Wimbledon bricht mit Brauch: Rasen-Klassiker wie noch nie
Vieles ist heuer anders beim geschichtsträchtigsten Tennisturnier. So steht etwa Novak Djoković schon jetzt als großer Verlierer fest, obwohl er den Auftakt gewohnt souverän meisterte.
LONDON. Regen in Wimbledon –
nichts Neues also, war man geneigt zu sagen, als pünktlich zum Turnierstart am Montag die Planen
über die Plätze gezogen wurden. Davon nicht beeinträchtigt war der
Auftritt von Novak Djoković, dem es als Titelverteidiger traditionell
vorbehalten war, den Rasen-Klassiker zu eröffnen. Standesgemäß war schließlich auch das Ergebnis für den sechsfachen Triumphator, der
heuer auf seinen vierten Titel in Serie auf dem heiligen Rasen losgeht. Der Serbe besiegte den Koreaner Kwon Soon-woo in vier Sätzen.
Doch abgesehen vom Regen und der Klasse von Djoković wird in
Wimbledon Tradition so großgeschrieben wie bei keinem anderen
Turnier. 2022 aber bietet so viel Neues wie noch nie. Es sind dies einerseits Premieren, die man sich
gerne erspart hätte, und andererseits Neuerungen, die das geschichtsträchtigste Tennisturnier der Welt für Spieler und Fans attraktiver und für die Veranstalter lukrativer machen sollen.
Der größte Verlierer heißt eigentlich Novak Djoković. Denn während die Titelverteidigerin Ashleigh Barty ihre Karriere bereits beendet hat, fallen dem Serben 2000 Punkte ersatzlos aus der Wertung. Wimbledon hatte russische und belarussische Profis wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine ausgeschlossen, ATP
und WTA dann entschieden, keine Punkte zu vergeben. Erstaunlich gelassen reagierte Djoković nun darauf: „Die russischen Spieler können nichts für den Krieg. Was die Punkte betrifft: Die sind mir mittlerweile egal“, sagt der Serbe. Tatsächlich gibt es einige Profis, deren Karriere durch den Rückfall in der
Weltrangliste zumindest vorübergehend stark beeinflusst wird.
Nicht mehr Spiele, dafür aber mehr
Turniertage werden heuer geboten. Erstmals werden am mittleren Sonntag Matches angesetzt. Das
war bisher nur der Fall, wenn das Programm aufgrund des Regens zu weit im Verzug war. „Damit bieten wir noch mehr Zuschauern die Möglichkeit, Wimbledon zu erleben“, argumentieren die Veranstalter. Klar ist freilich auch, dass das
Turnier durch den gesteigerten Ticketverkauf und die Fernsehgelder
mehr Profit abwirft.
Um durfte heuer erstmals auf den beiden größten und überdachten Plätzen, dem heuer 100-jährigen Center Court und No. 1 Court, schon im
Vorfeld trainiert werden. Damit werden sich die Plätze zwar noch schneller von Grün in Braun verwandeln. Doch durch den von Turnierstart an trockeneren Rasen sollen so folgenschwere Ausrutscher
Verletzungen vorzubeugen,
wie von Serena Williams im Vorjahr vermieden werden. Apropos Frauen: Vor ihren Namen finden sich heuer keine „Mrs.“und „Miss“mehr. Bei den Männern
ist der „Mr.“schon länger verschwunden.
So viele Topstars wie wohl ebenfalls noch nie fehlen heuer: Angeführt vom Rekordsieger Roger Federer, der wie Alexander Zverev verletzt pausiert, über die ausgeschlossenen Daniil Medwedew, Andrej Rublew, Wiktoria Asarenka und Arina Sabalenka
bis zum derzeit etwa anderswo formsuchenden Dominic Thiem.
Was unverändert ist: etwa die obligatorische weiße Dress, die nicht vorhandene Bandenwerbung und die sich auch in der Nacht nie auflösende Schlange,
wenn die restlichen 1500 Tageskarten in den Verkauf gehen.