Die Furcht vor dem unberechenbaren Volk
Egal welches Ergebnis die Bürgerbefragung bringt – im Schloss Mirabell muss man es ernst nehmen. Es sind nicht Untertanen, die in dieser Stadt leben.
Es ist acht Jahre her, als sich ein Grüppchen das erste Mal aufmachte, die Stadtpolitik aus ihrem Dornröschenschlaf zu holen. Bei der Angelobung des Gemeinderats 2014 hatte sich bereits eine Bürgerinitiative mit „Nein“-Plakaten in der Hand vor dem Rathaus versammelt. Eine Bürgerabstimmung zum Ausbau der Mönchsberggarage sei unmöglich, hieß es damals von Bürgermeister Heinz Schaden. Und: Die ausgelagerten Betriebe wie die Parkgaragengesellschaft seien
kein Spielzeug. Mitsprache also unerwünscht.
Der rote Stadtchef hatte sich selbst wörtlich als „sturen Hund“
mit einer Berner Sennenhündin im Wahlkampf plakatieren lassen
und machte diesem Kampagnenmotto – nicht nur in dieser Frage – alle Ehre. Die Angst vor dem unberechenbaren Volk, die Furcht vor dem politischen Kontrollverlust – sie schwang damals schon mit bei den gewählten Volksvertretern. Und deshalb wurde das zwischen Stadtpolitikern und
Initiativen ausverhandelte Modell der direkten Demokratie 2015 vor einer Beschlussfassung im Handumdrehen versenkt.
Der jetzige Amtsinhaber Harald Preuner steht am Sonntag
vor einem Déjà-vu. Er hat jene Bürgerbefragung aus dem Jahr 2005 noch in guter Erinnerung, als es darum ging, ob sich Salzburg für die Olympischen Winterspiele bewerben sollte. Und er weiß, was passiert, wenn man das
Volk zu Untertanen degradiert, dessen Willen ignoriert oder die Stimmung unterschätzt. Die Stadtpolitik setzte sich nach der Olympia-Befragung damals über die mehrheitlich ablehnende Haltung der Stadtbürger hinweg
und zog mit der Landespolitik (landesweit gab es ja ein positives
Ergebnis) in den Bewerbungsprozess. Wenig später ist man eines
Besseren belehrt worden, Salzburg
ging mit der Kandidatur baden.
Nun könnte es durchaus zu einer ähnlich schallenden Ohrfeige kommen, wenn die Beteiligung in etwa so hoch ausfällt wie 2005. Und dazu muss man der
Stadtpolitik ins Stammbuch schreiben: Selbst schuld! Hätte
man den Bürgern schon 2014 oder 2015 die völlig legitime Möglichkeit eingeräumt, über die Garagenerweiterung abzustimmen,
und hätte man ihnen seither nicht jedweden Stein dazu in den Weg gelegt (und die Motivation
bei den Projektgegnern damit noch gesteigert), es wäre die Gefahr wohl bei Weitem nicht so groß gewesen. Das Projekt zum
Ausbau der Mönchsberggarage war zwar stets umstritten, aber die Stimmung war 2014 längst nicht so aufgeheizt, der Klimawandel und seine Folgen nicht derart in der öffentlichen Wahrnehmung präsent, wie das heute der Fall ist. Eine Bürgerbefragung
vor acht Jahren hätte wohl kaum großes Interesse geweckt.
Zehn Jahre nachdem die Ausbaupläne für die Mönchsberggarage erstmals der Öffentlichkeit
präsentiert worden sind, steht es jetzt unmittelbar vor einem Baustart „Spitz auf Knopf“. Egal wie diese Bürgerbefragung am Sonntag letztendlich ausfällt, sie ist ein Ausrufezeichen von direkter Demokratie. Im Schloss Mirabell muss man das Ergebnis ernst nehmen und im Sinne der Menschen
über die Zukunft und die
Weiterentwicklung dieser Stadt diskutieren. Wie und wann werden die Altstadtplätze endlich autofrei sowie ansprechend gestaltet und begrünt? Wie soll sich die Verkehrssituation dauerhaft
verbessern – für Einheimische, Pendler und Touristen? Was bedeutet das Ergebnis in Hinblick auf eine mögliche Bürgerbefragung
Mitsprache unerwünscht, befand der „sture Hund“
Ein Ausrufezeichen der direkten Demokratie
für den S-Link, also die unterirdische Verlängerung der Lokalbahn? Welche Anstrengungen verfolgt die Stadt beim Thema Klimaschutz? Das sind Fragen, die künftige Generationen betreffen.
Das Letzte, was nach dieser Bürgerbefragung passieren darf,
ist, dass der Bürgermeister mit seiner ÖVP auf stur schaltet und den Garagenausbau ohne Wenn
und Aber durchzieht.