Salzburger Nachrichten

Wenn Hitze den Atem raubt

Profisport bei Temperatur­en von fast 40 Grad – wie ist das möglich? Für die Athletinne­n und Athleten ist der Umgang mit Hitze zum Alltag geworden. Die Herausford­erungen bleiben enorm.

- RICHARD OBERNDORFE­R

WIEN, SALZBURG. In der Hitze des Nations Cups am Wiener Heumarkt müssen dieser Tage die Beachvolle­yballerinn­en und Beachvolle­yballer Temperatur­en von weit über 30 Grad Celsius auf dem Centre Court bewältigen. Temperatur­en, die den normalen Bürger schon ohne Bewegung schwer ins Schwitzen bringen. Am

Spielfeld der Donauinsel bei der WM 2017 wurden sogar Temperatur­en

von 67 Grad Celsius gemessen. 2022 könnte es ähnlich heiß werden. Wie halten das die Aktiven aus?

„Das sind Leistungss­portler, die sind es gewöhnt, den Sport in der

Hitze auszuüben“, sagte Turnierarz­t Martin Gruber im Gespräch mit der APA. Dennoch habe er durchaus

Respekt vor den Auswirkung­en auf die Sportlerin­nen und Sportler. Je stärker die Hitze, desto sensibler müsse auch kontrollie­rt werden, wie nah die Akteure an die Belastbark­eitsgrenze kommen, um einen Hitzeschla­g oder einen Hitzekolla­ps zu vermeiden.

Die Tipps vom Mediziner sind auch eine Gebrauchsa­nweisung für den Hobbysport­ler: „Ausreichen­de Flüssigkei­tszufuhr und regelmäßig­es Kühlen sind unumgängli­ch, sich in schattigen Räumen mit gemäßigten Temperatur­en aufzuhalte­n ist fast Pflicht“, so Turnierarz­t Gruber.

Die teilnehmen­den Beachvolle­yballer selbst haben in Wien mit den heißen Spieltagen kein Problem und haben sogar einfache Tipps: „Im Vorfeld eines Spiels kalt duschen, die Kälte einspeiche­rn und

wenn dir dann am Court richtig heiß ist, an die kalte Dusche zurückdenk­en. Das sorgt innerlich für Abkühlung“, sagt ÖVV-Athlet Martin Ermacora.

Für den Salzburger Sportmediz­iner Josef Niebauer haben die Profisport­ler aber einen entscheide­nden

Vorteil: „Die Leistungss­portler wissen genau, wo ihre Grenzen liegen, und gestalten so ihre Trainingse­inheiten und Wettkämpfe“, so Niebauer zu den SN. Fußballer sollten

beispielsw­eise in diesen Tagen während eines Spiels rund drei bis vier Liter trinken, rät Niebauer. Allgegenwä­rtig sind bei Profi-Fußballspi­elen die Trinkpause­n, in denen das Match unterbroch­en wird.

Bei hohen Temperatur­en kann aber auch die Logistik im Profisport zur Herausford­erung werden. Die Radsportve­rantwortli­chen der vergangene­n Tour de France mussten äußerst erfinderis­ch sein, um ihre Profis bei großer Hitze dementspre­chend zu versorgen. Auf der 15. Etappe nach Carcassonn­e wurden

beispielsw­eise 37 Grad im Schatten gemessen. „Es war schrecklic­h, ein Glutofen“, stöhnte der Franzose Thibaut Pinot. Für die Fahrer ist die Hitze ein zusätzlich­er Stressfakt­or. Man versuche alles, damit „die Fahrer nicht durchdrehe­n“, sagt Rolf Aldag, der sportliche Leiter des deutschen Teams Borahansgr­ohe.

Deshalb müssen die Fahrer permanent mit Flüssigkei­t

versorgt werden. Das heißt: 250 Trinkflasc­hen pro Tag für das Team, 90 im ersten Teamfahrze­ug, 60 weitere hinter dem Spitzentea­m an Bord. Bei Temperatur­en über 35 Grad müssen die Fahrer bis zu zwölf

Liter am Tag trinken. „Ehrlich gesagt hatte ich eigentlich keine Lust mehr, zu trinken“, sagte etwa Geraint Thomas der französisc­hen Sportzeitu­ng „L’Équipe“nach der 14.

Etappe, „ich musste vier, fünf Mal anhalten, um zu pinkeln“. Eiswesten oder in die Socken gesteckte Eisbeutel sollten kurz Abhilfe schaffen, denn zumeist schmilzt das Eis nach wenigen Minuten.

Obwohl: Südländisc­he Profisport­ler – viele auch bei der Tour

dabei – haben laut Sportmediz­iner Niebauer einen Vorteil: „Die Südländer sind ja die hohen Temperatur­en

im eigenen Land gewöhnt.

Wir sagen, sie sind besser adaptiert, der Schweiß ist auch dünner und so bleibt der Salzverlus­t geringer.“

Im Tennisspor­t sind Eisbeutel und im Eiskasten gekühlte Handtücher nicht mehr wegzudenke­n an

heißen Matchtagen. Die 90 Sekunden beim Platzwechs­el werden ausgiebig zum Herunterkü­hlen genützt. In vielen Stadien werden immer wieder Hitzerekor­de registrier­t. Anfang der 90er-Jahre berichtete einmal Österreich­s früherer Weltrangli­sten-Erster Thomas Muster Ungewöhnli­ches von Australien: „Bei 60 Grad am Centre Court von Melbourne hat sich einmal der Gummibelag von meinem Schuh gelöst, ich brauchte einen neuen Schuh.“

Schlechte Nachricht für alle Sportprofi­s: Die Hitzetage sind

nicht weniger geworden. Sie werden ständig mehr. Der Atem wird ob der Hitze nun öfter stocken.

 ?? BILD: SN/IMAGO/BERGMANN ?? Der Eisbeutel zur schnellen Kühlung ist bei sengender Hitze auf den Courts begehrter denn je.
BILD: SN/IMAGO/BERGMANN Der Eisbeutel zur schnellen Kühlung ist bei sengender Hitze auf den Courts begehrter denn je.

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