Wenn Hitze den Atem raubt
Profisport bei Temperaturen von fast 40 Grad – wie ist das möglich? Für die Athletinnen und Athleten ist der Umgang mit Hitze zum Alltag geworden. Die Herausforderungen bleiben enorm.
WIEN, SALZBURG. In der Hitze des Nations Cups am Wiener Heumarkt müssen dieser Tage die Beachvolleyballerinnen und Beachvolleyballer Temperaturen von weit über 30 Grad Celsius auf dem Centre Court bewältigen. Temperaturen, die den normalen Bürger schon ohne Bewegung schwer ins Schwitzen bringen. Am
Spielfeld der Donauinsel bei der WM 2017 wurden sogar Temperaturen
von 67 Grad Celsius gemessen. 2022 könnte es ähnlich heiß werden. Wie halten das die Aktiven aus?
„Das sind Leistungssportler, die sind es gewöhnt, den Sport in der
Hitze auszuüben“, sagte Turnierarzt Martin Gruber im Gespräch mit der APA. Dennoch habe er durchaus
Respekt vor den Auswirkungen auf die Sportlerinnen und Sportler. Je stärker die Hitze, desto sensibler müsse auch kontrolliert werden, wie nah die Akteure an die Belastbarkeitsgrenze kommen, um einen Hitzeschlag oder einen Hitzekollaps zu vermeiden.
Die Tipps vom Mediziner sind auch eine Gebrauchsanweisung für den Hobbysportler: „Ausreichende Flüssigkeitszufuhr und regelmäßiges Kühlen sind unumgänglich, sich in schattigen Räumen mit gemäßigten Temperaturen aufzuhalten ist fast Pflicht“, so Turnierarzt Gruber.
Die teilnehmenden Beachvolleyballer selbst haben in Wien mit den heißen Spieltagen kein Problem und haben sogar einfache Tipps: „Im Vorfeld eines Spiels kalt duschen, die Kälte einspeichern und
wenn dir dann am Court richtig heiß ist, an die kalte Dusche zurückdenken. Das sorgt innerlich für Abkühlung“, sagt ÖVV-Athlet Martin Ermacora.
Für den Salzburger Sportmediziner Josef Niebauer haben die Profisportler aber einen entscheidenden
Vorteil: „Die Leistungssportler wissen genau, wo ihre Grenzen liegen, und gestalten so ihre Trainingseinheiten und Wettkämpfe“, so Niebauer zu den SN. Fußballer sollten
beispielsweise in diesen Tagen während eines Spiels rund drei bis vier Liter trinken, rät Niebauer. Allgegenwärtig sind bei Profi-Fußballspielen die Trinkpausen, in denen das Match unterbrochen wird.
Bei hohen Temperaturen kann aber auch die Logistik im Profisport zur Herausforderung werden. Die Radsportverantwortlichen der vergangenen Tour de France mussten äußerst erfinderisch sein, um ihre Profis bei großer Hitze dementsprechend zu versorgen. Auf der 15. Etappe nach Carcassonne wurden
beispielsweise 37 Grad im Schatten gemessen. „Es war schrecklich, ein Glutofen“, stöhnte der Franzose Thibaut Pinot. Für die Fahrer ist die Hitze ein zusätzlicher Stressfaktor. Man versuche alles, damit „die Fahrer nicht durchdrehen“, sagt Rolf Aldag, der sportliche Leiter des deutschen Teams Borahansgrohe.
Deshalb müssen die Fahrer permanent mit Flüssigkeit
versorgt werden. Das heißt: 250 Trinkflaschen pro Tag für das Team, 90 im ersten Teamfahrzeug, 60 weitere hinter dem Spitzenteam an Bord. Bei Temperaturen über 35 Grad müssen die Fahrer bis zu zwölf
Liter am Tag trinken. „Ehrlich gesagt hatte ich eigentlich keine Lust mehr, zu trinken“, sagte etwa Geraint Thomas der französischen Sportzeitung „L’Équipe“nach der 14.
Etappe, „ich musste vier, fünf Mal anhalten, um zu pinkeln“. Eiswesten oder in die Socken gesteckte Eisbeutel sollten kurz Abhilfe schaffen, denn zumeist schmilzt das Eis nach wenigen Minuten.
Obwohl: Südländische Profisportler – viele auch bei der Tour
dabei – haben laut Sportmediziner Niebauer einen Vorteil: „Die Südländer sind ja die hohen Temperaturen
im eigenen Land gewöhnt.
Wir sagen, sie sind besser adaptiert, der Schweiß ist auch dünner und so bleibt der Salzverlust geringer.“
Im Tennissport sind Eisbeutel und im Eiskasten gekühlte Handtücher nicht mehr wegzudenken an
heißen Matchtagen. Die 90 Sekunden beim Platzwechsel werden ausgiebig zum Herunterkühlen genützt. In vielen Stadien werden immer wieder Hitzerekorde registriert. Anfang der 90er-Jahre berichtete einmal Österreichs früherer Weltranglisten-Erster Thomas Muster Ungewöhnliches von Australien: „Bei 60 Grad am Centre Court von Melbourne hat sich einmal der Gummibelag von meinem Schuh gelöst, ich brauchte einen neuen Schuh.“
Schlechte Nachricht für alle Sportprofis: Die Hitzetage sind
nicht weniger geworden. Sie werden ständig mehr. Der Atem wird ob der Hitze nun öfter stocken.