Kinderärzte dringend gesucht: Jungärzte lernen in der Praxis
Zwei Kassenstellen für Kinderärzte in Salzburg sind derzeit unbesetzt, weitere Pensionierungen folgen. Ein neues Ausbildungsmodell soll jungen Ärzten den Weg in die Ordinationen schmackhaft machen.
SALZBURG. Es war eine Woche
mit unzähligen erfolglosen Anrufen, bis Nora Thaler schließlich
mit ihrem Sohn vor der Ordination ihrer Salzburger Kinderärztin stand. „Wir wurden dann irgendwie dazwischengeschoben und kamen doch noch dran.“Es ist eine Erfahrung, die viele Familien in Salzburg teilen: Am Telefon kommt man beim Kinderarzt kaum durch, die Ordinationen sind voll, die Ärztinnen und Ärzte hetzen von Patient zu Patientin. „Ich mag meine Kinderärztin sehr gern, aber sie ist müde und
bedauert die Fließbandarbeit“, sagt Nora Thaler. Viele Bekannte in ihrem Umfeld würden zum
Wahlarzt gehen. „Ich frage mich, wie die sich das leisten können.“
Im Bundesland Salzburg gibt es derzeit 17 Kassenkinderärzte und 20 Wahlärzte für Kinderund Jugendheilkunde. Gleichzeitig sind zwei Kassenstellen in Salzburg nicht besetzt: eine in der Stadt Salzburg und eine zweite in Saalfelden. Dort verrechnet ein Mediziner nur mit den „kleinen“Kassen und es findet sich niemand, der eine Praxis eröffnet, bei der man nur Vertragspartner der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) ist.
Zudem stünden in Salzburg demnächst zwei weitere Pensionierungen von Kassenkinderärzten an, sagt Holger Förster, Sprecher der Kinderärzte bei der Salzburger
Ärztekammer: Ein Kollege in Oberndorf würde sofort in Pension gehen, wenn er einen Nachfolger hätte. Ein weiterer Kinderarzt in Hallein geht nächstes Jahr in Pension.
Um jungen Kolleginnen und Kollegen den Weg in die niedergelassene Kinderarztpraxis zu erleichtern, wurde nun das Lehrpraxismodell auch auf Kinderärzte ausgeweitet. In Salzburg können jetzt Kinderärzte, die als Ausbildungsärzte im Krankenhaus tätig sind, für neun Monate in der Ordination eines Kassenarztes mitarbeiten. Sie bleiben im Spital angestellt und machen dort auch noch einzelne Dienste.
Der 35-jährige Christopher Dalus ist der erste Mediziner, der das Modell in Salzburg in Anspruch nimmt. Seit Anfang April arbeitet er in der Praxis von Reinhold Rauscher in Salzburg-Lehen mit. Als er von der Möglichkeit erfahren hatte, wollte er sich die
Arbeit als niedergelassener Arzt auf jeden Fall anschauen. „Es ist
während der Ausbildung nicht einfach zu entscheiden: wohin geht der Rest des Lebens.“
Die Arbeit in einer niedergelassenen Praxis sei für ihn jedenfalls eine Option, sagt Dalus – auch wenn sie sich deutlich von
der Arbeit im Spital unterscheide.
Dort arbeite er derzeit in einer Spezialambulanz, in der Praxis
habe er es mit allen möglichen Krankheitsbildern zu tun. Besonders wichtig ist für ihn der Einblick in die betriebswirtschaftlichen Aspekte. „Das ist für mich eine neue Welt, in die man im Krankenhaus nicht hineinsieht.“
Auch für Praxisinhaber Reinhold Rauscher ist die Mitarbeit des jungen Kollegen eine Bereicherung. „Wir arbeiten parallel und besprechen dann die Fälle untereinander. Das ist auch für mich interessant, weil mein Kollege aus seiner Arbeit im Klinikum neues Wissen mitbringt.“Er müsse gegenüber den Patienten immer wieder klarstellen, dass Dalus nicht sein Nachfolger sei: „Es ist ein Lehrpraxismodell und keine Übernahmepraxis.“
Da der Lehrpraktikant neun Monate in der Praxis arbeite, sehe er fast das ganze Betriebsjahr –
und bekomme auch die unterschiedlichen Belastungen mit. „Im Jänner und Februar haben wir
einen Riesenandrang“, sagt Rauscher. Dafür gebe es dann wieder Monate, in denen weniger los sei.
Er könne die Kinder- und Jugendheilkunde nur weiterempfehlen. „Die Arbeit ist sehr hoffnungsvoll, die meisten unserer Patienten werden gesund.“Zudem schätze er die Arbeit mit jungen Menschen: mit den Kindern und mit den Eltern, die ja auch deutlich jünger seien als der durchschnittliche Patient in so
manch anderer Facharztpraxis.
Klar brauche man für die Arbeit in so einer Ordination viel Energie, sagt Kinderärztesprecher Holger Förster. „Wir haben zeitlich begrenzte Überlastungsphasen. Derzeit habe ich etwa viel zu tun und muss 120 Kinder durch die Ordination schleusen.“Da liege es auch an den Medizinern, für eine entsprechende Organisation zu sorgen. Seine Praxis sei telefonisch gut erreichbar, sagt Förster. „Ich habe vier Angestellte, zwei Kolleginnen sind nur am Telefon.“
Auch habe er in einer Praxis viele Patienten, die eigentlich keine ärztliche Hilfe bräuchten. „Viele Eltern kommen und wollen wissen, ob der Schnupfen des Kindes eh nichts Ernstes ist. Rund die Hälfte besetzt Plätze für
Patientinnen und Patienten, die wirklich Hilfe bräuchten.“
Insgesamt seien die Kinderärzte in Salzburg nicht überlastet, sagt Förster. „Wir haben im Schnitt 1000 Erstordinationen
pro Quartal. Manche Kollegen liegen darunter, manche weit darüber.“Im Vergleich zu anderen Fächern sei das eine geringe Zahl, sagt Förster. So ließe sich auch eine Ausweitung der Kassenstellen nur schwer mit den Sozialversicherungen verhandeln. „Die würden sagen: So überlastet seid ihr auch nicht.“Bei der Ärztekammer hofft man nun, dass das Lehrpraxismodell bundesweit ausgerollt wird – ähnlich wie die
Lehrpraxis bei Hausärzten, die auch in Salzburg als Pilotmodell
gestartet wurde.