Aufbruch in die digitale Welt
Senioren-Smartphones waren ein Schlager in Zeiten der Pandemie. Aber das Geschäft mit Tablets für die Generation 60 plus fällt dem Spezialanbieter Emporia schwerer. Schuld ist der Ukraine-Krieg.
Die Zeiten der Pandemie und der Lockdowns haben uns vor
Augen geführt, welch wichtige Rolle moderne Medien und Kommunikationsmittel im Alltag spielen. Im Gegenzug hat sich gezeigt, wie jene, die keinen Zugang zu Internet und E-Mail haben, Gefahr laufen, viele Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr ohne Hilfe meistern zu können.
Ein elektronischer 3G-Nachweis am Handy, ein am Vorabend durchgeführter Online-Check-in für den Urlaubsflug oder eine Online-Ticketreservierung oder -Kartenbestellung? Solche Leistungen kann man ohne Internetzugang nicht in
Anspruch nehmen – und wird damit de facto ausgegrenzt. Dagegen kämpft fit4internet an, eine unabhängige Initiative, die sich die Verbesserung der digitalen Kompetenzen in Österreich auf die Fahnen geheftet hat. Es bedürfe solcher Kompetenzen, „um positiv und selbstbestimmt mit diesen Veränderungen umgehen zu können“, unterstreicht fit4internet-Generalsekretärin Ulrike Domany-Funtan.
Als Türöffner auf dem Weg in die digitale Welt versteht sich auch Eveline Pupeter. Die Gründerin, Eigentümerin und Chefin des Seniorenhandy-Herstellers Emporia aus Linz will nicht länger hinnehmen, dass 1,2 Millionen Menschen in Österreich über 65 nicht mobil online
und somit ausgeschlossen sind. Europaweit hätten 40 Millionen Senioren keinen Zugang zum Internet. Um das zu ändern, setzt das Unternehmen aus dem Linzer Hafen nicht nur auf Tastentelefone
und Smartphones, die speziell für die Altersgruppe 60 plus ausgerichtet sind. Seit dem Herbst bietet man auch Tablets für die Zielgruppe an, um die Lücke zwischen Smartphone und PC zu füllen. In der Handhabung sind die Tablets an das Smartphone angelehnt, damit der Umstieg ohne Probleme erfolgen kann.
Doch während Emporia in der Coronazeit dank starker Nachfrage nach seniorenfreundlichen Smartphones ein Rekordergebnis verbuchte, läuft das Geschäft seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine schleppend. „Danach sind die Umsätze um ein Drittel zurückgegangen“,
sagt Pupeter. Sie sieht eine gewisse Traumatisierung in der Zielgruppe. Damit geht sich die angepeilte Steigerung auf 50 Mill. Euro nicht aus, man werde im Geschäftsjahr (per Ende Juni) wie im Vorjahr bei rund 40 Mill. Euro Umsatz bleiben. Pupeter ist „zuversichtlich, dass die Umsätze nach oben ziehen
werden, sobald sich Europa stabilisiert
Eveline Pupeter,
hat“. Unter den widrigen Umständen habe man sich sehr gut geschlagen.
In den vergangenen zwölf Monaten hat Emporia in Summe 700.000 Smartphones, Tastenhandys und
Tablets verkauft. Drei Millionen Menschen verwenden EmporiaHandys zum Telefonieren. Dazu
kommen immer mehr auf die Zielgruppe abgestimmte Gesundheitsgeräte wie Blutdruckmesser oder Fieberthermometer sowie Zubehör
wie Kopfhörer oder Ladekabel.
Außer auf neue Produkte wie das Smartphone-Flaggschiff EmporiaSmart.5 und das erste SeniorenTablet setzt das Linzer Unternehmen auch auf eine geografische Expansion. Pupeter will in den skandinavischen Ländern aktiv werden. In Dänemark ist man bereits vertreten. Ende Mai wurde eine erste Vertriebsniederlassung in Helsinki gegründet, von hier aus bearbeitet ein erfahrener – von der Konkurrenz abgeworbener – Manager außer
Finnland noch die Märkte Schweden und Norwegen.
Für Pupeter ist die Expansion in den Norden strategisch naheliegend. Dort ist die Digitalisierung besonders hoch. In Finnland nutzten 83 Prozent der Senioren das Internet mobil – also auf dem Smartphone oder über ein Tablet – im
Vergleich zu 63 Prozent der über 65-Jährigen in Österreich und
Deutschland. In der Altersgruppe 75 plus sind es noch 36 Prozent.
Durchaus eine Herausforderung ist die Tatsache, dass Skandinavien schon lange Erfahrung mit Seniorenhandys hat. Der schwedische Hersteller Doro ist Weltmarktführer auf diesem Gebiet. Emporia
wagt sich in die Höhle des Löwen,
weil Pupeter überzeugt ist, die Skandinavier von ihrem besseren Service überzeugen zu können. Digitale Produkte für eine analog aufgewachsene Generation könne man nicht einfach nur in die Auslage legen, „die Menschen brauchen Anleitung, Kurse, Einschulungen“. Wichtig sei auch eine Bedienungsanleitung aus Papier.
Aber aus Sicht von Emporia ist es den hohen Einsatz wert. Selbst im digital gut erschlossenen Finnland
geben laut einer Studie 70 Prozent der Befragten an, mit der technologischen Entwicklung heute schwerer Schritt zu halten als vor fünf Jahren. Und ein Viertel fühlt sich
generell überfordert von neuen technischen Entwicklungen.
Emporia hat in Österreich einen Anteil am Gesamtmarkt von 7 Prozent – und liegt damit hinter den
Weltmarken Samsung, Apple und Xiaomi auf dem vierten Platz. Lieferkettenprobleme kennt man bei Emporia nicht. „Wir funktionieren
total“, sagt Pupeter. Der langjährige Chef im chinesischen Shenzhen,
wo die Linzer ihre Geräte fertigen lassen, habe die Krise kommen gesehen, man habe daher die Lagerbestände erweitert.
„Wir sind die Nummer 4 in Österreich.“