Einmal China vorführen und zurück
Der Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan ist für Chinas Präsidenten Xi Jinping ein enormer Gesichtsverlust. Er tobte – ohne Folgen.
Es läuft nicht gut für Xi Jinping. 2022 sollte ein Jahr des Triumphs für den chinesischen Präsidenten werden. Zuerst die Überwindung der Pandemie, dann die Olympischen Spiele und im Herbst die Verlängerung seiner Amtszeit um weitere fünf Jahre. Doch es kam ganz anders.
Olympia in Quarantäne, die Rückkehr der Pandemie und der Lockdowns, der Einbruch der Wirtschaft und jetzt auch noch die Blamage in Taiwan.
Der Gesichtsverlust durch die Reise der US-Demokratin Nancy Pelosi nach Taiwan ist für Xi Jinping enorm. Er ist ein Gefangener seiner eigenen Rhetorik
geworden – ein Hund, der bellt, der aber nicht beißt. „Wer mit dem Feuer spielt, wird darin umkommen“– Sätze wie diese ließen die Welt kurz erschaudern.
Doch weder fiel ein Schuss noch floss Blut während des Pelosi-Besuchs.
Noch einmal gut gegangen, könnte man meinen. Aber das wäre zu kurz gedacht, denn China hat Taiwan weitere Daumenschrauben angelegt, Sanktionen verhängt, Militärmanöver mit scharfer Munition laufen. Rund um Taiwan ist die Gefahr einer irrtümlichen Eskalation wegen der vielen Waffensysteme auf engstem Raum enorm gestiegen.
Noch scheut Peking die direkte militärische Konfrontation mit den USA, aber alle Entscheidungen in
China konzentrieren sich immer mehr auf eine
Person: Xi Jinping. Bisher galt er als zielstrebiger und effizienter Machtmensch, aber nicht als emotionaler
Hitzkopf. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass aus Xi plötzlich ein Putin wird, dass er doch noch die Invasion Taiwans befiehlt.
Die Bevölkerung von Taiwan muss seit Jahrzehnten mit dieser Gefahr leben, Nancy Pelosi dürfte mit ihrem riskanten Besuch aber vielen Taiwanesinnen
und Taiwanesen das Gefühl vermittelt haben, dass es die USA tatsächlich ernst meinen mit ihrer Unterstützung im Fall eines chinesischen Angriffs.
Die aggressiven Drohungen Chinas und die vielen Kriegsgeräte rund um Taiwan haben der ganzen Welt Bange gemacht. Sie wurde letztendlich auch unsicherer. Nancy Pelosis Reise nach Taiwan hat das nicht ausgelöst, aber für alle sichtbar gemacht.
Wir alle sind Taiwan – und China ist überall. Die Taiwan-Krise ist nicht nur ein regionaler Konflikt, sie ist auch stellvertretend für die weltweite Auseinandersetzung zwischen Diktatur und Demokratie. Sich
in dieser gefährlichen Welt zu behaupten, das wird schwierig für die liberalen Demokratien. Und wahrscheinlich auch schmerzhaft.