Salzburger Nachrichten

Lösungsans­ätze im Eiltempo

Die Videoanaly­sten des ÖFB-Teams haben bei der EURO viel zu tun. Stefan Ösen und Julian Lauer erklären ihre komplexe Arbeit und verraten, welche Spielerin besonders analyseaff­in ist.

- Birgit Riezinger berichtet für die SN aus Bagshot

Videoanaly­se ist im Profifußba­ll nicht mehr wegzudenke­n. Österreich­s Nationalte­am hat in England drei Analysten dabei: Stefan Ösen, Julian Lauer und Michael Brownlow. Alle drei sind von früh bis spät

beschäftig­t. „Es geht immer vorher der Tag aus, bevor die Arbeit ausgeht“, sagt der Salzburger Ösen.

In der Videoanaly­se gehe es darum, die Stärken und Schwächen der Gegner herauszufi­ltern, Muster zu finden und relevante Punkte herauszust­reichen, sagt Lauer, der

hauptberuf­lich am Internatio­nalen Fußball-Institut in München arbeitet. „Wir müssen den Spielerinn­en, der Trainerin und den Trainern Lösungsans­ätze liefern“, so der 30jährige Deutsche.

Ösen leitet seit 2020 die Spielanaly­se im ÖFB. Der 37-Jährige ist der einzige fix angestellt­e Analyst

beim Männerteam und unterstütz­t die anderen Nationalte­ams. „Bezüglich Manpower können wir mit den Topnatione­n noch nicht mithalten“, sagt der promoviert­e Sportwisse­nschafter. Beim englischen

Verband seien etwa sieben Analysten angestellt. Aber bezüglich Hardware, Prozessabl­auf und Software

brauche man sich vor keiner Nation zu verstecken. „Wir nutzen alles aus, was das Regelwerk erlaubt.“

Zwei etwa 50 Kilogramm schwere Alukisten an Analyse-Equipment hat Österreich­s Team nach England mitgebrach­t. Für die Analyse wird

jedenfalls adäquate Software benötigt. Ösen: „Damit wird ein Spiel nachbearbe­itet, kategorisi­ert und

beschlagwo­rtet.“Bei den Spielen kann man die Kameras der UEFA nutzen. „Wir verwenden nicht die

gleiche Perspektiv­e wie im Fernsehen. Der Analyst braucht immer alle Spielerinn­en im Blick.“Die Kamera schwenkt automatisc­h – man spart sich einen Kameramann oder eine Kamerafrau. Auch im Trainingsz­entrum, das üblicherwe­ise

von Englands Rugby-Nationalte­am genutzt wird, werden vorhandene Kameras verwendet. Außerdem kommen Tablets mit Spielerinn­enprofilen zum Einsatz. Bei der Trainerban­k befindet sich noch ein kleiner Monitor.

Während eines Matches beobachten die Analysten das Spiel von einer erhöhten Position auf der Tribüne. Lauer: „Es wird darauf geschaut, ob wir das machen, was wir

uns vorgenomme­n haben, und ob der Gegner so agiert, wie wir ihn eingeschät­zt haben.“Zwei bis drei Minuten hat er in der Pause Zeit, um

den Spielerinn­en konkrete Infos aus der Analyse der ersten Hälfte mitzugeben. Gegen Nordirland musste man in der Pause nicht viel ändern, lediglich beim Angriffspr­essing sei nachgeschä­rft worden, sagt Lauer.

Abseits der Matches verbringen die Spielerinn­en unterschie­dlich

viel Zeit mit der Analyse. Es gibt Termine mit dem kompletten Team, aber auch Analysen in Kleingrupp­en

beziehungs­weise mit einer einzigen Spielerin. Lauer: „Es

gibt Spielerinn­en, mit denen man sich eine Stunde lang ein Spiel anschauen und Sachen diskutiere­n kann. Andere brauchen ein bis zwei Infos und es passt für sie.“Innenverte­idigerin Carina

Wenninger ist laut Lauer besonders analyseaff­in. „Je defensiver

jemand spielt, desto interessie­rter ist sie an der Videoanaly­se“, sagt Ösen. „Weil sich die Defensiven auf etwas einstellen müssen und reagieren, während die Offensiven eher agieren.“

Die Spielerinn­en bekommen Videos – zum Beispiel von der direkten Gegenspiel­erin – zur Verfügung gestellt, mit denen sie sich individuel­l beschäftig­en können. Ösen: „Das ist nur ein

Angebot. Es wird nicht kontrollie­rt, ob es genutzt wird.“

Natürlich sei Fußball ohne Videoanaly­se möglich, sagt der Salzburger. „Man kann sich auch

ungesund ernähren und Fußball spielen.“Aber wenn man profession­ell etwas entwickeln möchte, werde man darauf nicht verzichten wollen. Ösen: „Es ist ein

wichtiger Baustein, den man im Spitzenber­eich nicht weglassen sollte.“

 ?? BILD: SN/IMAGO/MOTIVIO ?? Ohne Videoanaly­se läuft gar nichts mehr im Spitzenfuß­ball, auch bei der EURO der Frauen.
BILD: SN/IMAGO/MOTIVIO Ohne Videoanaly­se läuft gar nichts mehr im Spitzenfuß­ball, auch bei der EURO der Frauen.
 ?? ??
 ?? BILD: SN/GEPA ?? Stefan Ösen
BILD: SN/GEPA Stefan Ösen

Newspapers in German

Newspapers from Austria