Nicht Freund, nicht Feind
Getreide, Atomkraft, aber auch Waffen: Beim jüngsten Treffen Recep Tayyip Erdoğans mit Wladimir Putin ging es um viel.
Westliche Reedereien und Fluggesellschaften haben sich aus dem Transportgeschäft mit Russland zurückgezogen. Davon
profitiert die Türkei. Sie setzt keine der Sanktionen des Westens gegen Moskau um und wird damit zum Umschlagplatz für den Warenverkehr Russlands mit dem Westen.
Kein anderer westlicher Staatsoder Regierungschef ist in den vergangenen Jahren so oft nach Russland gereist wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Sein
Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in Sotschi am Freitag war bereits die achte Visite seit 2019. Auch Russlands Krieg gegen die Ukraine
hat die Verbindung der beiden Politiker nicht beeinträchtigt. Für den türkischen Staatschef ist Russland nicht nur als Gas- und Öllieferant
wichtig. Der russische Staatskonzern Rosatom baut auch das erste Atomkraftwerk der Türkei.
Umgekehrt bekommt die Türkei jetzt eine immer größere Bedeutung für Russlands Handel mit dem
Westen. Nachdem westliche Reedereien und Speditionsunternehmen den Verkehr nach Russland weitgehend eingestellt haben, springen türkische Transportfirmen in die Bresche. Die Güter werden in türkischen Häfen auf türkische Schiffe
umgeladen, die sie dann zu russischen Schwarzmeerhäfen bringen.
Andere Ladungen werden auf dem Landweg per Lkw über Georgien
nach Russland gebracht. Auch das Luftfrachtgeschäft boomt.
Die Drehscheibe Türkei nutzen nach Informationen aus Branchenkreisen auch deutsche Unternehmen, die etwa in Asien produzieren. Früher lieferten sie direkt nach Russland, jetzt wählen sie den
Transportweg über die Türkei. Die türkischen Spediteure und Reedereien prüfen nach eigenen Angaben, ob die transportierten Güter auf einer der Sanktionslisten der
EU und anderer westlicher Länder stehen. In diesem Fall verweigere
man den Transport, heißt es. Wie eingehend diese Kontrollen sind, lässt sich schwer beurteilen.
Putin dankte Erdoğan am Freitag für den Abschluss des Getreideabkommens. Unter Vermittlung der
Türkei und der Vereinten Nationen (UN) hatte Russland seine Seeblockade gelockert, um den Export
von Getreide aus der Ukraine über das Schwarze Meer zu ermöglichen. Damit soll ein Nahrungsmittelmangel vor allem in ärmeren Ländern verhindert
werden. Am Freitag verließen drei Getreidefrachter den ukrainischen Schwarzmeerhafen Odessa mit Kurs auf Istanbul, wo die Ladung kontrolliert wird.
Politisch weitaus brisanter als die Warentransporte zwischen der Türkei und Russland wäre ein anderes Geschäft, das Putin
und Erdoğan dem Vernehmen nach bei ihrem Treffen in Sotschi
besprechen wollten. Russland hat nach Erdoğans Angaben Interesse an türkischen Kampfdrohnen des Typs Bayraktar TB2
gezeigt, wie sie die Ukraine bereits gegen die russischen Invasoren einsetzt. Die NATO-Partner, vor allem die USA, beobachten Erdoğans Waffengeschäfte
mit Russland mit Misstrauen. Liefert der NATO-Staat Türkei
wirklich Kampfdrohnen an Russland für den Krieg gegen die Ukraine, dürfte Erdoğan eine rote Linie überschreiten.