Warum die SPÖ über Rendi-Wagner debattiert
Je näher das Kanzleramt rückt, desto heftiger wird die Führungsdebatte bei den Sozialdemokraten.
Die ÖVP ist durch die täglichen Korruptionsvorwürfe sturmreif geschossen. Die SPÖ liegt in den Umfragen
meilenweit voran. Und die politische Debatte dreht sich angesichts der Teuerung um Armut und Sozialleistungen. – Kurzum: Besser könnte die Lage für die seit 2017 in der Opposition schmachtende SPÖ nicht sein. Ist es da nicht absurd, dass sie ausgerechnet jetzt eine Führungsdebatte vom Zaun bricht?
Nein, ist es nicht. Es ist sogar logisch, und zwar aus drei Gründen. Erstens wecken die guten Umfragewerte klarerweise Begehrlichkeiten. Solange die Lage in der Opposition aussichtslos schien, waren die SPÖ-Granden froh, dass sich irgendwer den Knochenjob des Parteivorsitzes antat. Jetzt, wo die Wahl zum SPÖ-Chef praktisch gleichbedeutend mit dem Einzug ins Kanzleramt zu sein scheint, wird der Job
plötzlich attraktiv. Erste Interessenten wie Hans Peter Doskozil wagen sich schon aus der Deckung, und er wird bestimmt nicht der Letzte sein.
Doskozil weiß aber – und das ist der zweite Grund für die derzeitige Debatte –, dass er nicht endlos Zeit
hat. Denn eine Ablöse von Pamela Rendi-Wagner darf nicht zu knapp vor der nächsten Nationalratswahl erfolgen. Eine Frau, die sich jahrelang für die Partei aufgerieben hat, knapp vor der Ziellinie aus dem Kanzlerrennen zu rempeln macht politisch keinen
schlanken Fuß. Also muss man es, wenn man es denn wirklich vorhat, möglichst bald tun. Niemand
weiß, wann die nächste Nationalratswahl stattfindet. Ihr regulärer Termin wäre der Herbst 2024, aber was läuft heutzutage schon regulär ...
Doch warum muss Rendi-Wagner überhaupt abgelöst werden? Doskozil nennt – und das ist der dritte Grund für die Führungsdebatte – die inhaltliche Ausrichtung der Partei. Doskozil will, dass die SPÖ in die Mitte rückt, um ÖVP und FPÖ Stimmen abzujagen und damit so stark zu werden, dass sich nach der
Wahl eine Ampelkoalition von SPÖ, Grünen und Neos ausgeht. Das ist derzeit nämlich nicht der Fall.
Das Ansinnen, die SPÖ nach rechts zu führen, ist an sich nicht ehrenrührig, sondern durch die Parteigeschichte gedeckt. Von Bruno Kreisky ist der Satz überliefert: „Solange ich regiere, wird rechts regiert.“Er wusste, dass es in Österreich keine linke Mehrheit
gibt, also holte sich Kreisky seine absoluten Mehrheiten in der Mitte. Genau das will auch Doskozil – etwa mit einer harten Migrationspolitik.
Das sind die Gründe, warum es zurzeit eine SPÖFührungsdebatte gibt. Und warum die ÖVP dabei Rendi-Wagner ganz fest die Daumen hält.