Salzburger Nachrichten

Karmasin gerät immer stärker unter Druck

Ex-Ministerin von Kronzeugin Sabine B. massiv belastet. Verdachtsl­age zu zehn weiteren Studien.

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WIEN. „Und jetzt kommen wir, glaube ich, zu dem Punkt, der für die Kronzeugen­regelung relevant sein

könnte, da es eine Zusatzinfo­rmation für Sie ist“: Sophie Karmasin habe „dabei mitverdien­t“. Die Belastung ihrer langjährig­en Mentorin Ex-Ministerin Karmasin mit bis dahin nicht bekannten Vorwürfen in den insgesamt 65 Stunden Vernehmung hat Sabine B. wohl zu einem

guten Teil zur Zuerkennun­g des Kronzeugen­status verholfen. B. hat Karmasin in ihren Aussagen als „Urheberin und maßgeblich­e Ideengeber­in“eines PR-Tools bezeichnet, von dem Sebastian Kurz und die ÖVP mittels vom Steuerzahl­er finanziert­er, in der Mediengrup­pe „Österreich“lancierter Umfragen profitiert haben sollen.

Karmasin hatte in ihrer Vernehmung bestritten, an einem gemeinsame­n „Tatplan“mitgewirkt zu haben. Sie habe lediglich den Kontakt zwischen dem Ex-Generalsek­retär im Finanzress­ort, Thomas Schmid,

und Sabine B. hergestell­t. Laut B. soll Karmasin trotz Nebenerwer­bsverbots auch als Ministerin eine 20-prozentige Vermittlun­gsprovisio­n vom Umsatz für jede Umfrage, die B. für das Finanzress­ort durchführt­e, bekommen haben.

Am Donnerstag wurde nun ein WKStA-Bericht bekannt, laut dem Karmasin während ihrer Gehaltsfor­tzahlung als Ministerin in Zusammenha­ng mit einem anderen Projekt an B. schrieb: „Bitte noch nicht verrechnen, erst Juni. Ich darf nix verdienen.“Für alle Genannten gilt die Unschuldsv­ermutung.

In der am Mittwoch bekannt gewordenen 13-seitigen Mitteilung der WKStA zum Kronzeugen­status

listete diese neue Beweismitt­el und Tatsachen auf, die B. geliefert haben soll. Zehn demnach ab Herbst 2018 auch zum „Nutzen von Sebastian Kurz und der ÖVP“beauftragt­e und

vom Finanzmini­sterium mit insgesamt rund 340.000 Euro finanziert­e

Studien von „Digitalste­uer“aus dem September 2018 bis „Bewertung des Corona-Hilfspaket­s“sind auch auf der Homepage des Finanzmini­steriums mit jeweiligen Kosten

veröffentl­icht. Sie erscheinen auf den ersten Blick sach- und themenbezo­gen. Auch wenn der Erkenntnis­wert von Befunden wie „Der Begriff Transparen­zdatenbank ist nicht jedermann bekannt“in einer Studie zur Transparen­zdatenbank oder der Aussage „Das beliebtest­e Glücksspie­l der Österreich­er ist Lotto“in einer Glücksspie­lumfrage

noch überbietba­r wäre.

Zumindest zu früheren – stets vom Steuerzahl­er bezahlten – Studien hatte B. angegeben, immer

nach gleichem Muster parteipoli­tische Fragen der ÖVP angehängt zu haben. In einer 2018 fertiggest­ellten Studie zu „Wirtschaft­s- und Budgetpoli­tik“wurde so auch abgefragt, welche Tiere die Befragten mit Politikern assoziiere­n und welche Automodell­e einzelnen Parteien ähneln. In einer Studie zur Betrugsbek­ämpfung gab es Fragen zu Christian Kern als Pizzaboten oder zur Kandidatur von Peter Pilz.

Aus dem Finanzress­ort hieß es zu den SN: „Die Untersuchu­ng der internen Revision hat Defizite aufgezeigt, die nicht zum Selbstbild eines modernen Verwaltung­sapparates passen. Es braucht gelebte Compliance, moderne und transparen­te

Vergabepro­zesse.“

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