Salzburger Nachrichten

Okto? Die partizipat­iven Sender und das triale Mediensyst­em

Es gibt 14 freie Radios. Mit Okto, Dorf TV und FS1 machen Bürger Fernsehen. Partizipat­ive Medien sind der dritte Teil des Systems.

- Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Okto sendet vorerst weiter. Das ist ein sogenannte­r Bürger-TV-Kanal mit 100.000 Zuschauern pro Monat. Sogar die vermutlich

kleinste der 14 österreich­ischen Tageszeitu­ngen hat allein in Vorarlberg mehr Publikum.

Vermutlich? „Wiener Zeitung“und „Oberösterr­eichisches Volksblatt“hängen zwar am öffentlich­en Finanzieru­ngstropf, beteiligen sich aber an keiner Reichweite­nmessung.

Okto hingegen versucht seine Subvention auch durch Daten zu rechtferti­gen. Neben dem

Wiener Sender betreiben noch Dorf TV in Oberösterr­eich und FS1 in Salzburg Community-Fernsehen. Die drei erhalten wie die 14 freien Radios Bundesförd­erung. 2021 waren das

insgesamt drei Millionen Euro. Die werbefinan­zierten Privatsend­er erhalten sieben Mal so

viel. Allein die vier Spitzenrei­ter Oe24.tv (1,9), Puls 4 (1,6), ServusTV (1,6) und Krone.tv (1,5)

bekamen im Vorjahr zusammen 6,6 Millionen Euro. Nicht nur die Reichweite­n dieser Mediensekt­oren,

auch ihre Förderunge­n unterschei­den sich also klar.

Dass Okto vom Zusperren bedroht war, liegt aber nicht am Bund, sondern an Wien. Die Stadt hat ihre ursprüngli­che Millionens­ubvention erst um ein Viertel, dann auf die Hälfte reduziert und nun gestrichen. Der eingeschrä­nkte Weiterbetr­ieb wird durch Erhöhung der Bundesförd­erung möglich. Der Sender wirkt dadurch wie ein Spielball grüner Koalitions­beteiligun­gen, ist aber die Speerspitz­e eines Sektors, der mehr Beachtung verdient – als Teil einer partizipat­iven, also Mitmach-Demokratie.

De facto hat Österreich durch diese Sender längst ein triales statt bloß duales Mediensyst­em: öffentlich-rechtlich, privat und partizipat­iv. Während die Konkurrenz zwischen den Erstgenann­ten einem neuen Höhepunkt zusteuert, leidet der Bürgerrund­funk unter Geringschä­tzung. Dabei könnte er in der aktuellen gesellscha­ftlichen Krise eine wichtige Rolle spielen, die auch den beiden anderen Teilen

des Systems nützt: Erst Respekt vor Politik und Medien bringt Respekt vor der Demokratie.

Das bedingt auch mehr Achtsamkei­t untereinan­der: Die werbefreie­n Radios nennen die anderen „privat-kommerziel­l“. So wie der ORF

Ö3-Rivalen als „Kommerzrad­ios“abwertet, sich aber zu Recht gegen Anwürfe wie „Staatsfunk“wehrt. Solche Wording-Auswüchse von Wettbewerb sollten zwischen drei Teilen eines Mediensyst­ems nicht bestehen. Um das Bewusstsei­n für Ko-Existenz klar vor jenes für Konkurrenz zu stellen, muss diese zwischen den Sektoren so gering wie möglich gehalten werden. Das ist Aufgabe der Politik. Sie gibt für Parteiblog­s mehr Geld aus als für Bürgerrund­funk. Die aber sind kein Teil des Mediensyst­ems – sondern Propaganda-Schleudern.

Peter Plaikner

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