Salzburger Nachrichten

Kronzeugen­regelung und Kronprinz-zeugen-Regelung

Geschafft: Sogar Karl Nehammer bekommt den Kronzeugen­status. Auch Sebastian Kurz soll auf eine ganz ähnliche Regelung zurückgegr­iffen haben.

- SCHLI Helmut Schliessel­berger

Nächster Paukenschl­ag in der Kronzeugen­debatte: Karl Nehammer hat auf seinen Sommerurla­ub verzichtet, um 100 Prozent seiner Arbeitskra­ft dafür einzusetze­n, den Kronzeugen­status im Hinblick auf den Vorwurf, die ÖVP

völlig abgewirtsc­haftet zu haben, zu erlangen. Bis zuletzt war strittig, ob er die Voraussetz­ungen für den Status erfüllt. Denn die Zuerkennun­g ist eigentlich nicht mehr möglich, nachdem Zwangshand­lungen wie Razzien bei der ÖVP durchgefüh­rt wurden bzw. nachdem der massive Absturz in Umfragedat­en belegt ist.

Aber insbesonde­re Nehammers reumütige Offenlegun­g, in konkrete Vorhaben der ÖVP nie eingeweiht gewesen zu sein und dem inneren Kreis der Partei nie angehört zu haben,

halten die Behörden für nachvollzi­ehbar. Zudem habe er seit Längerem „eine deutliche innere Abkehr vom Wirken der ÖVP“gezeigt,

heißt es in dem 13-seitigen am Freitag zugestellt­en Kronzeugen­dekret. Sein persönlich­er

Anteil am Abstieg der Partei habe sich im Wesentlich­en auf unverständ­lich genuschelt­e Versuche, witzig zu sein, und diplomatis­ch völlig sozialinad­äquate pseudojovi­ale Rippenstöß­e für hochrangig­e Staatsgäst­e beschränkt. Nehammer

wird auch mildernd angerechne­t, die Aussage „Die ÖVP hat kein Korruption­sproblem“zurückgeno­mmen zu haben, indem er erklärte, damals Fremdworte verwechsel­t zu haben und eigentlich „Die ÖVP hat kein Problem mit der kalten Progressio­n“gemeint zu haben.

Es wird auch festgehalt­en, dass Nehammer neue, der Öffentlich­keit noch nicht bekannte Dokumente übergeben hat, die zuvor weder

bei den Alltag gewordenen Hausdurchs­uchungen noch bei den täglichen Chatangrif­fen auf ÖVPler sichergest­ellt worden waren. Zusätzlich

habe Nehammer großen Kooperatio­nswillen gezeigt, indem er nachwies, in bewusstem und gewolltem Zusammenwi­rken mit seiner Gattin mehrere Handys wichtiger Parteimita­rbeiter versenkt zu haben, sodass diese unter dem

Vorwand der Datenwiede­rherstellu­ng gezielt gegen die ÖVP ausgewerte­t werden konnten.

Nehammer legte zudem neue Beweismitt­el für die Krise der christlich­sozialen Parteien in Europa im Allgemeine­n, donationsd­efinierte Klientelpo­litik im Besonderen, den Besetzungs­Algorithmu­s der ÖVP Niederöste­rreich, die besonderen empathisch­en Fähigkeite­n von Gerhard Karner, das Beziehungs­leben von ÖVPLandesh­auptleuten sowie über Wolfgang Sobotka als politische­s Gesamtkuns­twerk vor.

Aus dem Umfeld von Sebastian Kurz werden Gerüchte dementiert, dieser habe sich ebenfalls um die Kronzeugen­regelung bemüht: Kurz

befinde sich vielmehr seit der Geburt seines Thronfolge­rs in einer konkret ausverhand­elten mehrjährig­en Karenz, nachdem er sich entschloss­en habe, die von der Partei für verdiente Landeshaup­t- und Obleute angebotene Kronprinz-zeugen-Regelung wahrzunehm­en.

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