Alpe d’Huez: 21 Kehren in den Radsport-Himmel
Vor dem Tour-Höhepunkt am französischen Nationalfeiertag verliert Tadej Pogačar sein Gelbes Trikot.
21 Kehren, die in verkehrter Reihenfolge nummeriert sind, ein exakt 13,8 Kilometer langer
Anstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von 8,1 Prozent und entlang der Serpentinen bis zu eine
halbe Million Fans: Das sind die Fakten zum Höhepunkt der Tour de France, der Bergankunft in Alpe d’Huez. Die Etappe ist nicht zufällig am heutigen französischen Nationalfeiertag eingeplant und wird auch das Highlight der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt – und vielleicht auch eine Vorentscheidung bringen.
Dabei: Die Auffahrt in den gesichtslosen Wintersport-Retortenort wurde eigentlich sehr spät für den Radsport entdeckt. 1952 fuhr
man erstmals nach Alpe d’Huez, um ein neues Element zu testen: die
Bergankunft. Fausto Coppi gewann die Premiere, doch die Begeisterung
unter Fahrern und Reportern hielt sich in engen Grenzen. Den Sinn
von Bergankünften wollte damals keiner so recht erkennen. Erst 1976 kam die Tour wieder auf die Kehren, die heute aus dem Radsport nicht mehr wegzudenken sind.
Das hat auch mit dem Italiener Marco Pantani zu tun. Er machte sich auf dem genau 13,8 km langen
Aufstieg sportlich unsterblich, die Strecke absolvierte er im Jahr 1995 in der Rekordzeit von 36:50 Minuten – schneller war seither niemand mehr.
Alpe d’Huez ist aber auch der höchste Berg der Niederländer. Warum die niederländischen Radfans ausgerechnet hier ihre Idole so anfeiern, ist nicht ganz klar, doch
längst gibt es hier den eigenen „Dutch Corner“: Kehre sieben ist
ganz in der Hand der Oranjes. Wer an der Strecke einen Platz ergattern
will, der sollte schon ein bis zwei Tage vorher da sein – und auch einen Tag für die Abreise einplanen. Denn die bis zu 500.000 Zuschauern
müssen die enge Bergstraße
nach dem Rennen auch wieder retour, was viele Stunden dauern kann.
Auch die Ausgangslage könnte heuer kaum spannender sein: Der
bis dato unantastbare Slowene Tadej Pogačar musste Mittwoch erstmals Federn lassen. Wie erwartet wurde er von den Teams JumboVisma (Jonas Vingegaard) und Ineos (Geraint Thomas) ständig unter Druck gesetzt, sein nach drei Corona-Ausfällen gehandicaptes Team UAE konnte Pogačar kaum helfen. Das machte sich sich am Schlussanstieg bemerkbar, Pogačar brach
nach einer Attacke seines schärfsten Verfolgers Vingegaard völlig ein. Der Däne übernahm mit einem Solosieg das Gelbe Trikot und liegt nun sogar 2:26 Minuten vor Pogačar, der nur noch Dritter ist.
„Ich kann es noch nicht glauben. Davon habe ich immer geträumt“,
meinte Vingegaard. „Wir haben viel Risiko genommen, aber ich hätte das ohne meine Teamkollegen nie
geschafft. Jetzt geht der Kampf um das Gelbe bis Paris weiter.“