Popstars klagen über Brexit-Folgen
Im Festivalsommer bekommen Musiker die Hürden nach dem Austritt zu spüren. Nun kommt das Thema im Parlament an.
LONDON. Für viele internationale Bands ist es fast ein Sommer wie früher: Nach zwei Pandemiejahren mit Konzertabsagen und -verschiebungen ist der Tourzirkus heuer wieder voll zurückgekehrt. Britische Musikerinnen und Musiker bekommen allerdings im florierenden Konzertsommer 2022 erstmals auch die Folgen des EU-Austritts stark zu spüren. Vor Auftritten im
Ausland haben sie mit großen bürokratischen Hürden zu kämpfen.
„Der Herzschlag und die Zukunft unserer lebendigen Branche drohen in Dover stecken zu bleiben“, sagte Pop-Legende Elton John kürzlich in einer Befragung. Denn was lange Zeit Alltag für britische Künstler war, nämlich das Touren vor dem riesigen Publikum in Europa, ist keine Selbstverständlichkeit mehr. So musste die Londoner
Rockband White Lies heuer im
April in letzter Minute ein Konzert in Paris absagen: Die Musiker waren zwar angereist, aber ihre Instrumente hatten es wegen bürokratischer Brexit-Hürden nicht rechtzeitig über die Grenze geschafft. „Es
bricht uns das Herz, in dieser wundervollen Stadt zu sein, aber nicht auftreten zu können wegen einer
solchen Banalität“, schrieben sie
auf Twitter. Andere Bands klagten über ähnliche Probleme.
In diesem Sommer, wo sich wegen Brexit-Passkontrollen am Hafen von Dover Urlauberautos und Lastwagen stauen, ist auch das Risiko, als Nachwuchstalent dort stecken zu bleiben, durchaus wörtlich zu
nehmen. Doch auch bevor eine Band überhaupt in ihren Tourbus steigt, sind Hindernisse zu überwinden.
So sind manche Fahrzeuge aus Großbritannien nicht mehr auf
Touren in Europa zugelassen. Oft sind auch Arbeitsgenehmigungen in EU-Ländern ein Problem: Musiker dürfen in vielen Fällen nur noch eine begrenzte Zahl an Tagen im EU-Ausland arbeiten, Sondergenehmigungen kosten Mühe und eine Menge Geld.
„Es ist eine Lose-lose-Situation“, sagt Jamie Njoku-Goodwin, der für
den Verband UK Music die Interessen der Branche vertritt. Eigentlich
habe niemand ein Interesse daran, es Musikern möglichst schwer zu machen, auf Tour zu gehen. Im Gegenteil: Sowohl die EU als auch Großbritannien profitierten davon,
wenn möglichst viel Austausch vorhanden sei. Auch in Großbritannien seien die Visaregelungen – anders als bei anderen Branchen – für Musiker eigentlich kein kontroverses Thema. Trotzdem gibt es – abgesehen von einigen bilateralen Regelungen – keine Einigung zwischen London und Brüssel.
Immerhin: Mehr als 100 Vertreter des britischen Ober- und Unterhauses haben sich mittlerweile parlamentarisch damit befasst und in einem Bericht namens „Let the Music Move“Probleme und Lösungsvorschläge zusammengefasst, um die
britische Regierung zum Handeln aufzufordern. „Wir Briten sind gut in Sachen Musik. Ich meine, wirklich gut“, schreibt der Labour-Abgeordnete Kevin Brennan darin – und
lenkt das Augenmerk auf die britische Musikbranche als mächtigen
Wirtschaftsfaktor. Die Parlamentarier schlagen etwa finanzielle Unterstützung vor, damit Musiker die Zusatzkosten stemmen können.
Doch die zentrale Botschaft lautet: Großbritannien solle mit der EU zusammenarbeiten, um Kosten und
Hürden zu minimieren.