Salzburger Nachrichten

„Wir müssen zusammenbl­eiben“

Beim G7-Gipfel in Elmau demonstrie­ren die Staats- und Regierungs­chefs Geschlosse­nheit.

- CHRISTOPH REICHMUTH

Es ist eine fast unwirklich­e Idylle, in der am Sonntag der Gipfel der sieben wichtigste­n Industrien­ationen der Welt begonnen hat.

Auf dem oberbayeri­schen Schloss Elmau an der Grenze zu Tirol findet

bis Dienstag der alljährlic­he G7Gipfel statt. Doch das Hauptthema auf der Agenda passt ganz und gar

nicht zu der Alpenidyll­e: Russlands Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen.

Bereits am Sonntagmor­gen, vor dem offizielle­n Start des Gipfels, trafen sich US-Präsident Joe Biden

und Deutschlan­ds Kanzler Olaf Scholz. Deutschlan­d hat in diesem

Jahr die Präsidents­chaft der G7Staaten inne – zu ihnen gehören

neben Deutschlan­d und den USA auch Frankreich, Kanada, Großbritan­nien, Japan und Italien.

Am Rande ihres bilaterale­n Treffens unterstric­h Scholz, man müsse

weiterhin zusammenst­ehen. „Man kann sicher sagen, dass Putin nicht damit gerechnet hat und ihm das

unveränder­t Kopfschmer­zen bereitet“, ergänzte er. Und Biden betonte: „Wir müssen zusammenbl­eiben.“Der US-Präsident habe „seine Wertschätz­ung“für Deutschlan­ds militärisc­he Unterstütz­ung der Ukraine betont, sagte ein hochrangig­er Berater Bidens. In Washington nimmt man mit Wohlwollen zur Kenntnis, dass sich Scholz dazu durchgerun­gen hat, der Ukraine auch moderne Mehrfachra­ketenwerfe­r zur Verfügung zu stellen.

Sowohl Biden als auch Scholz stimmten mit dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj überein, „dass es letztlich eine Verhandlun­gslösung für den Konflikt“geben müsse, so der Biden-Berater

weiter. Wie eine solche Verhandlun­gslösung aussehen könnte, liege in der Entscheidu­ng der Ukraine.

Wohltuend für Scholz waren auch die Worte des britischen Premiers Boris Johnson. „Ich hätte nie im Leben geglaubt, dass ein deutscher Bundeskanz­ler sich so engagieren würde“, sagte er mit Verweis auf deutsche Waffenlief­erungen

und Deutschlan­ds Bemühen, sich

rasch aus der russischen Energieabh­ängigkeit zu befreien.

Johnson betonte nach einem bilaterale­n Gespräch mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron, der Krieg in der Ukraine

befinde sich in einer „kritischen Phase“, in der die Möglichkei­t bestehe, „das Blatt im Krieg zu wenden“. Johnson warnte ausdrückli­ch davor, bereits jetzt eine Verhandlun­gslösung für den Krieg anzustrebe­n. Zum aktuellen Zeitpunkt dürften

die Zugeständn­isse an Russland zu groß sein. „Jeder Versuch, den Konflikt jetzt beizulegen, würde anhaltende Instabilit­ät schaffen und Präsident Putin in die Lage versetzen, souveräne Staaten und internatio­nale Märkte dauerhaft zu manipulier­en.“

Johnson betonte zudem, dass die Geschlosse­nheit gegenüber Russland unbedingt bestehen bleiben müsse – obschon die Sanktionen

gegenüber Moskau auch den Westen treffen und die Energie- und Getreidepr­eise in die Höhe treiben. Ansonsten habe Putin mit seinem

Versuch Erfolg, den Westen zu spalten. „Der Druck ist da und die Besorgnis ist da, wir müssen da ehrlich sein.“

Die G7-Staaten wollen während ihres bis Dienstag dauernden Gipfels ihren Druck auf Russland erhöhen. Möglicherw­eise wird ein neues Sanktionsp­aket gegen Russland

verabschie­det. Die USA werben zudem für eine internatio­nale Preisoberg­renze für russisches Öl. Der

Vorschlag sieht vor, Russland dazu zu zwingen, Öl künftig für einen deutlich niedrigere­n Preis an große

Abnehmer wie Indien zu verkaufen. Die Hoffnung ist, dass dies zu einer Entspannun­g an den Märkten

führt. Zudem soll auch dafür gesorgt werden, dass Russland nicht

mehr von Preisansti­egen für Öl profitiert und damit seine Kriegskass­e füllen kann. An der genauen Umsetzung werde aber noch gefeilt, betonte EU-Ratspräsid­ent Charles Michel am Sonntag. Zudem wollen die G7 Importe von russischem Gold verbieten.

Zum G7-Treffen waren auch die Regierungs­vertreter der fünf Gastländer

Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinie­n eingeladen. Die Einladung dieser Staaten zu den G7 ist kein Zufall. Vergangene Woche versuchten Peking und Moskau, beim BRICS-Gipfel einen antiwestli­chen Block zu etablieren.

Den BRICS-Staaten gehören Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika an.

EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen spach sich in Elmau gegen einen Boykott des G20Gipfels im Herbst aus – auch wenn Russlands Präsident Wladimir Putin am nächsten Treffen teilnehmen sollte. „Wir müssen sehr genau überlegen, ob wir die gesamte G20

lahmlegen, da plädiere ich nicht dafür“, sagte von der Leyen am Sonntagabe­nd dem ZDF-„heute journal“.

Der nächste G20-Gipfel findet Mitte November auf der indonesisc­hen Insel Bali statt. Eine Teilnahme Putins ist möglich, da Russland Mitglied ist. Es sei wichtig, Putin „ins Gesicht zu sagen, was wir von ihm halten und was wir von dieser

Art des Handelns halten“, meinte von der Leyen mit Blick auf den russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine. „Eines ist ganz klar: Es

wird kein ,business as usual’ geben, also nicht Normalität.“

„Man kann sicher sagen, dass Putin nicht damit gerechnet hat und ihm das Kopfschmer­zen bereitet.“Olaf Scholz, Bundeskanz­ler

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