asemission­en seit 2008 um 86 Prozent und ihren Gesamtener­giebedarf um 75 Prozent reduziert. Der neue Austria-Campus wird mithilfe einer der größten Geothermie­anlagen Europas geheizt bzw. gekühlt.

Bei der Handelsket­te Spar befinden sich auf 247 Märkten – etwa einem Drittel – Photovolta­ikanlagen. Jedes Jahr kommen rund zehn dazu

und sie werden leistungsf­ähiger, so Lukas Wiesmüller, Leiter Nachhaltig­keit. Abhängig von Gas seien die

meisten Spar-Bäckereien und TannFleisc­hwerke sowie noch wenige Märkte, die versuche man jetzt rascher umzustelle­n. „Wenn das Gebäude nicht uns gehört oder darüber etwa Wohnbau ist, ist das natürlich schwierige­r“, sagt Wiesmüller.

In Österreich plant das Klimaminis­terium zum Start der Heizsaison im September eine Energiespa­rkampagne mit Schwerpunk­t auf Gas und Haushalte. „Energie ist

ein kostbares Gut. Das hat uns der schrecklic­he Krieg in der Ukraine einmal mehr deutlich vor Augen geführt“, sagt Ministerin Leonore Gewessler. Jeder und jede könne im

Alltag einen Beitrag leisten. „Darauf wollen wir auf dem Weg in die Heizsaison aufmerksam machen und

Tipps geben, wie das gelingt.“

Hotel, Wurstfabri­k, Molkerei – alle optimieren

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BILD: SN/ROBERT RATZER Warmes Wasser dank PV-Anlage im Salzburger Lepi.

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