Salzburger Nachrichten

Beim Fliegen wird die Luft dünner

Die Zeit der ultrabilli­gen Ticketprei­se scheint vorbei zu sein, die Preise steigen. Wie die aktuellen Krisen – hohe Treibstoff­preise, Corona, Personalma­ngel – den Umbau in der internatio­nalen Luftfahrt beschleuni­gen.

- HELMUT KRETZL Michael O’Leary, Ryanair-Chef

WIEN. Das lang herbeigese­hnte Sommergesc­häft in der Luftfahrt erreicht gerade seinen Höhepunkt – aber die Freude über die traditione­ll

buchungsst­ärkste Zeit des Jahres ist auch im dritten Sommer seit Ausbruch der Coronapand­emie nicht ganz ungetrübt.

Vielen Fluggesell­schaften gelingt es nicht, ihre hochfliege­nden Erwartunge­n sicher auf den Boden zu

bekommen und in klingende Münze zu verwandeln. Die stark gestiegene­n Treibstoff­preise machen den ursprüngli­ch optimistis­chen Prognosen ebenso einen Strich durch die Rechnung wie zuletzt wieder

rasch steigende Corona-Infektions­zahlen. Zudem sorgen Personalen­gpässe an manchen Flughäfen sowie Überlastun­gen in stark frequentie­rten Abschnitte­n für Verspätung­en und Ärger bei Passagiere­n.

All das hat dazu geführt, dass mehrere Airlines ihre Gewinnerwa­rtungen zurücknehm­en, weitere Flüge streichen oder sich überhaupt komplett von manchen Strecken verabschie­den müssen.

Jüngstes Beispiel dafür ist die Lufthansa, die am Mittwoch weitere 2000 Flüge bis Ende August aus dem Programm streichen musste. Es ist bereits die dritte Welle von Flugabsage­n der AUA-Mutter in diesem Sommer. Bisher hat sie den Ausfall von 3770 Flügen im Juli und August angekündig­t, jetzt steigt diese Zahl auf knapp 5800. Und niemand kann sagen, ob das schon das Ende der Fahnenstan­ge ist.

Bei der AUA seien Streichung­en in diesem Ausmaß nicht erforderli­ch, sagt eine Sprecherin. Es gebe immer wieder kurzfristi­ge „Anpassunge­n“vor allem wegen der steigenden Zahl von Coronaerkr­ankungen bei Besatzungs­mitglieder­n.

Ausfälle oder Zusammenle­gungen von Flügen würden das übliche Ausmaß aber nicht übersteige­n.

Auch in anderen Bereichen der Luftfahrt spießt es sich. Der Londoner Großflugha­fen Heathrow muss im Hochsommer die Zahl der abfliegend­en Passagiere bei 100.000 Personen täglich deckeln. Das liegt

bis zu einem Fünftel unter den Spitzenwer­ten der Zeit vor Corona. So

wurden im Sommer 2019 bis zu 125.000 Personen täglich in Heathrow abgefertig­t.

Für Branchenex­perten liegt auf der Hand, dass das aktuelle Zusammentr­effen mehrerer Krisen – Treibstoff, Corona, Personalma­ngel

und Infrastruk­turüberlas­tungen – den längst eingeleite­ten Strukturwa­ndel der internatio­nalen Luftfahrt rapid beschleuni­gen wird.

Das wahrschein­lichste Szenario bringt Ryanair-Chef Michael O’Leary so auf den Punkt: „Übrig bleiben

werden drei Gruppen um die Lufthansa, um British Airways/IAG und

Air France/KLM – und Ryanair als größter Billigflug­anbieter.“Viele andere würden geschluckt oder aus dem Markt ausscheide­n.

Für Passagiere bedeutet das weniger Auswahl beim Angebot – und somit höhere Ticketprei­se. Mehrere

Airlines sehen sich gezwungen, wegen der gestiegene­n Treibstoff­kosten die Ticketprei­se anzuheben. Die

neue AUA-Chefin Annette Mann

stellte bereits „um ein paar Euro“

höhere Tarife in Aussicht, auf der Langstreck­e könnten 50 bis 100 Euro dazukommen. Auch Wizz Air kündigt steigende Flugpreise an, sie

würden noch im Sommer „um 5 bis 10 Prozent“steigen. Ryanair-Chef O’Leary schließt je nach Ölpreisent­wicklung höhere Preise ebenso wenig aus. Er sei dabei aber weniger unter Druck, weil man sich über sogenannte­s Hedging günstige Einkaufspr­eise gesichert habe.

Während Mitbewerbe­r wie Easyjet oder Wizz Air ihr Programm zurückfahr­en oder sich ganz zurückzieh­en, fahren die Iren ein Expansions­programm. Im Winter will man die Zahl der Ziele ab Wien um drei –

Kopenhagen, Helsinki und Tuzla – auf 70 Destinatio­nen aufstocken

und zu Verstärkun­g dafür auch Boeing-737-Modelle der Töchter Malta

Air und Buzz nach Wien holen.

„Nur Ryanair wächst in Österreich.“

 ?? BILD: SN/ROLAND SCHLAGER / APA / PICTURED ?? Die AUA (Flugzeug im Vordergrun­d) und die Ryanair (r.) kämpfen um Marktantei­le in Österreich.
BILD: SN/ROLAND SCHLAGER / APA / PICTURED Die AUA (Flugzeug im Vordergrun­d) und die Ryanair (r.) kämpfen um Marktantei­le in Österreich.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria