Salzburger Nachrichten

Warum die SPÖ über Rendi-Wagner debattiert

Je näher das Kanzleramt rückt, desto heftiger wird die Führungsde­batte bei den Sozialdemo­kraten.

- LEITARTIKE­L Alexander Purger ALEXANDER.PURGER@SN.AT

Die ÖVP ist durch die täglichen Korruption­svorwürfe sturmreif geschossen. Die SPÖ liegt in den Umfragen

meilenweit voran. Und die politische Debatte dreht sich angesichts der Teuerung um Armut und Sozialleis­tungen. – Kurzum: Besser könnte die Lage für die seit 2017 in der Opposition schmachten­de SPÖ nicht sein. Ist es da nicht absurd, dass sie ausgerechn­et jetzt eine Führungsde­batte vom Zaun bricht?

Nein, ist es nicht. Es ist sogar logisch, und zwar aus drei Gründen. Erstens wecken die guten Umfragewer­te klarerweis­e Begehrlich­keiten. Solange die Lage in der Opposition aussichtsl­os schien, waren die SPÖ-Granden froh, dass sich irgendwer den Knochenjob des Parteivors­itzes antat. Jetzt, wo die Wahl zum SPÖ-Chef praktisch gleichbede­utend mit dem Einzug ins Kanzleramt zu sein scheint, wird der Job

plötzlich attraktiv. Erste Interessen­ten wie Hans Peter Doskozil wagen sich schon aus der Deckung, und er wird bestimmt nicht der Letzte sein.

Doskozil weiß aber – und das ist der zweite Grund für die derzeitige Debatte –, dass er nicht endlos Zeit

hat. Denn eine Ablöse von Pamela Rendi-Wagner darf nicht zu knapp vor der nächsten Nationalra­tswahl erfolgen. Eine Frau, die sich jahrelang für die Partei aufgeriebe­n hat, knapp vor der Ziellinie aus dem Kanzlerren­nen zu rempeln macht politisch keinen

schlanken Fuß. Also muss man es, wenn man es denn wirklich vorhat, möglichst bald tun. Niemand

weiß, wann die nächste Nationalra­tswahl stattfinde­t. Ihr regulärer Termin wäre der Herbst 2024, aber was läuft heutzutage schon regulär ...

Doch warum muss Rendi-Wagner überhaupt abgelöst werden? Doskozil nennt – und das ist der dritte Grund für die Führungsde­batte – die inhaltlich­e Ausrichtun­g der Partei. Doskozil will, dass die SPÖ in die Mitte rückt, um ÖVP und FPÖ Stimmen abzujagen und damit so stark zu werden, dass sich nach der

Wahl eine Ampelkoali­tion von SPÖ, Grünen und Neos ausgeht. Das ist derzeit nämlich nicht der Fall.

Das Ansinnen, die SPÖ nach rechts zu führen, ist an sich nicht ehrenrühri­g, sondern durch die Parteigesc­hichte gedeckt. Von Bruno Kreisky ist der Satz überliefer­t: „Solange ich regiere, wird rechts regiert.“Er wusste, dass es in Österreich keine linke Mehrheit

gibt, also holte sich Kreisky seine absoluten Mehrheiten in der Mitte. Genau das will auch Doskozil – etwa mit einer harten Migrations­politik.

Das sind die Gründe, warum es zurzeit eine SPÖFührung­sdebatte gibt. Und warum die ÖVP dabei Rendi-Wagner ganz fest die Daumen hält.

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