„Wie viel Freiheit hat die Uni noch?“
Der emeritierende Langzeitrektor der Uni Salzburg, Heinrich Schmidinger, erläutert seine Kritik an der Ausgliederung der Unis sowie der Studienplatzfinanzierung. Und er erklärt, warum er in seiner Zeit eine IT-Fakultät bewusst nicht forciert hat.
Heinrich Schmidinger (68) war von 2001 bis 2019 Rektor der Paris-Lodron-Universität Salzburg (PLUS). Der Philosoph und Theologe war damit der längst dienende Rektor der PLUS seit ihrer Wiedergründung 1962 und zudem auch von 2011 bis 2015 Chef der Universitätenkonferenz. Weil er mit Semesterende als Professor in den Ruhestand tritt, hält er diesen Dienstag seine
Abschiedsvorlesung.
SN: Sie haben die PLUS durch eine Zeit der Umbrüche geführt: Studiengebühren, Aufnahmetests in den Massenfächern, steigender Internationalisierungsdruck ...
Schmidinger: Aber die größte Herausforderung der 18 Jahre bildete die Implementierung des Universitätsgesetzes (UG, Anm.) 2002. Das
war ein fundamentaler Wandel, der alle Bereiche des Unilebens betroffen hat. Das ist ein Prozess, der noch
nicht abgeschlossen ist.
SN: Durch das UG wurden die Unis aus der direkten Verwaltung des Bundes ausgegliedert. Sie haben das auch teils kritisch gesehen. Warum?
Was ich weniger positiv gesehen habe, war, dass damit eine strikte Ökonomisierung der Unis einhergeht. Die Universität wird immer mehr ein Unternehmen. Das bildet das, was die Uni sein soll, aber nicht
immer ab. Und: Das UG brachte auch ein Zurückfahren der Demokratisierung der Universitäten. Da hieß es immer, dafür seien die Unis selbstverantwortlich geworden.
Aber das Mitreden innerhalb der Unis als Ganzes ist deutlich weniger geworden. Die Entscheidungen
konzentrieren sich auf die Amtsträger und die neuen Gremien, allen
voran den externen Unirat – bei einem gleichzeitigen Zurückfahren der Kompetenzen des Senats (der aus den Reihen der Unimitglieder
intern gewählt wird, Anm.).
Unirats-Vorsitzender Georg Lienbacher hat im SN-Interview gemeint, die Ausgliederung könnte gar verfassungswidrig sein, weil das Ministerium zu viel Einfluss nehme.
SN:
Der springende Punkt ist: Bei den Leistungsvereinbarungen (über die die Unis das Geld vom Bund bekommen, Anm.) ist die Frage, wie viel da
vom Ministerium inhaltlich vorgeschrieben wird. Wie viel Freiheit hat
die Uni noch, selbst zu gestalten?
Wie viel gibt man ihr vor? Was nicht eintreten darf, ist das Prinzip: „Wer das Geld hat, schafft an.“Dann wäre es keine Partnerschaft von Ministerium und Unis mehr. Durch das Gesetz gab es aus meiner Sicht Vorund Rückschritte zugleich.
Sie haben auch den Start der Studienplatzfinanzierung 2018 erlebt und kritisch kommentiert. Warum?
SN:
Ich habe sie vor allem im Hinblick auf die kleineren Fächer kritisch gesehen. Denn wenn eine Uni für die Zahl der Studienabschlüsse Geld
bekommt, dann heißt das für Fächer, die sich schwertun mit den Hörerzahlen, dass sie für die Uni
immer teurer werden. Hier sehe ich eine Gefahr: Wenn man das auf die
Spitze treibt, sind nur noch die Studierendenzahlen ausschlaggebend
für die Finanzierung eines Fachs. Dann ist es nur eine Frage der Zeit,
wie lange sich die Uni so ein kleines Fach noch leistet. Aber in der Führung
einer Uni und ihrer strategischen Ausrichtung kommt es auch auf die inhaltlichen Fragen an. Man sollte ein Fach anbieten, weil es wissenschaftlich wichtig ist und nicht,
weil es Geld bringt. Es müssen auch inhaltliche Kriterien zählen – und nicht nur ökonomische. Denn eine Uni soll eine Einrichtung des Geistes sein. Eine Uni gibt sich auf,
wenn sie sich nur noch nach ökonomischen Kriterien ausrichtet.
In Ihrer Ära sind die Fachhochschulen aufgekommen, mehr geworden – und wurden besser finanziert. Welche Folgen hatte und hat das für die Unis?
SN:
Ich habe die FHs nie als ein Problem
gesehen für die Unis. Ich finde, dass durch sie auch die Unis belebt wurden. Diese haben angesichts der
FHs ihre Identität schärfen müssen, die sie ausschlaggebend in der forschungsgeleiteten Lehre finden. Bei den FHs liegt der Schwerpunkt auf der anwendungsorientierten, wirtschaftsnahen Ausbildung. Das sich.
Salzburg hat seit heuer eine Fakultät für digitale Wissenschaften samt Fachbereich für künstliche Intelligenz. Aber hätten Sie dieses Zukunftsfach nicht schon in Ihrer Zeit etablieren müssen?
SN:
ergänzt
Meine Überlegung war immer: Man kann die Uni Salzburg nicht isoliert
betrachten. Gerade im IT-Bereich gibt es in Linz, München und Innsbruck sehr starke Standorte. Natürlich braucht es diese Fächer auch in Salzburg und sie sollen ausgebaut
werden – aber in dem Rahmen, in dem wir das können. Wir müssen
uns spezialisieren und uns von anderen Standorten unterscheiden. Ich weiß nicht, ob die Uni Salzburg, mit all dem, was sich in diesem Bereich in Linz und Wien bereits entwickelt hat, mitzuhalten vermag.
Andere Unis sind hier schon viel länger und intensiver am Weg als
Salzburg. Das holt man nicht so
leicht auf. Daher gilt es bei dieser Konkurrenz nüchtern zu analysieren: Was ist uns möglich? Wo können wir sehr gut sein? Und auf das sollten wir uns konzentrieren – auf das, was wir uns wirklich zutrauen, worin wir ein ausgewiesenes Profil
besitzen.
SN: Die PLUS hat sich lange Jahre um die Umsetzung einer ihr versprochenen Medizinfakultät bemüht – und ist damit an Linz ebenso gescheitert wie mit der nun dort geplanten technischen Uni. Warum?
Das sehe ich differenziert: Dass es
bei uns keine staatliche Medizinfakultät geben sollte, wurde schon entschieden, als es noch nicht einmal die Idee einer medizinischen Fakultät in Linz gab. Immerhin wurde ab 2003 die PMU etabliert, die auch von der PLUS unterstützt wurde; und die Kooperation hält an.
Was die geplante TU in Linz anbelangt: Dazu kann ich wenig sagen, darüber rätselt bekanntlich ganz Österreich. Die Ankündigung hat alle überraschend getroffen. Ich
weiß nicht, wer das ausgeheckt hat. Jedenfalls wurde die Idee an allen nationalen Uni-Entwicklungsplänen vorbei geboren. Da hat man nicht Salzburg etwas weggenommen oder vorenthalten.
Insider kritisieren, dass das Land Oberösterreich ein Vielfaches in seine Unis und Fachhochschulen investiert im Vergleich zu Salzburg. Warum hinkt Salzburg hier so hinterher?
SN:
Ich habe immer darauf hingewiesen, dass andere Bundesländer sich
für ihre Hochschulen finanziell stärker eingesetzt haben als Salzburg. Das ist unterdessen löblich anders geworden. Zudem muss
man den Standort ansehen: Oberösterreich ist in puncto Industrie unvergleichlich stärker als Salzburg. Da war von der Gründung der Kepler-Uni an ein ganz anderes Engagement von Wirtschaft und Industrie vorhanden. So ist auch das
IT-Zentrum in Hagenberg entstanden. Hier wurde seitens des Landes
und der Wirtschaft enorm viel Geld investiert. Das Ergebnis sieht man.