Eine ungewöhnliche Zweckehe
Wer sich in diesem Land auch nur entfernt mit dem Thema Elektromobilität beschäftigt, musste vergangene Woche bei den Wiener Elektro-Tagen 2022 mit dabei sein. Für den Veranstalter, die Porsche Media & Creative GmbH, war die Premiere dieses Outdoor-Events aus vielerlei Hinsicht ein Erfolg. Zum einen zog die Großveranstaltung laut den Organisatoren über 110.000 Besucherinnen
und Besucher auf den Rathausplatz. Zum anderen hatten Hunderte Interessenten die Gelegenheit, die neuesten
Elektro-Modelle vor Ort zu testen – ein echter Gamechanger in Zeiten, in denen
man sich als Autokäufer auf viele Monate Lieferzeit einstellen muss. Und zudem ein Erfolgsmodell, das sich so auch schon bei der Premiere der IMFS, der B2B-Fachmesse der „Salzburger Nachrichten“, bewährt hat.
Neben dem Benefizkonzert für die Ukraine vor über 20.000 Menschen muss vor allem auch die Abendveranstaltung im Arkadenhof des Wiener Rathauses positiv hervorgehoben werden.
Absolutes Highlight war zweifellos die hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion, an der neben Volkswagen-CEO Herbert Diess und Bundesministerin Leonore Gewessler auch heimische IndustrieSchwergewichte wie KTM-Boss Stefan Pierer, Magna-CEO Günther Apfalter, OMV-Chef Alfred Stern sowie der Vorstandsvorsitzende der AVL-List, Helmut
List, teilnahmen. Selbst langjährige Beobachter
der Branche trauten kaum ihren Ohren angesichts des argumentativen Paarlaufs der Umweltministerin und des Chefs von Europas größtem Autobauer. Praktisch deckungsgleich argumentierten die beiden so unterschiedlichen Persönlichkeiten bei ihren Plädoyers für die technischen Vorzüge batterieelektrischer Fahrzeuge. Während die grüne Politikerin die Zukunft des
Autos „unter Strom“sieht, verwies auch der oberste Volkswagen-Chef darauf, dass es aus heutiger Sicht keine bessere Möglichkeit gebe, den ökologischen Fußabdruck des Automobils zu reduzieren. Vor allem in Hinblick auf das enorme Potenzial beim Recycling wertvoller Rohstoffe geht Herbert Diess davon aus, Lithium, Kobalt und Co. lediglich für die erste Generation der Fahrzeug-Akkus tatsächlich aus dem Boden holen zu
müssen. Und damit den Vier-TonnenCO2-Fußabdruck
einer durchschnittlichen E-Auto-Batterie zu senken. Vor allem in Richtung von KTM-Chef Stefan Pierer, einem bekanntlich äußerst streitbaren Kritiker des Verbrennerverbots ab dem Jahr 2035, verwies Herbert Diess auf die Kostenvorteile der E-Mobilität: Schon jetzt sei beispielsweise der ID.4
von VW über alle Kosten hinweg bis zu 30 Prozent preiswerter als dessen Verbrennerpendant, der Tiguan. Gegenüber Helmut List und Günther Apfalter, die
beide die Technologieoffenheit begrüßen, argumentierte Diess, diese sei in der Autobranche längst Realität: „Niemand hat uns zu E-Autos gezwungen.“
Pragmatisch zeigte sich OMV-Boss Alfred Stern: „Nachdem man 30 Jahre
nicht gehandelt hat, sollte die ein oder andere Abkürzung legitim sein.“