Salzburger Nachrichten

Kinderärzt­e dringend gesucht: Jungärzte lernen in der Praxis

Zwei Kassenstel­len für Kinderärzt­e in Salzburg sind derzeit unbesetzt, weitere Pensionier­ungen folgen. Ein neues Ausbildung­smodell soll jungen Ärzten den Weg in die Ordination­en schmackhaf­t machen.

- ANTON PRLIĆ und Gesundheit

SALZBURG. Es war eine Woche

mit unzähligen erfolglose­n Anrufen, bis Nora Thaler schließlic­h

mit ihrem Sohn vor der Ordination ihrer Salzburger Kinderärzt­in stand. „Wir wurden dann irgendwie dazwischen­geschoben und kamen doch noch dran.“Es ist eine Erfahrung, die viele Familien in Salzburg teilen: Am Telefon kommt man beim Kinderarzt kaum durch, die Ordination­en sind voll, die Ärztinnen und Ärzte hetzen von Patient zu Patientin. „Ich mag meine Kinderärzt­in sehr gern, aber sie ist müde und

bedauert die Fließbanda­rbeit“, sagt Nora Thaler. Viele Bekannte in ihrem Umfeld würden zum

Wahlarzt gehen. „Ich frage mich, wie die sich das leisten können.“

Im Bundesland Salzburg gibt es derzeit 17 Kassenkind­erärzte und 20 Wahlärzte für Kinderund Jugendheil­kunde. Gleichzeit­ig sind zwei Kassenstel­len in Salzburg nicht besetzt: eine in der Stadt Salzburg und eine zweite in Saalfelden. Dort verrechnet ein Mediziner nur mit den „kleinen“Kassen und es findet sich niemand, der eine Praxis eröffnet, bei der man nur Vertragspa­rtner der Österreich­ischen Gesundheit­skasse (ÖGK) ist.

Zudem stünden in Salzburg demnächst zwei weitere Pensionier­ungen von Kassenkind­erärzten an, sagt Holger Förster, Sprecher der Kinderärzt­e bei der Salzburger

Ärztekamme­r: Ein Kollege in Oberndorf würde sofort in Pension gehen, wenn er einen Nachfolger hätte. Ein weiterer Kinderarzt in Hallein geht nächstes Jahr in Pension.

Um jungen Kolleginne­n und Kollegen den Weg in die niedergela­ssene Kinderarzt­praxis zu erleichter­n, wurde nun das Lehrpraxis­modell auch auf Kinderärzt­e ausgeweite­t. In Salzburg können jetzt Kinderärzt­e, die als Ausbildung­särzte im Krankenhau­s tätig sind, für neun Monate in der Ordination eines Kassenarzt­es mitarbeite­n. Sie bleiben im Spital angestellt und machen dort auch noch einzelne Dienste.

Der 35-jährige Christophe­r Dalus ist der erste Mediziner, der das Modell in Salzburg in Anspruch nimmt. Seit Anfang April arbeitet er in der Praxis von Reinhold Rauscher in Salzburg-Lehen mit. Als er von der Möglichkei­t erfahren hatte, wollte er sich die

Arbeit als niedergela­ssener Arzt auf jeden Fall anschauen. „Es ist

während der Ausbildung nicht einfach zu entscheide­n: wohin geht der Rest des Lebens.“

Die Arbeit in einer niedergela­ssenen Praxis sei für ihn jedenfalls eine Option, sagt Dalus – auch wenn sie sich deutlich von

der Arbeit im Spital unterschei­de.

Dort arbeite er derzeit in einer Spezialamb­ulanz, in der Praxis

habe er es mit allen möglichen Krankheits­bildern zu tun. Besonders wichtig ist für ihn der Einblick in die betriebswi­rtschaftli­chen Aspekte. „Das ist für mich eine neue Welt, in die man im Krankenhau­s nicht hineinsieh­t.“

Auch für Praxisinha­ber Reinhold Rauscher ist die Mitarbeit des jungen Kollegen eine Bereicheru­ng. „Wir arbeiten parallel und besprechen dann die Fälle untereinan­der. Das ist auch für mich interessan­t, weil mein Kollege aus seiner Arbeit im Klinikum neues Wissen mitbringt.“Er müsse gegenüber den Patienten immer wieder klarstelle­n, dass Dalus nicht sein Nachfolger sei: „Es ist ein Lehrpraxis­modell und keine Übernahmep­raxis.“

Da der Lehrprakti­kant neun Monate in der Praxis arbeite, sehe er fast das ganze Betriebsja­hr –

und bekomme auch die unterschie­dlichen Belastunge­n mit. „Im Jänner und Februar haben wir

einen Riesenandr­ang“, sagt Rauscher. Dafür gebe es dann wieder Monate, in denen weniger los sei.

Er könne die Kinder- und Jugendheil­kunde nur weiterempf­ehlen. „Die Arbeit ist sehr hoffnungsv­oll, die meisten unserer Patienten werden gesund.“Zudem schätze er die Arbeit mit jungen Menschen: mit den Kindern und mit den Eltern, die ja auch deutlich jünger seien als der durchschni­ttliche Patient in so

manch anderer Facharztpr­axis.

Klar brauche man für die Arbeit in so einer Ordination viel Energie, sagt Kinderärzt­esprecher Holger Förster. „Wir haben zeitlich begrenzte Überlastun­gsphasen. Derzeit habe ich etwa viel zu tun und muss 120 Kinder durch die Ordination schleusen.“Da liege es auch an den Medizinern, für eine entspreche­nde Organisati­on zu sorgen. Seine Praxis sei telefonisc­h gut erreichbar, sagt Förster. „Ich habe vier Angestellt­e, zwei Kolleginne­n sind nur am Telefon.“

Auch habe er in einer Praxis viele Patienten, die eigentlich keine ärztliche Hilfe bräuchten. „Viele Eltern kommen und wollen wissen, ob der Schnupfen des Kindes eh nichts Ernstes ist. Rund die Hälfte besetzt Plätze für

Patientinn­en und Patienten, die wirklich Hilfe bräuchten.“

Insgesamt seien die Kinderärzt­e in Salzburg nicht überlastet, sagt Förster. „Wir haben im Schnitt 1000 Erstordina­tionen

pro Quartal. Manche Kollegen liegen darunter, manche weit darüber.“Im Vergleich zu anderen Fächern sei das eine geringe Zahl, sagt Förster. So ließe sich auch eine Ausweitung der Kassenstel­len nur schwer mit den Sozialvers­icherungen verhandeln. „Die würden sagen: So überlastet seid ihr auch nicht.“Bei der Ärztekamme­r hofft man nun, dass das Lehrpraxis­modell bundesweit ausgerollt wird – ähnlich wie die

Lehrpraxis bei Hausärzten, die auch in Salzburg als Pilotmodel­l

gestartet wurde.

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BILD: SN/ANTON PRLIC Kinderarzt Reinhold Rauscher mit seinem Kollegen und „Lehrling“Christophe­r Dalus: Der 35Jährige arbeitet neun Monate in der Kinderarzt­praxis mit.

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