Amerikanische Waffenlieferungen zeigen Wirkung
Raketenwerfer könnten den russischen Nachschub aus der Balance bringen. Schwere Verluste unter den hohen Offizieren.
KIEW, BRÜSSEL. Mehr als zehn große Munitionslager, mehrere Öldepots,
rund zehn Kommandozentren und ebenso viele Truppensammelplätze seien in der vergangenen Woche
von ukrainischen Angriffen getroffen worden. Das berichtete nicht der Generalstab in Kiew oder Präsident Wolodymyr Selenskyj. Es war der russische Großnationalist und Ex-Geheimdienstoffizier Igor Girkin, ehemaliger Befehlshaber der Separatisten im Donbass, der die für den Kreml höchst unangenehme Verlustliste in seinem TelegramKanal veröffentlichte. Der russische Militärblog „Voennyi Osvedomitel“schrieb laut Nachrichtenmagazin „Spiegel“von einer „echten Bedrohung“für Russlands Soldaten.
Gemeint sind die bislang nur acht amerikanischen M142-Himars-Raketensysteme, die in der Ukraine im Einsatz sind. Die ersten sollen am 23. Juni angekommen sein. Trotz ihrer geringen Zahl ändern sie das Lagebild. Die Raketenwerfer hätten das Potenzial, die russische Logistik
empfindlich zu stören, meinten die Militärblogger.
Das auf gepanzerten Lkw montierte System des Herstellers Lockheed feuert Raketen mehr als 80 Kilometer weit. Damit nehmen die Ukrainer russische Aufmarschgebiete, Stäbe und Munitionslager unter teils verheerenden Beschuss.
Videos zeigen mächtige Explosionen, zuletzt in Cherson.
Kiew hofft, den Nachschub an Granaten für die übermächtige russische Artillerie aus der Balance zu
bringen. Laut dem US-MilitärThinktank ISW sind die Besatzungstruppen im Donbass dabei, sich zu erholen, neu zu gruppieren,
und auszurüsten. Allerdings beschießen ihre Kanonen immer noch
ununterbrochen und ohne Rücksicht auf zivile Leben ukrainische Dörfer und Städte, um sie für spätere Angriffe sturmreif zu machen.
Die USA haben inzwischen die Lieferung von vier weiteren Himars-Systemen zugesagt. Anzunehmen, dass die dann zwölf Raketenwerfer
den russischen Einheiten
und Logistikern noch mehr zusetzen werden. Himars steht für „High Mobility Artillery Rocket System“.
Jeder Lkw verfügt über einen Block aus sechs 227-Millimeter-Raketen.
Die Mannschaft besteht aus drei Mann: Fahrer, Richtschütze, Kommandant.
Entwickelt wurde das System in den 1990er-Jahren. Es
kann mit Raketen bestückt werden, die rund 300 Kilometer weit fliegen.
Aus Sorge, die Ukraine könnte mit ihnen russisches Kernland treffen,
haben die USA diese Waffen aber nicht geliefert. Wie aus Washington
verlautete, sind die Himars mit präzisionsgelenkten Raketen mit einer
Reichweite von 84 Kilometern bestückt. Klassische Artilleriehaubitzen bringen es auf etwa 40 Kilometer. Himars ist hochpräzise, was
Wolodymyr Selenskyj am Wochenende zu erfreutem Lob Anlass gab.
Angeblich können die Raketen noch während des Flugs genauere GPS-Daten empfangen. Abgefeuert
werden sie binnen weniger Minuten mit einem beeindruckenden Feuerschweif. Moskaus Abwehrsysteme S-300 und S-400 erfassen die Raketen laut Berichten kaum.
Die US-Werfer könnten die Fähigkeit der Russen, weiter vorzudringen, deutlich beeinträchtigen, hieß es aus dem Pentagon. Russland seinerseits will bereits einige Raketenbatterien für das Himars vernichtet haben.
Indessen muss Putins Truppe weiterhin schwere Verluste unter den Offiziersrängen hinnehmen.
Der Thinktank ISW meldete unter Berufung auf russische und ukrainische Quellen den Tod eines Divisionskommandanten, seines Stellvertreters und eines weiteren hohen Offiziers bei einem Angriff auf eine Truppenbasis in Cherson am 10. Juli. Die 106. Luftlandedivision,
eine Eliteeinheit, soll zwischen 20. Juni und 10. Juli sämtliche stellvertretenden Kommandeure verloren haben. In den besetzten Gebieten werden russische und prorussische Offizielle Ziel von Angriffen. Nach britischen Angaben räumte
die russische Verwaltung eines besetzten Gebietes bei Charkiw ein,
dass einer ihrer Bürgermeister am 11. Juli einer Autobombe zum Opfer
gefallen ist. Mit einer Ausweitung derartiger Angriffe sei zu rechnen,
betonte London.