Die SPÖ sucht Antwort auf die Kanzlerfrage
Warum die SPÖ in allen Umfragen führt, warum Parteichefin Rendi-Wagner in der Kanzlerfrage aufgeholt hat – und warum dennoch eine neue Führungsdebatte in der SPÖ losgebrochen ist.
WIEN. Einer jüngst im „profil“veröffentlichten Umfrage von Unique Research zufolge liegt die SPÖ derzeit bei rund 27 Prozent, während die ÖVP auf 22 Prozent abgestürzt ist und bereits die FPÖ (20 Prozent) im Nacken spürt.
Laut „Kurier“-OGM-Umfrage ist der Vorsprung der SPÖ (29 Prozent) auf die ÖVP (23 Prozent) sogar noch größer.
Und in der Kanzlerfrage hat Karl Nehammer – wir zitieren wieder
Unique Research – keinerlei Bonus erwirtschaften können. Er käme
laut Umfrage bei einer Kanzlerdirektwahl nur auf 18 Prozent, also
gleich viel wie Oppositionsführerin Pamela Rendi-Wagner.
Auch inhaltlich läuft es alles andere als schlecht für die SPÖ. Auf die Frage, welche Partei die besten Konzepte gegen die Teuerung habe,
nennen 20 Prozent der Befragten die SPÖ. Die FPÖ kommt auf 14 Prozent der Nennungen. Die ÖVP nur auf kärgliche sieben Prozent. Angesichts des Umstands, dass die Teuerung derzeit die Sorge Nummer eins der Österreicherinnen und Österreicher ist, muss dieser Befund bei der Kanzlerpartei die Alarmglocken laut ertönen lassen.
Und man würde erwarten, dass bei der ÖVP eine der dortamts so beliebten Führungs- und Obmanndebatten losbricht. Doch weit gefehlt. Karl Nehammer ist trotz aller interner Turbulenzen erst kürzlich mit sagenhaften 100 Prozent als Parteiobmann bestätigt worden.
Während Pamela Rendi-Wagner, deren Partei einen Höhenflug erlebt, heftigen Quertreibereien ausgesetzt ist. Ihr ewiger Konkurrent, der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, nutzte am Wochenende ein Interview mit
der „Presse“, um die Botschaft in die
Welt zu setzen, dass aus seiner Sicht „die Frage der Spitzenkandidatur noch nicht geklärt“sei.
Soll heißen: Ob Pamela RendiWagner tatsächlich als Kanzlerkandidatin der SPÖ in den nächsten Nationalratswahlkampf ziehen wird, ist längst nicht ausgemacht. Findet zumindest Doskozil.
Josef Kalina, heute Chef des Unique-Research-Insituts und als einstiger SPÖ-Bundesgeschäftsführer
immer noch bestens mit SPÖ-internen Vorgängen vertraut, versucht die Debatte einzufangen: „Es gibt keine Führungsdiskussion. Ich
habe das als formalen Hinweis darauf verstanden, dass noch ein Beschluss der zuständigen Parteigremien nötig ist“, beruhigt er auf SNAnfrage.
Andere Gesprächspartner in der SPÖ sehen das anders: Doskozil habe offenbar die Absicht, selbst als
Kanzlerkandidat in die kommende Wahlauseinandersetzung zu ziehen, mutmaßen sie. Anders sei seine Wortmeldung vom Wochenende nicht zu interpretieren.
Wobei es hier nicht (oder nicht nur) um persönliche Eitelkeiten geht, sondern um die
künftige inhaltliche Positionierung der SPÖ. Wie diese unter einem Parteichef Doskozil aussehen würde, machte am Montag
eine Pressekonferenz der SPÖ Burgenland deutlich. Der dortige Sicherheitssprecher
der Partei schlug Alarm wegen der hohen Zahl an illegalen Migranten an der burgenländisch-ungarischen Grenze, er berichtete von jungen Mädchen und alten Frauen, die sich auf dem Radweg und im Weinberg ängstigen, und er forderte mit
Nachdruck einen effektiven Grenzschutz an den Innen- und Außengrenzen.
Kurzum: Er schlug Töne an, die man auf Bundesebene nur von der ÖVP und von der FPÖ hört. Von der Bundes-SPÖ um Rendi-Wagner hingegen ist eher selten zu vernehmen, dass der Flüchtlingsstrom nach Österreich ein gröberes Problem sein
könnte. Auch mit seinen Initiativen, für Landesbedienstete einen Mindestlohn
einzuführen und pflegenden Angehörigen die Möglichkeit für eine
Anstellung zu geben, setzt Doskozils burgenländische SPÖ eindeutige Zeichen: rechts der Mitte angesiedelte Migrations- und Sicherheitspolitik, links angesiedelte Sozialpolitik.
Agenturchef Kalina verweist auf die für die SPÖ günstige Themenlage (Teuerung) und würde der SPÖ raten, sich massiv auf dieses Thema draufzusetzen: „Das wird noch an Dynamik gewinnen, vor allem
wenn im Herbst die enormen Nachforderungen und Vorauszahlungen der Energieversorger schlagend werden“, sagt er.
Hat damit die SPÖ den Wahlsieg praktisch schon in der Tasche? Das wohl kaum. Zwar attestieren, wie schon erwähnt, 20 Prozent der Befragten der SPÖ die besten Rezepte gegen die Teuerung. Fast doppelt so
viele hingegen, nämlich 36 Prozent, sind der Meinung, dass „keine Partei“brauchbare Lösungen hat. Da ist noch viel Luft nach oben. Auch für die anderen Parteien.