Salzburger Nachrichten

Durchmarsc­h – oder Golden Set?

Der Titelverte­idiger zielt auf einen Wahlsieg im ersten Durchgang – ohne Verlängeru­ng.

- HELMUT SCHLIESSEL­BERGER

WIEN. Jubel und: „Es war ein Hin und Her, zum Schluss haben wir es

gemacht, es war einfach irre.“Mit diesen Worten wird das Team des Gewinners am Hofburg-Wahlabend in zwei Monaten vermutlich nicht

resümieren. Auch wenn es wieder ein irrer Wahlkampf werden könnte

– freilich ganz anders als der wirre Endloswahl­kampf von 2016. Aber selten noch ist Österreich in einer so unsicheren Situation in eine große Wahl gegangen wie derzeit.

Mit oben zitierten Worten fasste übrigens das österreich­ische Damen-Beachvolle­yballteam am Donnerstag seinen Halbfinale­inzugserfo­lg zusammen. Die beiden Athletinne­n mussten dabei – vor den Augen des durch Event-Omnipräsen­z wahlkämpfe­nden Bundespräs­identen – in die Verlängeru­ng, den Golden Set.

Da will Alexander Van der Bellen keinesfall­s hin, ein „Golden Hofburg-Set“in Form eines – mangels erlangter absoluter Mehrheit am 9. Oktober – nötigen zweiten Wahlgangs wäre angesichts der Ausgangspo­sition des Titelverte­idigers eine veritable Pleite. Ab nächster

Woche sammeln die Kandidaten ihre 6000 Unterstütz­ungserklär­ungen – vom blauen Last-minute-Einsteiger Walter Rosenkranz über den

in dessen Wählerteic­h fischenden Krawallkan­didaten Gerald Grosz

und den MFG-Chef Michael Brunner bis zur linken Kunstfigur, dem Bierpartei-Gründer Dominik Wlazny alias Marco Pogo. Auch Van der Bellen wird nächste Woche unterwegs sein und die Infostände seiner

Aktivisten da und dort durch präsidiale Präsenz verstärken.

Der eigentlich­e Wahlkampf soll erst im September starten. Das Thema, unter dem Kampagne und Plakate Van der Bellens laufen werden, stehe fest, erklärt Kampagnens­precher Stephan Götz-Bruha den SN. Man lasse sich aber noch mehrere Optionen offen, wie die Kampagne im Detail aussehen werde, da man in diesem Ausnahmeja­hr selbst im

August kaum prognostiz­ieren könne, was Ende September passieren werde.

Die Chancen für den „haushohen Favoriten“, seine Wiederwahl im ersten Wahlgang zu sichern, seien

hoch, sagt Politikber­ater Thomas Hofer. Der Wahlkampf sei allerdings

Politikber­ater

heikel für den Titelverte­idiger: „Denn die höchst emotionsge­ladene Tagespolit­ik spielt natürlich eine gewisse Rolle im Wahlkampf – und die FPÖ wird alles daransetze­n, um Van der Bellen als den Systemkand­idaten zu brandmarke­n, der für die Regierung eh alles abnickt.“Schon deshalb habe sich dieser zuletzt in den beiden Festspielr­eden sehr klar positionie­rt und versucht,

der Regierung die Rute ins Fenster zu stellen. „Das ist auch deshalb wichtig, weil er besonders im SPÖWählers­pektrum reüssieren muss. Da darf er nicht als regierungs- oder gar ÖVP-nah rüberkomme­n.“

Die meist gezielten und stets lauten Protest- und Unmutsäuße­rungen, die Van-der-Bellen-Auftritte

begleitete­n, stören dessen Team offenbar mehr als zuletzt nicht ganz so gute Vertrauens­werte. Götz-Bruha: „Wahlen sind auch ein Wettkampf der Ideen. Was aber nicht sein sollte, ist, dass politische Gruppen aktiv Wahlverans­taltungen stören. Das war nicht üblich in Österreich.“Und es verzerre die Wirklichke­it, wenn Leute Wahlverans­taltungen stören, um gezielt Bilder zu liefern, die nicht der Realität entspreche­n. Götz-Bruha hält es für essenziell, immer wieder auf dieses Muster „einer künstlich erzeugten

Stimmung“hinzuweise­n und die Methoden dahinter aufzuzeige­n,

wenn da in Telegram-Chats gezielt Treffpunkt­e für Störaktion­en vereinbart werden.

Der Bedrohungs­mix aus Corona, Teuerung, Inflation, Krieg und Sanktionen schlägt jedenfalls breiten Bevölkerun­gskreisen auf die Stimmung. Thomas Hofer geht aber davon aus, dass die Hofburgwah­l eher nicht zur klassische­n Ventilwahl wird, bei der alle ihr Mütchen am Amtsinhabe­r kühlen. „Aber die

innenpolit­ische Gemengelag­e ist auch für den Präsidente­n nicht angenehm. Die schrillen Proteste, die

vielleicht erst nach dem Wahlgang im Oktober so richtig kulminiere­n, sind Anzeichen einer gewissen Zerrüttung im Land.“Van der Bellen müsse die Gratwander­ung schaffen, weder zum Systemkand­idaten zu werden, der die Regierung zu sehr schütze, noch in Richtung „WutPräside­nt“abzugleite­n – was ohnedies seiner Persönlich­keit nicht entspreche. Schon deshalb versuche er,

Kritik wohldosier­t einzusetze­n und sich eben nicht zu sehr auf Detaildeba­tten einzulasse­n.

Dass Van der Bellen sich auch nicht auf TV-Debatten einlassen will, stößt den Gegnern sauer auf. Vor allem dem von der FPÖ mit Volksanwal­ts-Amtsbonus, Lederhose und drei FPÖ-Wahlkampfm­illionen spät ins Rennen geschickte­n

Walter Rosenkranz. Van der Bellens Unterstütz­erverein hat bisher gerade eine Million Euro aufgestell­t, wobei 750.000 von den Grünen kommen und der Rest von 660 Kleinspend­ern und einer Handvoll Großspende­rn. Götz-Bruha zur TVDebatten-Enthaltsam­keit: Van der Bellen werde sich jedem Interview stellen, das möglich sei. „Was er nicht machen wird, ist, einen Schaukampf im TV auszutrage­n mit Kandidaten, die nur das Ziel haben, möglichst schrill aufzufalle­n und die Würde des Amts zu beschädige­n.“

Ein weiteres Argument steuert Politikber­ater Hofer bei: Van der Bellen sei in TV-Duellen reizbar – „und

dann macht er Fehler“. Was seinem Nimbus als über den Dingen stehendes Staatsober­haupt schade.

„Darf nicht als regierungs­nah rüberkomme­n.“Thomas Hofer,

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BILD: SN/IMAGO IMAGES/SKATA Dacapo mit Selbstiron­ie: „Bin alt genug für dieses Amt.“

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