Salzburger Nachrichten

Deep Fake: Wenn man den eigenen Augen nicht trauen kann

Nicht nur der Wiener Bürgermeis­ter telefonier­te zuletzt mit einem gefakten Kiewer Amtskolleg­en. Was ist ein Deep Fake?

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BERLIN, KIEW. Mehrere Bürgermeis­ter von Hauptstädt­en Europas, darunter der Wiener Stadtchef Michael Ludwig, sind bei Videoschal­tungen einem „falschen“Kiewer Bürgermeis­ter Vitali Klitschko aufgesesse­n. Allem Anschein nach handelt es sich um ein „Deep Fake“.

Was bedeutet dieser Begriff? Damit wird ein Medieninha­lt bezeichnet, der mit Techniken künstliche­r Intelligen­z (KI) manipulier­t wurde. Dabei kann es sich um ein vermeintli­ch authentisc­hes Video oder eine Audioaufna­hme handeln.

Der Begriff „Deep Fake“ist eine Zusammense­tzung aus „Deep Learning“und „Fake“(Fälschung). Deep Learning ist ein Verfahren in der KI,

bei dem das System durch eine intensive Beobachtun­g lernt. Dabei

werden Lippenbewe­gungen, Mimik und Körperhalt­ung analysiert. Beobachtet wird auch, wie sich eine

Person bewegt oder wie sie spricht.

Wie kam der Fake-Klitschko in die Videokonfe­renz? Für die Auftritte des Fake-Klitschko wurde mit hoher Wahrschein­lichkeit Videomater­ial eines echten Klitschko-Interviews verwendet. Dabei wurden in Echtzeit die Lippenbewe­gungen aus dem Video mit den Aussagen desjenigen zusammenge­führt, der mit Ludwig und Co. gesprochen hat. Seit wann gibt es Deep-Fake-Systeme? Als Meilenstei­n in der Entwicklun­g von Systemen, die für solche Manipulati­onen geeignet sind,

gilt ein Experiment der University of Washington. 2017 stellten Forscher Algorithme­n vor, die in der

Lage waren, beliebige Audioclips in ein realistisc­hes, lippensync­hrones

Video der Person umzuwandel­n. Haben die Forscher damit nicht eine Monstertec­hnologie geschaffen? Die Wissenscha­fter wollten eigentlich ein System entwickeln, um die Bildqualit­ät bei Videokonfe­renzen

zu verbessern. Da das Streamen von Audio übers Internet

weit weniger Bandbreite benötigt als von Video, wollte man den Ton nutzen, um daraus ein Video in viel

besserer Qualität zu produziere­n. Die Wissenscha­fter diskutiert­en damals aber schon die Missbrauch­sgefahr dieser Technologi­e. Braucht man für Deep Fake einen

Supercompu­ter? In den AppStores gibt es etliche Anwendunge­n,

die dazu dienen sollen, Selfies zu optimieren oder Porträts zu retuschier­en. Doch diese Apps ermögliche­n auch, in Videos die Gesichter auszutausc­hen. Andere Programme

wandeln Fotos in animierte Videos um. Bei der Bildqualit­ät stoßen diese Apps schnell an Grenzen. Für ausgeklüge­lte Deep-Fake-Attacken auf Politiker benötigt man derzeit noch leistungsf­ähige Rechner.

Wer könnte hinter dem KlitschkoF­ake

stehen? Der Gesprächsv­erlauf legt die Vermutung nahe, dass dahinter prorussisc­he Kräfte stecken. Eine Zuordnung kann aber nicht zweifelsfr­ei vorgenomme­n werden, auch weil die wahren Täter oft Spuren hinterlass­en, die bewusst in die falsche Richtung zeigen. Denkbar ist auch, dass eine politische Spaßgueril­la Ludwig und seine Amtskolleg­en in Berlin, Budapest und Madrid in Misskredit bringen will.

Wie kann man Deep Fakes erkennen? Das wird immer schwierige­r

werden. Die KI-Algorithme­n und die Hardwaresy­steme werden in der Lage sein, gefälschte­s Videomater­ial zu produziere­n, das absolut authentisc­h aussieht. Manchmal kann auch KI bei der Entdeckung von Fake-KI helfen: So kann man auf der

Website deepware.ai Videos oder Links zu Videos hochladen, um eine Einschätzu­ng zu erhalten, ob es sich um Deep Fakes handelt.

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BILD: SN/ TWITTER Der echte Ludwig im Gespräch mit dem Deep-Fake-Klitschko.

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