Wizany illustriert die ORF-„Sommergespräche“
Der SN-Karikaturist wirkt im Vorfeld der Politinterviews mit – und analysiert die Rolle der Karikatur im Digitalzeitalter.
SALZBURG, WIEN. Seit 1987 erfreut
Thomas Wizany mit seinen Karikaturen die SN-Leserinnen und -Leser
– und kommentiert zeichnerischsatirisch das politische Geschehen sowohl im Lokalteil als auch im Stammblatt. Ab Montag, 8. August,
ist er auch in einer neuen Rolle tätig: Er wirkt wöchentlich bei den ORF„Sommergesprächen“(jeweils ab 21.05 Uhr auf ORF 2), bei denen
heuer Julia Schmuck und Tobias Pötzelsberger die Chefs der fünf Parlamentsparteien interviewen,
mit. Wizany hat dazu im Vorfeld je eine Karikatur zu Beate Meinl-Reisinger (Neos), Werner Kogler (Grüne), Herbert Kickl (FPÖ), Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) und Karl Nehammer (ÖVP) erstellt – „um für die Interviewer eine Rutsche zu legen“, wie er sagt.
Wizany räumt aber ein, dass diese Vorgangsweise – im Gegensatz zu einem Live-Zeichnen während der Sendung – ein Risiko berge: „Man muss sich auf grundsätzlichere Dinge der Person beziehen und darf sich nicht etwa auf einen Sager fixieren, der gestern gefallen ist.“Um den Zusehern seine Arbeitsweise zu
vermitteln, hat der ORF eine Kamera über Wizanys Zeichentisch angebracht, die die Entstehung der jeweiligen Karikatur dokumentiert. Sein Zeichenprozess solle dann im Zeitraffer im Fernsehen zu sehen sein, sagt der 54-Jährige.
Für seine mit bunten Wasserfarben erstellten Karikaturen für die Titelseite der SN-Wochenendausgabe braucht Wizany je nach Motiv zwei bis fünf Stunden, erzählt er. Für den ORF musste es schneller gehen: „Da habe ich Karikaturen erstellt, die mit jenen für den SN-Lokalteil bzw. für die SN-Innenpolitikseite vergleichbar sind. Für die
brauche ich im Schnitt ein bis zwei Stunden – je nachdem, wie schnell mir die zündende Idee kommt.“
Inhaltlich habe er für die „Sommergespräche“freie Hand gehabt, betont der studierte Architekt, der bei „Ironimus“Gustav Peichl studiert hat. Es habe aber ein Brainstorming
mit Interviewer Pötzelsberger gegeben; und er habe eine erste Skizze auch wieder verändert: „Ich habe Herbert Kickl zunächst als Piranha gezeichnet. Da gab es den Wunsch, das zu ändern. Denn er wäre der einzige Gast gewesen, der als Tier gestaltet worden wäre. Da sollte es eine Gleichbehandlung
geben.“Auch in seiner täglichen Arbeit
für die SN sei es normal, die Karikaturen mit den Journalistenkollegen zu besprechen und sich Feedback einzuholen: „Aber ich würde mich nie als verlängerter Zeichenarm eines Redakteurs sehen. Denn der Hauptspaßfaktor für jeden Karikaturisten ist ja, seine eigenen Gedanken zu Papier zu bringen.“
Wizany wird oft um eine Interpretation seiner Werke gebeten – etwa bei Vernissagen oder Buchpräsentationen. Er gibt offen zu, dass ihm das gar nicht leichtfalle: „Das ist immer eine Niederlage für den Karikaturisten, weil es heißt, dass die Zeichnungen vielleicht nicht
verstanden wurden.“Auch für die ORF-„Sommergespräche“wurde
Wizany interviewt, dabei sei es aber generell um seine Arbeit gegangen und um seine persönliche Einschätzung zum jeweiligen Objekt seiner Karikatur, sagt er.
Aber: Welche Rolle spielt die handgezeichnete politische Karikatur noch, wo doch heutzutage alles digital passiert? Ist sie dadurch vielleicht sogar noch einzigartiger und
wertvoller geworden? Zudem gibt es ja bereits Karikaturisten, die ihre
Werke mit dem elektronischen Stift auf ihrem digitalen Grafik-Tablet erstellen. Der SN-Karikaturist sieht
diese Fragen entspannt: „Das Tolle am Medium Karikatur ist, dass es keine Vorschriften gibt und man von der krakeligen Kuli-Zeichnung
bis zum aufwendigen Gemälde alles abliefern kann. Das hat etwas Anarchisches.“Er genieße es sehr, „noch analog unterwegs zu sein“und alles
mit der Hand zu zeichnen, sagt der Stadt-Salzburger. Zudem sei es für
die Leser nicht ausschlaggebend, auf welchem technischen Weg die Karikatur entstanden sei, betont er.
Das Merkmal jeder Karikatur sei, „dass sie etwas Befreiendes hat. Denn Lachen befreit. Selbst Karikaturen, die zum Nachdenken anregen, ermöglichen eine andere Art des Denkens und bringen ein Thema von der sachlichen auf die emotionale Ebene.“Das mache auch ein schweres Thema oft leichter verdaulich, sagt der Experte. Für den
Vater von drei teils schon erwachsenen Söhnen ist Humor im Leben generell wichtig: „Er ist auch eine gute Hilfe im Leben, um Trauriges oder Schwieriges zu verarbeiten.“
Dafür, dass es in den SN weiter politische Karikaturen gibt, ist Wizany sehr dankbar: Denn immer
mehr Zeitungen würden die Karikaturen einsparen, beobachtet er. Gründe dafür seien Sparmaßnahmen – aber auch die Political Correctness: „Denn eine gute Karikatur ist oft politisch unkorrekt. Das wird aber immer weniger akzeptiert.“Daher würden manche Medien darauf verzichten – aus Angst davor, das vor ihren Lesern nicht mehr
rechtfertigen zu können, meint Wizany. Diese Entwicklung erfülle ihn
mit Sorge: „Dann haben wir zwar eine politisch korrekte, aber spaßbefreite Gesellschaft. Das ist nicht meins.“Wenn eine Gesellschaft Humor nicht mehr vertrage, müsse
man sich auch Gedanken um diese Gesellschaft machen, betont der
Künstler. Als weiteres Problem ortet er, dass viele Menschen auch Selbstironie nicht mehr kennen
würden: „Sie fühlen sich sofort als Opfer, statt auch über sich selbst zu schmunzeln.“
Wie geht es Wizany mit den heurigen Protagonisten der ORF-„Sommergespräche“? Ist etwa Karl Nehammer eine dankbare Kanzlerfigur – oder trauert er da Sebastian Kurz nach? Wizany sagt, dass man in Österreich als Karikaturist sehr
gut bedient sei: Sowohl Nehammer als auch Kickl und Kogler hätten
Charakterköpfe, mit denen er viel anfangen könne. Bei den Parteichefinnen Rendi-Wagner und MeinlReisinger sei die Sache insofern anders, „als ich mir bei Frauen schwerer tue, angriffig zu sein. Denn man stützt sich als Karikaturist oft auf
besondere Merkmale. Bei einem Mann ist etwa eine große Nase oft ein Statussymbol. Bei einer Frau wäre das nicht sehr gentlemanlike“, sagt Wizany. Wie wichtig ist es, als
Karikaturist die jeweiligen Zielpersonen auch persönlich zu treffen –
oder reicht es, sich auf Eindrücke aus den Medien zu verlassen? Wizany ist hier mit Fotos aus dem Internet oder Fernsehbildern zufrieden: „Das bietet genug Möglichkeiten,
um Körpersprache, Mimik und Gestik zu erfassen.“
Zudem sei es sogar manchmal ein Nachteil, wenn man die Betroffenen der Karikaturen persönlich
kenne – „weil man da ein bissl eine Beißhemmung entwickelt“, sagt der Zeichner. Die ersten 20 Jahre seines Schaffens habe er nur Lokal- und Landespolitiker gezeichnet, was aber eine gute Schule gewesen sei: „Die kann man in Salzburg jeden
Tag auf der Straße treffen. Das trägt zu mehr Respekt bei, wenn man als
Karikaturist auch den Menschen dahinter sieht und nicht nur den
Politiker.“Weiters sei es spannender, jemanden zu zeichnen, den
man persönlich treffen könne – als entfernte Präsidenten wie Joe Biden oder Wladimir Putin, sagt Wizany.
Für ihn ist aber klar: „Die Höchststrafe für Politiker ist, wenn sie ein
Karikaturist nicht zeichnet. Denn ein Politiker, der nicht gezeichnet
wird, ist auch nicht wichtig.“
„Es gibt keine Vorschriften für die Karikatur. Das hat etwas Anarchisches.“Thomas Wizany, SN-Karikaturist