Lohnspritze gegen Engpass
Die Lufthansa zahlt ihrem Bodenpersonal um bis zu 20 Prozent höhere Löhne und kauft sich so aus dem Chaos frei. Immerhin will die Airline 10.000 zusätzliche Stellen besetzen.
FRANKFURT. Mit einem weit überdurchschnittlichen Tarifabschluss
hat die Lufthansa den Tarifkonflikt mit ihrem Bodenpersonal beigelegt. „Das Ergebnis beinhaltet einen Inflationsausgleich und zusätzlich eine Reallohnerhöhung“, jubelte
Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle. Auch die Lufthansa scheint nicht unglücklich zu sein
über den Tarifvertrag, der Beschäftigten in der unteren Lohngruppe knapp 20 Prozent mehr Geld bringt.
Personalvorstand Michael Niggemann lobt das Konstrukt aus hohen Sockelbeträgen und späteren prozentualen Erhöhungen. „Es war uns
wichtig, die unteren und mittleren Einkommensgruppen überproportional zu berücksichtigen. Damit
werden wir der sozialen Verantwortung
für unsere Beschäftigten gerecht und sichern unsere Attraktivität als Arbeitgeber.“Die Lufthansa
will bis Ende nächsten Jahres 10.000 zusätzliche Stellen schaffen.
Während der Pandemie hatte man allerdings rund 30.000 abgebaut.
Ein Teil der nun stattlichen Zuwächse erklärt sich aus dem großen Nachholbedarf. 2018 hatte Verdi bei einer Laufzeit von 33 Monaten für das Lufthansa-Bodenpersonal zwei
prozentuale Erhöhungen von jeweils drei Prozent erreicht. In der Coronakrise verzichteten die Beschäftigten auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Gehaltszuwächse hat es seit Mai 2019 nicht mehr gegeben. Die hohen Belastungen beim chaotischen Neustart feuerten die Unzufriedenheit an. „Beim Warnstreik in der vergangenen Woche hatten
wir 90 bis 95 Prozent Beteiligung“, sagt Verdi-Streikleiter Marvin Reschinsky.
Der frühere Leiter des gewerkschaftlichen WSI-Tarifarchivs,
Höhere Löhne auch in anderen Branchen
Reinhard Bispinck, zieht Vergleiche zum Gastgewerbe und anderen Niedriglohnbranchen. Auch dort
habe es in den vergangenen Monaten zweistellige Tarifabschlüsse gegeben, um den gravierenden Personalmangel in den Griff zu bekommen. Die Lufthansa versicherte, niemand müsse mehr für weniger als 13 Euro Stundenlohn arbeiten.
Das arbeitgebernahe Institut der Wirtschaft warnt davor, dass
hohe Lohnabschlüsse die Inflation weiter anheizen könnten. „Je mehr neue Abschlüsse dem
Beispiel der Lufthansa folgen, desto mehr wird sich die LohnPreis-Spirale drehen“, meint IWTarifexperte Hagen Lesch. Allerdings sei die Tariflohndynamik
gesamtwirtschaftlich betrachtet immer noch moderat. Wichtiger seien im Herbst die Signale, die
von den Tarifverhandlungen für die Metallindustrie und die Chemieindustrie ausgehen werden.
Bei der Lufthansa müssen nun noch die streikbereiten Piloten der Vereinigung Cockpit mit einem guten Tarifabschluss befriedet werden.