Fouls, die Geschichte machten
25 Jahre nach Mike Tysons Ohrbiss: Auch nach den unsportlichsten Attacken kann man sich wieder die Hände reichen.
Der 28. Juni 1997 war ein schwarzer Tag für die Fairness im
Sport. In einem aufsehenerregenden Box-WM-Kampf in Las Vegas biss Herausforderer Mike Tyson seinem Kontrahenten Evander Holyfield ein Stück seines rechten Ohrs ab. Zum 25. Jahrestag des Megaskandals beleuchten wir die schlimmsten Fouls und Unsportlichkeiten der Sportgeschichte.
Tyson vs. Holyfield
Erst 1996 war das lang erwartete Duell Tyson – Holyfield endlich zustande gekommen. Mike Tyson hatte zuvor eine Haftstrafe wegen Vergewaltigung einer
Frau absitzen müssen, war nach seinem Comeback aber schon bald wieder Champion. Bis zur Niederlage,
mit damals 30 Jahren gegen den bereits 35-jährigen Evander Holyfield. Die Revanche stieg acht Monate später im MGM Grand von Las Vegas und war in den ersten beiden Runden eine klare Angelegenheit für
Titelverteidiger Holyfield. Dabei versetzte er Tyson einen Kopfstoß, der zu einem Cut über dessen Auge führte. Der Herausforderer war nun gereizt wie ein
wilder Stier, Holyfield wehrte sich in der dritten Runde mit Klammern gegen die aggressiven Attacken. In diesem Moment biss Tyson ins rechte Ohr seines Kontrahenten. Der Kampf ging nach einer kurzen Unterbrechung sogar weiter, erst ein weiterer Biss von Tyson in Holyfields anderes Ohr führte zur Disqualifikation. „Ich dachte zunächst, das Ohr wäre komplett abgefallen“, erinnerte sich das Opfer später.
Bizarr war der weitere Verlauf des Abends. Ein Angestellter des MGM Grand Hotel entdeckte das abgebissene Stück Ohr im Ring und brachte es in die Umkleidekabine. Es wurde in einem Eiskübel platziert, ging jedoch unter nie geklärten Umständen auf dem Weg ins Krankenhaus verloren. Somit sind die Spuren bis heute am Ohr sichtbar.
Das renommierte „Ring Magazine“attestierte Tyson den „Charakter eines Schulhof-Raufbolds“. Skandale, Comebackversuche, Finanzsorgen und eine weitere Haftstrafe prägten sein weiteres Leben. Er und Holyfield verstehen sich mittlerweile prächtig und scherzen gelegentlich in TV-Shows über das OhrenThema. Bei solchen Gelegenheiten heizen sie immer
wieder die Gerüchte über einen allerletzten Kampf gegeneinander an. Holyfield tönte einmal: „Der einzige Kampf, den alle sehen möchten, ist ein Kampf zwischen uns beiden.“
Schumacher vs. Battiston
Üble Fouls im Fußball gibt es viele, aber kaum eines erhitzte die Gemüter wie dieses. Es war die 57. Minute
im WM-Halbfinale von 1982 zwischen Frankreich und Deutschland: Torhüter Toni Schumacher wirft sich dem heranstürmenden Patrick Battiston entgegen und trifft ihn mit der Hüfte im Gesicht. Der Franzose geht k. o., er verliert mehrere Zähne, hat einen angebrochenen Halswirbel und eine Gehirnerschütterung. Der deutsche Torhüter schaut scheinbar ungerührt aus der Entfernung zu, wie Sanitäter und entsetzte Kollegen sich um den bewusstlosen Battiston kümmern. Selbst der Teamarzt gerät in Panik, weil er keinen Puls mehr beim Spieler fühlt.
Der Franzose erholte sich wieder und wurde zwei Jahre später Europameister. Schumacher war fortan in Frankreich die Hassfigur schlechthin („Beruf: Unmensch“titelte die Sportzeitung „L’Équipe“), auch
weil er flapsig kommentierte: „Wenn es nur die Jacketkronen sind, die bezahle ich ihm gerne.“Für das Foul sah er nicht einmal die Rote Karte, stattdessen
wurde er am Ende des Spiels der Held des Elfmeterschießens, das die DFB-Elf für sich entschied. Der
Franzose redete nie gerne über den Vorfall, obwohl die Causa vor jedem Match zwischen diesen beiden Nationen aufgewärmt wird. „Seit dem 13. November 2015 ist das doch alles Käse von gestern“, meint er
mit Verweis auf die 130 Menschen, die bei Terroranschlägen am Abend des Spiels zwischen Frankreich
und Deutschland in Paris getötet worden waren.
Prost vs. Senna
Als Teamkollegen bei McLaren kämpften Alain Prost und Ayrton Senna 1989 erbittert um den Weltmeistertitel der Formel 1. Eine Kollision im Finish des vorletzten Rennens in Suzuka entschied das Duell: Der Brasilianer konnte im Gegensatz zum Franzosen weiterfahren und wähnte sich als Weltmeister. Doch Senna wurde disqualifiziert, weshalb die Krone an Prost
ging. Im Jahr darauf war Prost Ferrari-Pilot, und wieder kam es zum Showdown der beiden in Suzuka. Klar war: Ein Ausfall Prosts würde Senna den Titel
bescheren. Prompt räumte der seinen Kontrahenten schon in der ersten Kurve aus dem Weg und war damit Weltmeister. Senna sah die Schuld bei den Veranstaltern: Ihn als Pole-Position-Halter beim Start auf die schlechtere Straßenseite zu stellen habe zwangsläufig zum Crash führen müssen. Erst kurz vor Sennas Unfalltod 1994 begruben die beiden das Kriegsbeil und versöhnten sich.
Harding vs. Kerrigan
Als Drehbuch wäre die bizarre Geschichte wohl durchgefallen. Tatsächlich wurde der Krieg der Eisprinzessinnen Tonya Harding und Nancy Kerrigan später aber durchaus gelungen verfilmt („I, Tonya“). Der Ehemann Hardings beauftragte 1994 einen Attentäter, der ihre Konkurrentin Kerrigan mit einer Eisenstange am Knie verletzte. Tonya Hardings Mitwisserschaft an der Planung der Attacke blieb zwar ungewiss, sie wurde aber in der Folge wegen Behinderung der Ermittlungen zu einer Bewährungs- und Geldstrafe sowie Sozialarbeit verurteilt. Mit Olympiasilber für Nancy Kerrigan gab es ein sportliches Happy End. Das Leben der „Eishexe“Harding blieb turbulent, sie
machte Schlagzeilen mit einem schlüpfrigen Video, als Freistil-Catcherin, Sängerin und Schauspielerin.
Fenati vs. Manzi
Eine haarsträubende Kurzschlussaktion lieferte der
italienische Motorradpilot Romano Fenati 2018 in Misano. Im Moto2-Rennen griff er seinem Landsmann und Konkurrenten Stefano Manzi bei mehr als 220 Stundenkilometern plötzlich in dessen Vorderradbremse. Der 22-Jährige wurde wegen dieser lebensgefährlichen Aktion von seinem Team sofort gefeuert, der Weltverband sperrte ihn für zwei Rennen. Fenati kehrte danach zurück und gewann mehrere Grand Prix. Seit heuer sind Fenati und Manzi wieder
Kontrahenten in der Moto2-Kategorie.
Budd vs. Decker
Das Olympiafinale 1984 im 3000-Meter-Lauf in Los
Angeles sollte für US-Star Mary Decker den großen Triumph bringen. Doch in einem Gerangel stieg sie der barfuß laufenden Zola Budd (eine Britin südafrikanischer Herkunft) auf die Ferse, stürzte und musste aufgeben. Budd fiel unter den Pfiffen des Publikums auf Platz sieben zurück. Decker sah die Schuld bei
ihrer Gegnerin. Erst Jahre später revidierte sie ihre Meinung. Einer Olympiamedaille jagte sie bis 1996
vergeblich hinterher.