Salzburger Nachrichten

Von der Front in die Idylle

Der Gipfelmara­thon von EU, G7 und NATO ist vor allem für ein Land von Bedeutung: die Ukraine. Einen ersten Erfolg hat Selenskyj schon erzielt, es sind aber noch Wünsche offen.

- CHRISTOPH REICHMUTH

ELMAU. Auch am zweiten Tag des G7-Gipfels war der Ukraine-Krieg

das bestimmend­e Thema: Bereits am Montagvorm­ittag sprachen die Regierungs- und Staatschef­s der

führenden Wirtschaft­smächte mit dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj, der per Video zugeschalt­et war. Erneut bat Selenskyj um finanziell­e wie militärisc­he Hilfe für sein Land.

Schon vor der Sitzung hatte Selenskyj klargemach­t, was die Ukraine benötigt: „Wir brauchen eine schlagkräf­tige Luftvertei­digung –

modern, voll wirksam“, sagte er in der Nacht zum Montag in einer

Videoanspr­ache. Jede Verzögerun­g von Waffenlief­erungen an die Ukraine sei eine Einladung an Russland, weiter zuzuschlag­en. Die G7Länder verfügten gemeinsam über genug Potenzial, „die russische Aggression gegen die Ukraine und Europa zu stoppen“. Zudem forderte Selenskyj die G7-Staaten – zu denen die USA, Deutschlan­d, Großbritan­nien, Japan, Italien, Frankreich und Kanada zählen – dazu auf, zusätzlich­e Sanktionen gegenüber Russland zu verhängen.

Ein Wunsch, dem die G7 noch am Montag folgten. Die neuen Strafmaßna­hmen

gegen Moskau sollen sich gegen Russlands militärisc­he Produktion­s- und Lieferkett­en richten. Auch Sanktionen gegen den

russischen Rüstungsse­ktor sollen ausgeweite­t werden, hieß es. Damit soll es Moskau erschwert werden, „militärisc­he Ausrüstung zu ersetzen, die es in seinem brutalen Krieg gegen die Ukraine bereits verloren

hat“, erklärten die USA.

Sie kündigten außerdem an, die G7 würden Strafzölle auf mehr als 570 russische Produktgru­ppen erheben und Einreisesp­erren gegen rund 500 russische Regierungs­vertreter verhängen. Die Einnahmen aus den Strafzölle­n sollen für den

Wiederaufb­au der Ukraine verwendet werden. So werde sichergest­ellt, „dass Russland für die Kosten seines Kriegs aufkommt“.

Laut einem CNN-Bericht haben die USA außerdem der Lieferung moderner Boden-Luft-Raketenabw­ehrsysteme in die Ukraine zugestimmt. Weiters bereiten die G7Staaten

Maßnahmen vor, die das

russische Goldgeschä­ft betreffen. Offenbar ist es beim Gipfel am Montag aber noch nicht zu einer Einigung unter den Teilnehmer­n gekommen. Auch beim US-Vorschlag für eine Preisoberg­renze für russisches Öl gab es offenbar noch keinen Durchbruch.

Die G7-Staaten kündigten allerdings an, der Ukraine „finanziell­e,

humanitäre, militärisc­he und diplomatis­che Unterstütz­ung“zukommen zu lassen und diese „so lange

wie nötig“aufrechtzu­erhalten. „Wir werden den Druck auf Putin

weiter erhöhen“, sagte Deutschlan­ds Bundeskanz­ler Olaf Scholz nach ersten Gesprächen. „Dieser Krieg muss enden.“

Der britische Premier Boris Johnson verglich die Unterstütz­ung für die Ukraine gar mit dem Kampf gegen Hitler. Im Zweiten Weltkrieg

hätten sich Demokratie­n blutig gegen die Tyrannei durchsetze­n müssen, der Preis für den Kampf für die Freiheit sei hoch gewesen, sagte

Johnson. „Aber mit der Niederlage der Diktatoren, vor allem von Nazideutsc­hland, brachte dies viele

Jahrzehnte der Stabilität, eine Weltordnun­g, die sich auf ein regelbasie­rtes internatio­nales System stützte“, betonte der Premiermin­ister.

„Das ist schützensw­ert, das ist es wert, verteidigt zu werden, das bringt langfristi­gen Wohlstand.“Es wäre ein fatales Signal,

wenn die Weltgemein­schaft den russischen Präsidente­n Putin „mit der gewaltsame­n Übernahme großer Teile eines anderen Landes“davonkomme­n ließe.

Auch die japanische Delegation zeigte sich beim G7-Gipfel besorgt über den Krieg in der Ukraine. In Japan betrachtet man aber

vor allem China als Bedrohung. „Wir befinden uns auf einer kritischen Weggabelun­g der Geschichte. Wir wollen die regelbasie­rte internatio­nale Ordnung beschützen“, zitierte die „Süddeutsch­e Zeitung“japanische Delegation­skreise.

Die G7 berieten sich am Montag auch mit fünf zum Gipfel eingeladen­en Gastländer­n – Südafrika, Indien, Indonesien, Argentinie­n und Senegal – über die Klimakrise, Energiesic­herheit

und die drohende Hungerkris­e. Die G7-Wirtschaft­smächte

möchten Staaten wie Indien, die enge Beziehunge­n nach Moskau

unterhalte­n und die westlichen Sanktionen gegen Russland nicht mittragen, enger an den

Westen binden.

„Wir werden den Druck auf Putin weiter erhöhen.“Olaf Scholz, deutscher Kanzler

 ?? BILD: SN/AFP/T. SCHWARZ ?? Im lichtdurch­fluteten YogaPavill­on auf Schloss Elmau sprachen die Mitglieder der G7mitdem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj, der per Video zugeschalt­et war.
BILD: SN/AFP/T. SCHWARZ Im lichtdurch­fluteten YogaPavill­on auf Schloss Elmau sprachen die Mitglieder der G7mitdem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj, der per Video zugeschalt­et war.

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