Bereits 2500 Meldungen wegen gefährlicher Drohung
Facebook veröffentlicht neuen Transparenzbericht – andere Social-Media-Plattformen tun es trotz Gesetz nicht.
WIEN. Welche Verantwortung tragen (soziale) Medien im Kampf gegen Hetze und Hass? Angesichts der Umstände rund um den Tod von Lisa-Maria Kellermayr hat die Frage massiv an Bedeutung gewonnen.
Rechtlich ist die Lage klar: Seit 2016 das Strafrecht erweitert wurde, kann sogenannte Cyberkriminalität gezielter gestraft werden
und gilt als Offizialdelikt. Mit dem Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPl-G) wurden Betreiber in die Pflicht genommen, gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen.
Außerdem müssen sie halbjährlich der Kommunikationsbehörde Austria
(KommAustria) Transparenzberichte vorlegen, wenn sie mehr als eine Million registrierte Nutzerinnen haben. Darin steht, wie viele Meldungen eingegangen sind, wie viele Inhalte gelöscht oder gesperrt wurden und wie viele Personen mit der Prüfung beschäftigt sind. Vor wenigen Tagen veröffentlichte Facebook seinen dritten Bericht: Zwischen Jänner und Juli 2022 wurden in Österreich 6386 Inhalte wegen
Verhetzung gemeldet, 2513 wegen gefährlicher Drohung, 7481 wegen Beleidigung. Von den insgesamt 38.193 Inhalten wurden 2769 gelöscht oder gesperrt, etwas mehr als sieben Prozent. Von den sieben Plattformen, die dem KoPl-G unterliegen, meldeten bisher sechs an die KommAustria. Der Ausreißer heißt Twitter. Konsequenzen hat das bisher
keine. Hintergrund ist, dass die Social-Media-Plattformen gegen das österreichische Gesetz geklagt haben. „Wir unterstützen das Ziel, Hass im Netz zu bekämpfen, deswegen halten wir uns vorsorglich an das Gesetz“, erklärt ein Sprecher
von Facebook. „Aber wir halten es nicht mit Unionsrecht vereinbar.“Österreich sei, gemeinsam mit Deutschland, auf nationaler Ebene
vorgeprescht, lautet der Vorwurf. Ob die Einführung des KoPl-Gesetzes mit EU-Recht konform war, entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH). „Deswegen hängen andere Verfahren in der Warteschleife“, erklärt Andreas Kunigk von der
KommAustria. Anfang Juli wurde der Digital Services Act (DSA) vom EU-Parlament verabschiedet. Formell muss noch der EU-Rat zustimmen, bevor die einheitliche Regelung in allen EU-Staaten gilt. Das
wird vermutlich im Herbst passieren. Ein Ausreißer der anderen Art ist der Nachrichtendienst Telegram. Es ist selbst für Behörden nicht möglich, einen Kontakt herzustellen. Es gibt zwar ein internationales Firmenverzeichnis in Dubai, von dort kamen Dokumente der KommAustria postwendend retour. „Wir werden Telegram einfach
nicht habhaft“, sagt Kunigk. Also
wurde das Verfahren, das gegen Telegram in Abwesenheit eröffnet
wurde, auf der Website der KommAustria veröffentlicht. Erwartungsgemäß erfolgte keine Reaktion. Auch die deutschen Behörden
versuchen die Verantwortlichen hinter Telegram ausfindig zu machen und erhöhen offiziell den
Druck. Das wünscht sich Ingrid Brodnig von Österreichs Regierung. „Gerade auf Telegram werden
Feindbilder geschaffen“, begründet die Autorin die Dringlichkeit. Da Telegram fast nie eingreift, tummeln sich hier besonders viele Radikalisierte. Gegen die verstorbene Ärztin Kellermayr wird nach ihrem Ableben weiter auf Telegram gehetzt.