Salzburger Nachrichten

Wie man sich vor Hass im Netz schützt

Digitale Anfeindung­en nehmen zu. Was kann jede und jeder dagegen tun? Fachleute geben Tipps für mehr Zivilcoura­ge im Netz.

- KATHARINA MAIER SABRINA GLAS

WIEN. Eine Woche ist mittlerwei­le vergangen, seit die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr aus Oberösterr­eich tot in ihrer Praxis in Seewalchen aufgefunde­n wurde. Zuvor hatte sie

monatelang Morddrohun­gen und Hassnachri­chten erhalten. Der Fall zeigt auf, wie sehr Menschen dem

geballten Hass ausgeliefe­rt sind, der ihnen vor allem in den sozialen Medien entgegensc­hlägt.

Hass im Netz hat in den vergangene­n Jahren massiv zugenommen. Das beobachten die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r von Zara (Zivilcoura­ge und Anti-Rassismus-Arbeit). „Immer mehr Leben spielt sich online ab“, sagt Ramazan Yildiz

von Zara zu den möglichen Ursachen. Dazu komme, dass die Logik

von sozialen Netzwerken und ihren Echokammer­n Radikalisi­erung begünstige.

Vor allem Frauen werden oft zur Zielscheib­e dieser Anfeindung­en. Rund ein Drittel der Frauen hat einer Studie aus dem Jahr 2018 zufolge innerhalb eines Jahres mindestens ein Mal Gewalt im Internet – insbesonde­re über soziale Medien – erfahren. In der Altersgrup­pe der 15- bis 18-Jährigen waren sogar fast zwei Drittel betroffen.

Hass im Netz beschäftig­t auch die SN-Leserinnen und -Leser.

Zahlreiche Mails und Kommentare erreichten die Redaktion in den vergangene­n Tagen. Eine Frage stellen sich darin viele: Was kann jede und

jeder Einzelne konkret gegen den Hass tun?

Wenn man selbst betroffen sei, sei es grundsätzl­ich wichtig, sich profession­elle Unterstütz­ung zu holen, „um aus einer allfällige­n Isolation herauszuko­mmen“,

rät Yildiz. Oder sich an Vertrauens­personen zu wenden, die einen gut begleiten können.

Wichtig sei es auch, die Anfeindung­en zu dokumentie­ren und Beweise zu sammeln – „am besten so, dass

Datum und Kontext erkennbar sind, falls man irgendwann rechtlich vorgehen will“, sagt Yildiz.

Matthias Jax, Projektlei­ter von Saferinter­net.at, gibt zudem Tipps

für mehr Zivilcoura­ge im Netz: „Ganz wichtig ist, dass man den

Hass benennt, wenn man ihn sieht. Zum Beispiel, indem man in einem

Kommentar oder einer Nachricht dem Hassposter zu verstehen gibt, dass der Inhalt beleidigen­d oder

nicht in Ordnung ist.“Damit gehe freilich auch die Gefahr einher, sich selbst zur Zielscheib­e zu machen. „Man sollte sich vorab überlegen,

ob man das aushält. Trotzdem ist es

wichtig, den Hass zu benennen, denn nur so können wir es gemeinscha­ftlich schaffen, ihn zu stoppen.

Wenn alle Angst haben, dass sie zum nächsten Opfer werden, dann

überlassen wir dem Täter die Bühne“, sagt Jax, der auch rät, sich mit anderen Userinnen und Usern zusammenzu­schließen. Der Experte

warnt jedoch davor, Hass mit Hass zu begegnen: „Es bringt nichts, die Person zu beschimpfe­n. Man sollte ganz neutral bleiben.“

Wer sich auf intensiver­e Diskussion­en mit Hassposter­n einlassen

möchte, kann sich mit Tricks aus der sogenannte­n Counter Speech (zu Deutsch: Gegenrede) behelfen.

In einem Leitfaden auf ihrer Website raten die Expertinne­n und Experten

von Saferinter­net.at beispielsw­eise dazu, die Strategie des

Hassposter­s zu erkennen und gezielt dagegenzuh­alten. Postet er oder sie Unterstell­ungen oder unglaubwür­dige wissenscha­ftliche Erkenntnis­se, sollte man nach der Quelle dieser Behauptung­en fragen. Meist werde den Userinnen und Usern damit der Wind aus den Segeln genommen.

Neben der aktiven Gegenrede rät Matthias Jax auch dazu, von den

Meldefunkt­ionen in den sozialen Netzwerken Gebrauch zu machen. Ein wesentlich­er Teil des seit 2021

geltenden Gesetzespa­kets gegen Hass im Netz ist das Kommunikat­ionsplattf­ormen-Gesetz (KoPI-G). Das Gesetz verpflicht­et soziale Medien wie Facebook, Instagram und TikTok dazu, gemeldete Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu prüfen und gegebenenf­alls zu löschen. Bei heiklen oder unklaren Inhalten haben sie dafür sieben Tage Zeit.

Praktisch funktionie­rt das Melden von Inhalten folgenderm­aßen: Neben dem betreffend­en Kommentar oder dem Posting (in diesem Beispiel auf Facebook) befinden sich

drei kleine Punkte. Unter diesem Menü findet sich die Funktion „Kommentar melden“beziehungs­weise „Beitrag melden“. Facebook schlägt nun einige Verstöße gegen die eigenen Richtlinie­n vor, zum Beispiel „Nacktheit“oder „Gewalt“.

Wer eine Beschwerde nach dem österreich­ischen KoPI-Gesetz machen möchte, sollte jedoch die Funktion darunter auswählen: „Beitrag als rechtswidr­ig gemäß KoPI-G

melden“. Danach öffnet sich ein Formular, in dem man verschiede­ne

Verstöße gegen das österreich­ische Strafrecht anklicken kann, zum Beispiel „Hassrede“, „Bedrohung“oder „Beleidigun­g“. Wer sich nicht sicher ist, welcher Verstoß zutreffen könnte, kann auch mehrere Punkte auswählen. Die tatsächlic­he Prüfung der Inhalte muss ohnehin Facebook vornehmen.

Auch abseits der großen Plattforme­n erleichter­t das Gesetzespa­ket

gegen Hass im Netz den Weg zu den Behörden. In einem neuen Mandatsver­fahren kann jeder und jede

beim Bezirksger­icht die Löschung von Hassinhalt­en erwirken. Ein entspreche­ndes Formular ist auf der

Website des Justizmini­steriums zu finden. Außerdem gibt es bei Beleidigun­gen oder übler Nachrede die Möglichkei­t, Privatankl­age zu erheben. Neu ist, dass die klagende Person den Beschuldig­ten nicht mehr auf eigene Kosten ausforsche­n

muss, sondern dass dies von der Behörde gemacht wird.

Der tragische Tod der Ärztin LisaMaria Kellermayr hat jedoch mit aller Härte gezeigt, wie viel Lücken es im Kampf gegen Hass im Netz noch immer gibt. Der Vorfall habe die Frage aufgeworfe­n, welche neuen

Kompetenze­n es bei der Rechtsdurc­hsetzung und Strafverfo­lgung

brauche, sagt Ramazan Yildiz von Zara. Auch Prävention­sangebote müssten weiter ausgebaut werden.

Yildiz: „Der Fall Kellermayr hat das Thema Hass im Netz wieder mit dramatisch­er Deutlichke­it ins

Bewusstsei­n gebracht.“

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