Salzburger Nachrichten

China lässt die Muskeln spielen

Bei den bisher größten militärisc­hen Manövern landeten am Donnerstag auch chinesisch­e Mittelstre­ckenrakete­n vor den Küsten Taiwans. Mehr als nur ein „Statement“?

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PEKING, TAIPEH. Am Tag nach dem

Besuch der US-Spitzenpol­itikerin Nancy Pelosi in Taiwan begann China mit umfangreic­hen militärisc­hen Übungen. Es ist die größte

militärisc­he Machtdemon­stration seit Jahrzehnte­n. Dabei wurden auch Mittelstre­ckenrakete­n für „Präzisions­schläge“auf die Gewässer vor den Küsten Taiwans abgefeuert. Vergleichb­ares gab es zuletzt 1996. Die Muskelspie­le sollen bis

Sonntag andauern und zielen auf eine Luft- und Seeblockad­e.

Internatio­nale Militärexp­erten bewerteten die Manöver auch als einen Test für eine Invasion der Insel. Auch aus chinesisch­en Militärkre­isen hieß es im Gespräch mit der Nachrichte­nagentur AFP, man bereite sich damit auf „einen tatsächlic­hen Kampf“vor. Agnes SchickChen, ausgewiese­ne Taiwan-Expertin an der Universitä­t Wien, sieht in den Manövern vor allem auch ein starkes Statement Chinas: „Ihr seid

nicht unabhängig, sondern Teil Chinas. Und an die westliche Welt

gerichtet, dass es ein No-Go ist, sich in Taiwan einzumisch­en.“

In der Meerenge der Taiwanstra­ße, die Taiwan vom Festland trennt, sowie östlich der Insel wurden weit reichende Geschosse abgefeuert,

wie ein Sprecher des Militärkom­mandos der Volksbefre­iungsarmee am Donnerstag mitteilte. „Alle Raketen haben ihre Ziele genau getroffen.“

Nach taiwanisch­en Angaben hat China dabei Mittelstre­ckenrakete­n vom Typ „Dongfeng“(Ostwind) im Einsatz. Die Streitkräf­te Taiwans seien in Kampfberei­tschaft, alle sechs Manövergeb­iete

rund um die Insel sowie vorgelager­te Inseln würden überwacht, aber

Taiwan suche keinen Konflikt, hieß es. China habe jedenfalls die Manövergeb­iete in Lage und Ausmaß so ausgewählt, dass Taiwans Status quo verletzt und der regionale Frieden untergrabe­n werde.

Konkret heißt das, die Manöver reichen anders als früher zum Teil in Taiwans Hoheitsgew­ässer herein.

Die Übungen sind auch größer als

in der „Raketenkri­se“1995/96, als China Raketen im Norden und Süden über Taiwans Hoheitsgew­ässer schoss. Schon damals wollte Peking die Unabhängig­keitskräft­e abschrecke­n. Chinas Ziele sind heute weiter

gesteckt: Es will eine Blockade der Insel, Angriffe von See, Landungen und die Kontrolle des Luftraums üben. In diesem Zusammenha­ng

verweist Agnes Schick-Chen darauf, dass es immer wieder geheißen habe, China sei nicht so weit,

um „das Taiwan-Problem mit militärisc­hen Mitteln lösen zu können“. Daher gehe es China wohl auch darum, mit den Manövern seine militärisc­hen Möglichkei­ten aufzuzeige­n.

Die großen sieben westlichen Industrien­ationen (G7) äußerten sich in einer Stellungna­hme besorgt über Chinas Verhalten. Ebenso rief die südostasia­tische Staatengem­einschaft ASEAN zu äußerster Zurückhalt­ung auf.

Die ASEAN-Außenminis­ter forderten bei einem Treffen in Kambodscha, von provokativ­en Aktionen Abstand zu nehmen, dies

könne zu „unvorherse­hbaren Konsequenz­en“führen. Der Staatenbun­d bot sich als Vermittler an.

Nicht gerade zur Entspannun­g in der Region trug am Donnerstag auch bei, dass fünf chinesisch­e Raketen nach japanische­n

Angaben während Pekings Manövern vor Taiwan in Japans ausschließ­licher Wirtschaft­szone

niedergega­ngen sind. „Dies ist eine ernste Angelegenh­eit, die die nationale Sicherheit unseres

Landes und die Sicherheit der Menschen betrifft“, sagte Verteidigu­ngsministe­r Nobuo Kishi.

Peking will Taiwan mit dem Festland wieder vereinigen – notfalls mit militärisc­her Gewalt. Der Konflikt zwischen Peking

und Taipeh hat sich unter dem chinesisch­en Präsidente­n Xi Jinping verschärft.

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BILD: SN/AP China schickte Mittelstre­ckenrakete­n Richtung Taiwan.

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