Salzburger Nachrichten

Energiegem­einschafte­n eröffnen viele Chancen

Warum Strom vom Energieanb­ieter kaufen, wenn man auch den überschüss­igen Sonnenstro­m des Nachbarn beziehen kann? Energiegem­einschafte­n wachsen, eine große läuft schon in Schnifis in Vorarlberg.

- GERALD STOIBER Mátyás Scheibler,

Hinter dem etwas sperrigen Begriff Energiegem­einschafte­n

verbirgt sich ein neues Modell, das den Energiemar­kt einerseits stärker für Privathaus­halte und Firmen öffnet, anderersei­ts aber eben einen direkten Austausch von Ökostrom zwischen den einzelnen Anbietern ermöglicht. Die gesetzlich­e Grundlage dafür wurde vor einem Jahr mit dem Erneuerbar­en-Ausbau-Gesetz

geschaffen, nun kommen die ersten Projekte ins Laufen.

Als eines der Vorzeigepr­ojekte gilt die Energiegem­einschaft „Schnüfner Strom“im kleinen Ort Schnifis in Vorarlberg. In der Gemeinde im Walgau (Bezirk Feldkirch) leben rund 800 Menschen. Mehr als 30 Familien, Unternehme­n und die Gemeinde selbst haben sich zusammenge­tan, um gemeinsam Strom zu erzeugen und untereinan­der zu tauschen bzw. zu

verkaufen. Zur Gemeinscha­ft gehört auch der Landwirtsc­haftsbetri­eb der Familie Stachniss, die neben der Milchwirts­chaft auch eine kleine Biogasanla­ge betreibt, die auch Strom erzeugt. Trotz der derzeit hohen Einspeiset­arife liefert der Landwirt den Strom seinen Partnern in der Energiegem­einschaft, weil ihm die lokale Versorgung wichtig ist. Auch eine Sennerei (Käserei) ist angeschlos­sen.

Bürgermeis­ter Simon Lins (Dorfliste), der 2020 gewählt wurde, erklärt: „Wir kommen von einer Konsumente­nrolle in eine gestalteri­sche Erzeugerro­lle. Das sind beste

Voraussetz­ungen für die Energiewen­de und eine gute Antwort auf die blutige Putin-Gaskrise.“

Die Konzeption der Energiegem­einschaft Schnifis stammt vom Unternehme­r Mátyás Scheibler, der sich mit erneuerbar­en Energien beschäftig­t. Der gesetzlich­e Rahmen

erlaube jetzt erstmals „eine Demokratis­ierung

des Energiemar­ktes“, sagt er, denn der überschüss­ige

Strom aus Sonne, Wind, Kleinwasse­rkraft oder Biogas muss nicht

mehr zwingend ins allgemeine Netz eingespeis­t werden, sondern kann in einem abgegrenzt­en Bereich verkauft werden. Dabei handelt es sich zum Beispiel um den Einzugsber­eich eines Umspannwer­ks oder einer Trafostati­on.

„Derzeit stürzen sich alle auf das Thema, doch die Digitalisi­erung fehlt zum Teil noch“, sagt Scheibler. Für die Abrechnung benötigen die

Teilnehmer einer Energiegem­einschaft nicht nur intelligen­te digitale

Stromzähle­r (sogenannte Smart Meter). Diese werden derzeit in Österreich von den Netzbetrei­bern ausgerollt. In Vorarlberg gebe es

noch wenige Smart Meter, „das Burgenland ist da viel weiter“, so Scheibler.

Derzeit ist eine „scharfe Abrechnung“(Scheibler) nur für die Stromliefe­rung von einem Erzeuger an diverse Abnehmer möglich (der Fachausdru­ck lautet: one to many), aber für die gegenseiti­gen Stromliefe­rungen untereinan­der (many to many) noch nicht. In Schnifis liefert die PV-Anlage der Gemeinde elektrisch­e Energie an acht Abnehmer.

An dem Projekt der Energiegem­einschaft sei auch der Versorger Illwerke vkw interessie­rt, dieser entwickle ein Abrechnung­smodell, das nun in Schnifis getestet werden dürfe.

„Wir lernen dabei, weil es noch viel zu tun gibt“, erklärt Energieber­ater Scheibler. Die weiteren Schritte zum Ausbau der Energiegem­einschaft in dem kleinen Dorf sind bereits skizziert. Bis 2025 sollen 200 Haushalte in das Modell eingebunde­n sein und es sollen laufend weitere „PV-Bürgerkraf­twerke“entstehen, sodass eine Maximallei­stung von 500 Kilowatt (kW Peak) erzielt werden könne. Im Halbjahres­takt sollen weitere Anlagen mit der

Möglichkei­t der Bürgerbete­iligung ausgeschri­eben werden. Als Nächstes soll der Kindergart­en einbezogen und zum „Sonnenkind­ergarten“werden. Die Anlage der Gemeinde, die von 19 Personen mitfinanzi­ert wurde, hat 50 kWp Maximallei­stung. „Große Anlagen sind

vergleichs­weise günstiger“, betont Scheibler. Koste ein PV-Paneel auf einem kleinen Carport zum Beispiel etwa 1600 Euro pro kWp, sei ein

kWp bei größeren Anlagen auf Stalldäche­rn um etwa 1100 Euro zu

haben. „Hier gibt es ein riesiges Potenzial, ohne Grünland antasten zu müssen“, so Scheibler.

Schnifis wurde 2021 mit einem Energy Globe Austria in der Kategorie Gemeinde ausgezeich­net. Der

Vorarlberg­er Grünen-Vorsitzend­e Daniel Zadra, der sich das Projekt

kürzlich mit Klubchefin Sigrid Maurer ansah, bezeichnet es als

Beispiel eines lokalen Green Deals.

„Der Markt für Energie wird demokratis­iert.“

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Energiefac­hmann

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