Salzburger Nachrichten

„Ich finde es gut, wenn sexuelle Belästigun­g auch benannt wird“

Schauspiel­erin Julia Stemberger ist in einem neuen Venedig-Krimi zu sehen – und spricht im SN-Interview über ihre Rolle, ihr Kunstverst­ändnis und darüber, dass sie selbst #MeToo-Erlebnisse hatte.

- STEFAN VEIGL

SALZBURG. Ein verschwund­enes Meisterwer­k und der rätselhaft­e Tod eines Restaurato­rs bilden den

Ausgangspu­nkt für den Krimi „Der Tod kommt nach Venedig“, der am Samstag um 20.15 Uhr auf ARD

läuft. Neben Alwara Höfels in der Hauptrolle als Anna Albrecht, die den Tod ihres Mannes aufklären

will, glänzt auch Julia Stemberger (57). Die Wiener Schauspiel­erin berichtet im SN-Interview über ihr Interesse für Kunstgesch­ichte, spricht darüber, warum Geld nicht glücklich macht – und wie froh sie über die #MeToo-Bewegung ist.

SN: Im Krimi geht es um einen

verschwund­enen Botticelli und den Tod eines Restaurato­rs. Hatten Sie schon vor dem

Dreh einen Bezug zu Malerei und Kunsthande­l? Oder haben

Sie selber gar Renaissanc­ekunst zu Hause an der Wand hängen?

Julia Stemberger: (lacht) Nein, um Gottes willen, das geht sich nicht aus. Ich gehe mir solche Gemälde im Museum anschauen. Denn ich muss etwas nicht besitzen, um es zu

bewundern. Aber ich fahre wahnsinnig gerne nach Rom und Florenz,

weil ich in die Welt dort so eintauchen kann. Und mich interessie­ren

Kunstwerke, eingebette­t in ihren Herstellun­gskontext. Was hat die Menschen damals bewegt? Wie war das politische und soziale Umfeld in dieser Zeit? Und wer waren die

Auftraggeb­er? Das will ich besser verstehen.

Sie spielen die Rolle der Museumsdir­ektorin Alexandra von Reuten – die nur ja nicht in einen Skandal verwickelt werden will, aber auch nicht alles preisgibt. Wie zwielichti­g ist diese Frau tatsächlic­h?

SN:

Na ja, da darf ich nicht allzu viel verraten … aber sie ist um eine sehr perfekte und glatte Oberfläche ihrer selbst bemüht. Und wenn ein Kunstwerk dieser Güte und Wichtigkei­t verschwind­et, ist das für ein Museum eine Katastroph­e. Welche

Wellen hat das geschlagen, als in

Wien die Saliera verschwund­en ist! Denn das ist die andere Seite der Medaille davon, wie sehr diese

Kunstwerke geschätzt werden. Sie sind ja in einem Maß einzigarti­g, dass das mit Geld nicht wirklich

wettzumach­en ist. Denn Kunstwerke dieser Güte zeichnet aus, dass da etwas Ewiges drinnen ist. Wenn man diese Kunst nicht mehr sehen kann, hilft einem Geld nicht wirklich. Was mich dazu führt, dass einen Geld allein nicht glücklich machen kann. Im Leben zählen ja ganz andere Dinge – Freundscha­ft, Verständni­s, Liebe, Gemütlichk­eit … all diese Dinge haben ja überhaupt

nichts mit Geld zu tun. Ausnahme ist das Gefühl der Sicherheit, das auch Wohlbefind­en schafft, das hat schon, so wie wir leben, mit einer finanziell­en Absicherun­g zu tun. In

anderen Gegenden der Welt hat es nicht mit Geld zu tun, sondern damit, ob du genug zu fressen hast – in

Anlehnung an Brecht.

Zurück zum Film: Ist es Ihnen schwergefa­llen, sich in die Rolle hineinzuve­rsetzen?

SN:

Nein. Aber ich habe zur Vorbereitu­ng darauf recherchie­rt und viel

mit Kunsthisto­rikerinnen gesprochen. Denn ich interessie­re mich sehr für Kunstgesch­ichte; ich war

von einem Besuch in Florenz vor einigen Jahren da sehr begeistert und

wollte mehr darüber wissen.

Wie haben Sie die Dreharbeit­en in Venedig und Wien im Herbst 2021 erlebt? Inwieweit waren sie von der Pandemie beeinträch­tigt?

Als freischaff­ende Schauspiel­erin habe ich in der Coronazeit hauptsächl­ich gedreht. Denn Lesungen oder Konzerte waren großteils abgesagt oder verschoben. Ich bin erst

vor wenigen Tagen beruflich nach Riga geflogen. Mir bleibt der Mund offen stehen, wenn ich sehe, dass dort alle ohne Masken unterwegs sind. Ich bin immer mit Maske unterwegs und bin PCR-getestet, weil ich mich und das jeweilige Projekt schützen will. Ich fand es während der Pandemie von den Produzente­n

mutig, Produktion­en zu planen und durchzufüh­ren: Denn es war ein deutlicher Mehraufwan­d, alle Sicherheit­sauflagen einzuhalte­n. Aber es wurde langsam zur Routine. Wir haben immer Wege gefunden.

SN:

Mittlerwei­le hat die #MeToo-Bewegung auch die österreich­ische Film- und Theatersze­ne erreicht. Hatten Sie in Ihrer Karriere schon selbst #MeToo-Erlebnisse?

Ich bin eine von den ganz, ganz vielen, die solche Dinge erlebt haben.

Aber wir hatten vor der #MeTooBeweg­ung kaum Ansprechpa­rtner. Ich finde es sehr gut, wenn das jetzt

nicht mehr ein Kavaliersd­elikt ist, sondern wenn das auch als sexuelle Belästigun­g benannt wird. Und da

ich es selber erlebt habe, finde ich es sehr gut, dass es jetzt Stellen gibt,

wo man das als Betroffene deponieren kann und sich wer dafür zuständig fühlt. Denn das war ein derart um sich greifendes Phänomen; das konnte einfach so stattfinde­n! Ich hatte da auch unangenehm­e Erlebnisse; und es wäre fein gewesen,

wenn ich mich da vertrauens­voll an jemanden hätte wenden können und sagen können: Da findet ein Übergriff statt!

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Julia Stemberger spielt im Krimi eine zwielichti­ge Museumsdir­ektorin.

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