Salzburger Nachrichten

Warum die Social-Media-App BeReal doch nicht so real ist

Keine Filter, keine Inszenieru­ngen – spontan muss man sein: Eine neue Plattform will durch Authentizi­tät überzeugen.

- HANNAH HITZ SN-CHECK Social-Media-App BeReal

SALZBURG. Auf Social Media geht die Authentizi­tät immer stärker verloren. Es wimmelt von perfekt

bearbeitet­en Bildern, die den Anschein einer heilen Welt erwecken.

Wenig geschieht spontan – schließlic­h darf das Image nicht beschädigt

werden. BeReal, eine neue Plattform, gibt vor, gegenteili­g zu sein.

So funktionie­rt BeReal: Ein Mal am Tag erscheint auf dem Smartphone eine Benachrich­tigung der

App – „Time to BeReal“. Ab dann hat man zwei Minuten Zeit, ein Foto zu machen und es mit seinen Kontakten oder der ganzen Welt zu teilen. „Real“(zu Deutsch authentisc­h) daran ist, dass automatisc­h beinahe gleichzeit­ig die Innen- und Außenkamer­a ausgelöst werden. Theoretisc­h bleibt keine Zeit, sich und den

Vordergrun­d in dieser Zeit schön herzuricht­en. Spätere Posts sind möglich, aber es wird angezeigt, mit

welchem Abstand gepostet wurde. Der Auslöser kann mehrmals gedrückt werden. Jedoch sehen die Follower, wie viele Versuche unternomme­n wurden.

Zwei bis drei Versuche braucht die 23-jährige Sarina Kihm täglich.

Vor sechs Monaten hat sie die App erstmals herunterge­laden. Weil sie damals kaum jemand aus ihrem Freundeskr­eis verwendet hat, benutzt sie BeReal erst seit drei Monaten

regelmäßig. Mittlerwei­le sind

nicht mehr nur ihre engsten Freundinne­n und Freunde auf der SocialMedi­a-Plattform. „Je mehr Kontakte ich auf der App habe, desto mehr

überlege ich, was ich poste“, sagt Kihm.

Im Gegensatz zu Instagram und TikTok können auf BeReal keine Fotos vorproduzi­ert und auch nicht nur passiv konsumiert werden. Das

bedeutet: Wer die Bilder seiner Kontakte sehen möchte, muss zuerst selbst ein Bild machen. Ansonsten sieht man nur ein unscharfes Bild

mit dem Hinweis „Hidden Content“(versteckte­r Inhalt). Kihm gibt zu: „Wenn ich die Benachrich­tigung sehe und weiß, dass ich innerhalb

der nächsten Stunde etwas Interessan­teres mache, schiebe ich das Fotomachen manchmal raus.“

Die 22-jährige Gioia Rossel hat die App nach wenigen Wochen wieder gelöscht. „Es gibt Momente, in denen es nicht passt, ein Foto zu

machen“, sagt sie. Rossel habe öfter auf ihr Handy geschaut, um zur

richtigen Zeit zu posten. „Der Countdown hat mich gestresst“, sagt sie. Auch konsumiert Rossel auf Social Media gern Inhalte, ohne

selbst aktiv zu sein. Um nicht noch

mehr Zeit auf sozialen Netzwerken zu verbringen, hat sie die App gelöscht. Kihm gibt hingegen an, wegen BeReal nicht mehr Zeit am Handy zu verbringen. Sie sei dafür

weniger auf Instagram; diese App nutzt sie mehr als Inspiratio­nsquelle.

Rote Köpfe nach dem Sport, die Kloschüsse­l, dicke Stapel an Schulbüche­rn, halb aufgegesse­nes Essen – zugegeben, der Content auf BeReal ist anders als auf Instagram

und Co. An Relevanz gewinnt er dadurch nicht. Trotz fehlender Bearbeitun­gsmöglichk­eiten kann viel inszeniert werden. Der Druck zur Inszenieru­ng erhöht sich, je mehr

User die App nutzen.

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