„Ich finde es gut, wenn sexuelle Belästigung auch benannt wird“
Schauspielerin Julia Stemberger ist in einem neuen Venedig-Krimi zu sehen – und spricht im SN-Interview über ihre Rolle, ihr Kunstverständnis und darüber, dass sie selbst #MeToo-Erlebnisse hatte.
SALZBURG. Ein verschwundenes Meisterwerk und der rätselhafte Tod eines Restaurators bilden den
Ausgangspunkt für den Krimi „Der Tod kommt nach Venedig“, der am Samstag um 20.15 Uhr auf ARD
läuft. Neben Alwara Höfels in der Hauptrolle als Anna Albrecht, die den Tod ihres Mannes aufklären
will, glänzt auch Julia Stemberger (57). Die Wiener Schauspielerin berichtet im SN-Interview über ihr Interesse für Kunstgeschichte, spricht darüber, warum Geld nicht glücklich macht – und wie froh sie über die #MeToo-Bewegung ist.
SN: Im Krimi geht es um einen
verschwundenen Botticelli und den Tod eines Restaurators. Hatten Sie schon vor dem
Dreh einen Bezug zu Malerei und Kunsthandel? Oder haben
Sie selber gar Renaissancekunst zu Hause an der Wand hängen?
Julia Stemberger: (lacht) Nein, um Gottes willen, das geht sich nicht aus. Ich gehe mir solche Gemälde im Museum anschauen. Denn ich muss etwas nicht besitzen, um es zu
bewundern. Aber ich fahre wahnsinnig gerne nach Rom und Florenz,
weil ich in die Welt dort so eintauchen kann. Und mich interessieren
Kunstwerke, eingebettet in ihren Herstellungskontext. Was hat die Menschen damals bewegt? Wie war das politische und soziale Umfeld in dieser Zeit? Und wer waren die
Auftraggeber? Das will ich besser verstehen.
Sie spielen die Rolle der Museumsdirektorin Alexandra von Reuten – die nur ja nicht in einen Skandal verwickelt werden will, aber auch nicht alles preisgibt. Wie zwielichtig ist diese Frau tatsächlich?
SN:
Na ja, da darf ich nicht allzu viel verraten … aber sie ist um eine sehr perfekte und glatte Oberfläche ihrer selbst bemüht. Und wenn ein Kunstwerk dieser Güte und Wichtigkeit verschwindet, ist das für ein Museum eine Katastrophe. Welche
Wellen hat das geschlagen, als in
Wien die Saliera verschwunden ist! Denn das ist die andere Seite der Medaille davon, wie sehr diese
Kunstwerke geschätzt werden. Sie sind ja in einem Maß einzigartig, dass das mit Geld nicht wirklich
wettzumachen ist. Denn Kunstwerke dieser Güte zeichnet aus, dass da etwas Ewiges drinnen ist. Wenn man diese Kunst nicht mehr sehen kann, hilft einem Geld nicht wirklich. Was mich dazu führt, dass einen Geld allein nicht glücklich machen kann. Im Leben zählen ja ganz andere Dinge – Freundschaft, Verständnis, Liebe, Gemütlichkeit … all diese Dinge haben ja überhaupt
nichts mit Geld zu tun. Ausnahme ist das Gefühl der Sicherheit, das auch Wohlbefinden schafft, das hat schon, so wie wir leben, mit einer finanziellen Absicherung zu tun. In
anderen Gegenden der Welt hat es nicht mit Geld zu tun, sondern damit, ob du genug zu fressen hast – in
Anlehnung an Brecht.
Zurück zum Film: Ist es Ihnen schwergefallen, sich in die Rolle hineinzuversetzen?
SN:
Nein. Aber ich habe zur Vorbereitung darauf recherchiert und viel
mit Kunsthistorikerinnen gesprochen. Denn ich interessiere mich sehr für Kunstgeschichte; ich war
von einem Besuch in Florenz vor einigen Jahren da sehr begeistert und
wollte mehr darüber wissen.
Wie haben Sie die Dreharbeiten in Venedig und Wien im Herbst 2021 erlebt? Inwieweit waren sie von der Pandemie beeinträchtigt?
Als freischaffende Schauspielerin habe ich in der Coronazeit hauptsächlich gedreht. Denn Lesungen oder Konzerte waren großteils abgesagt oder verschoben. Ich bin erst
vor wenigen Tagen beruflich nach Riga geflogen. Mir bleibt der Mund offen stehen, wenn ich sehe, dass dort alle ohne Masken unterwegs sind. Ich bin immer mit Maske unterwegs und bin PCR-getestet, weil ich mich und das jeweilige Projekt schützen will. Ich fand es während der Pandemie von den Produzenten
mutig, Produktionen zu planen und durchzuführen: Denn es war ein deutlicher Mehraufwand, alle Sicherheitsauflagen einzuhalten. Aber es wurde langsam zur Routine. Wir haben immer Wege gefunden.
SN:
Mittlerweile hat die #MeToo-Bewegung auch die österreichische Film- und Theaterszene erreicht. Hatten Sie in Ihrer Karriere schon selbst #MeToo-Erlebnisse?
Ich bin eine von den ganz, ganz vielen, die solche Dinge erlebt haben.
Aber wir hatten vor der #MeTooBewegung kaum Ansprechpartner. Ich finde es sehr gut, wenn das jetzt
nicht mehr ein Kavaliersdelikt ist, sondern wenn das auch als sexuelle Belästigung benannt wird. Und da
ich es selber erlebt habe, finde ich es sehr gut, dass es jetzt Stellen gibt,
wo man das als Betroffene deponieren kann und sich wer dafür zuständig fühlt. Denn das war ein derart um sich greifendes Phänomen; das konnte einfach so stattfinden! Ich hatte da auch unangenehme Erlebnisse; und es wäre fein gewesen,
wenn ich mich da vertrauensvoll an jemanden hätte wenden können und sagen können: Da findet ein Übergriff statt!