Salzburger Nachrichten

Monsieur Renaults Besuch in Salzburg

- Joachim Glaser

Der Blick geht heute zurück auf die Anfänge des Salzburger Motorsport­s, auf das erste internatio­nale Ereignis. Genau vor 120 Jahren war Salzburg Zwischenst­ation der Fernfahrt Paris–Wien. Und Salzburg feierte am 28. und 29. Juni 1902 mit einer Begeisteru­ng, die zuvor

noch undenkbar schien. Denn Gegner der „neuen Maschinen“

hatten viele Monate versucht, die Durchfahrt zu verhindern, die „körperlich­e Sicherheit sei

gefährdet“, hieß es. Die Behörden gaben aber grünes Licht, den Autoherste­llern sollte Gelegenhei­t gegeben werden, ihre Produkte zu zeigen und Käufer zu gewinnen.

Und so rollten die Autos, von

Paris über die Schweiz, Bregenz

und Innsbruck kommend, auf Salzburg zu. Die Probleme auf den geschotter­ten Straßen waren für die mehr als 100 Teilnehmer riesig, auf steilen Anstiegen nahe Lofer mussten

Pferde vorgespann­t werden, um die motorisch schwachen Gefährte in die Höhe zu bringen.

Das Gros schaffte es bis zum Salzburger Etappenzie­l beim Gasthaus Trautmann in Maxglan (heute Noisternig), wo Hunderte neugierige Zuschauer auf eigens errichtete­n Tribünen die Fahrer erwarteten. Als Erster

traf um 13.41 Uhr der englische Offizier Baron Maurice de Forest ein, als Dritter kam Marcel Renault, der letzte Pilot erreichte Salzburg gegen 22 Uhr. Alle

Autos wurden im Hof der Franz-Josef-Kaserne an der Paris-Lodron-Straße geparkt und für die Schlusseta­ppe nach

Wien hergericht­et. Das für die Teilnehmer im Kurpark angesetzte Konzert war nur spärlich

besucht, die Piloten waren zu erschöpft und wollten ein paar Stunden schlafen.

Tags darauf wurde ab 6.45 Uhr in Gnigl gestartet, für die Orte entlang der Strecke bis

Wien war die Durchfahrt ein

Volksfest, ebenso das Finale auf der Trabrennba­hn in Wien. Sieger wurde Marcel Renault, dessen 34-PS-Eigenbau motorisch zwar schwächer, aber zuverlässi­ger als die Konkurrenz war. Renault hatte mit seinen Brüdern 1898 die Produktion von Autos

begonnen. Die 1432 Kilometer von Paris nach Wien bewältigte er mit einer Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit von 62,4 km/h,

Tanken, Reifenwech­sel und Reparature­n mit eingerechn­et. Zweiter wurde der englische Mercedes-Fahrer William Graf Zborowski, der allerdings zurückvers­etzt wurde, weil er an der Schweizer Grenze vom Zoll aufgehalte­n wurde und 48 Strafminut­en aufgebrumm­t bekam. Renault und Zborowski starben ein Jahr später, der Franzose bei der Fernfahrt Paris–Madrid nahe Bordeaux, Zborowski bei einem Bergrennen nahe Nizza.

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BILD: SN/ARCHIV Sieger vor 120 Jahren: der berühmte Marcel Renault mit seinem 34-PS-Auto.

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