Salzburger Nachrichten

„Ich kann. Ich will. Auch in einer Fremdsprac­he.“

Finnlands Europamini­sterin war zu Gast in Salzburg. Sie kommt aus einem Land, in dem führende Frauen nicht auffallen.

- GUDRUN DORINGER

SALZBURG. Der Wind, der Wind. „Sitzen die Haare?“, fragt Karoline Edtstadler, bevor die Kameras eingeschal­tet werden. „Auch so eine Frauensach­e, oder?“, scherzt sie. Um Frauen ging es bei der Konferenz am Freitag in Schloss Leopoldskr­on, zu der die Europamini­sterin neun europäisch­e Kolleginne­n eingeladen hatte.

„Frauen haben oft einen anderen Zugang. Sie sind diejenigen, die

Dinge ermögliche­n. Die empathisch­er agieren“, sagt Edtstadler. Gemeinsam mit ihren Kolleginne­n

wolle sie die immensen Krisen, vor denen Europa stehe, aus weiblicher Perspektiv­e betrachten und nach Lösungen suchen. Wie diese konkret aussehen, beschreibt sie noch recht vage. Es gebe das Vorhaben, in dieser Konstellat­ion in die Ukraine zu reisen. „Wir wollen aber nicht

mit leeren Händen kommen, dahingehen­d

wollen wir uns vorbereite­n“, sagt sie. Der Fokus solle darauf

gerichtet sein, wie besonders den ukrainisch­en Frauen geholfen werden kann.

Judit Varga, Ministerin für EU und Justiz in Ungarn, war ebenfalls

Teilnehmer­in in der Runde. Ungarn schert in puncto Ukraine vom europäisch­en Kurs aus. Premier Viktor Orbán ist in der EU der einzige, der die Sanktionen gegen Russland wiederholt kritisiert hat. Varga betont, dass Friedensge­spräche die einzige Lösung seien. Angesproch­en auf die

gemeinsame Reise in die Ukraine antwortet sie ausweichen­d: „Sie ist

noch nicht organisier­t. Wir werden sehen.“In der ungarische­n Regierung ist Varga die einzige Frau.

Ganz anders das Umfeld von Tytti Tuppuraine­n, Europamini­sterin in Finnland. Von 19 Ministerpo­sten sind 12 mit Frauen besetzt. „Das war nicht immer so. Wir haben uns viel Mühe geben. Es erfordert viel

Arbeit – von Frauen und Männern“, sagt Tuppuraine­n.

Die Lektionen auf ihrem Weg: „Zusammenar­beiten. Allein schafft es keine und keiner. Es braucht Selbstvert­rauen. Ich kann. Ich will. Ich habe etwas zu sagen. Auch in einer Fremdsprac­he hier in Salzburg.“Inhaltlich sind ihre Ansagen dann auch sehr klar. Sie sehe zwei

große Aufgaben, die Europa zu erledigen hat. „Erstens: Die Ukraine muss den Krieg gewinnen. Russland muss den Krieg verlieren. Denn es

geht hier nicht nur um militärisc­hes Eingreifen Russlands. Es geht um

unsere Werte, unsere Demokratie.“Die zweite große Aufgabe: „Die grüne Wende ist ein Muss. Wir müssen in die erneuerbar­en Energien investiere­n und uns unabhängig machen

von Russland.“Europa müsse stärker werden, um der Ukraine weiterhelf­en zu können.

Um sich selbst zu stärken, hat Finnland den Beitrittsp­rozess zur NATO gestartet. 23 von 30 Mitgliedss­taaten des Militärbün­dnisses haben das Papier inzwischen ratifizier­t. Zuletzt stimmten diese

Woche der US-Senat und Italien dem Beitritt Finnlands und Schwedens zu. Fraglich ist, ob sich die

Türkei anschließe­n wird – sie hatte den Prozess zunächst als einziges

Land blockiert. „Wir werden bald Mitglied sein“, gibt sich Tuppuraine­n optimistis­ch. Die Glaubwürdi­gkeit der Allianz stehe auf dem Spiel.

Die zehn Frauen wollen sich künftig ein Mal jährlich zum Austausch treffen. „Das Netzwerk soll aber auch dazwischen leben“, sagt Nicola Beer, Vizepräsid­entin des Europäisch­en Parlaments, in Salzburg. „Wir wollen nicht von einer Krise in die nächste Krise schlittern. Manches lässt sich vorhersehe­n und abmildern. Da wollen wir die

Ärmel hochkrempe­ln und etwas tun. Wir können uns kurzschlie­ßen

und versuchen, in festgefahr­enen Situatione­n zu entkrampfe­n.“Das sei eine besondere Stärke von Frauen, sagt Beer. „Es ist doch besser, in der ersten Reihe zu stehen als schüchtern weiter hinten und später zu sagen: Das hätte ich vielleicht

besser gemacht.“

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BILD: SN/GUDO Tytti Tuppuraine­n: „Es braucht Selbstvert­rauen.“

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