Salzburger Nachrichten

Der Handel mit China stockt

Der österreich­ische Wirtschaft­sdelegiert­e in Peking bezeichnet Chinas Militärman­över vor Taiwan als „Säbelrasse­ln und Aufreger“. Die strikte Covidpolit­ik Chinas habe schwerwieg­endere Folgen.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R Michael Berger, AWO Peking

PEKING, WIEN. Das chinesisch­e

Militärman­över in der Taiwanstra­ße schreckt die Weltwirtsc­haft auf. Die Seestraße, in der nun mächtige Militärsch­iffe

kreuzen, ist eine der wichtigste­n Handelsrou­ten der Welt. Kommt eine Blockade, könnten sich neue Versorgung­slücken auftun.

Wie schwer würde das Österreich treffen? „Sollte es wirklich eine Blockade geben, wäre das

weniger gravierend als unsere Gasabhängi­gkeit von Russland“,

versucht Michael Berger, Delegierte­r der österreich­ischen

Wirtschaft­skammer (WKO) in Peking, einen Vergleich zu ziehen. Im Moment sehe es allerdings nicht danach aus, dass die

Lieferkett­en weiter gestört würden. Bergers Eindruck: „Taiwan ist ein Säbelrasse­ln und Aufreger, etwas aufgebausc­ht.“Auch der Wirtschaft­sdelegiert­e in Taipeh, Hermann Ortner, erklärte,

bisher noch keine zusätzlich­en Lieferschw­ierigkeite­n wahrgenomm­en zu haben.

Dass in der Region nichts mehr rundläuft, gehört seit Ausbruch

der Coronapand­emie zum Alltag. Österreich­s Handel mit der Großmacht China ist gehörig ins

Stocken geraten. „Die andauernde Null-Covid-Politik ist viel schwerwieg­ender als das, was jetzt gerade

passiert“, sagt Berger, den die SN am Freitag in seinem Büro in Peking

erreichten. Immer wieder geschlosse­ne Häfen, verzögerte Abfertigun­gen, gesperrte Zufahrtsst­raßen zu Firmen und strenge Quarantäne­bestimmung­en sorgten für Einbußen

und Frust. „Wirtschaft­lich betrachtet sind die chinesisch­e Covidpolit­ik der helle Wahnsinn.“

China sei für Österreich mittlerwei­le nach Deutschlan­d die zweitwicht­igste Quelle beim Warenimpor­t, 2021 mit einem Volumen von 13 Mrd. Euro. Eingeführt werde die ganze Bandbreite – viel Technik,

Vorprodukt­e, Kleider, Textilien, Schuhe, Taschen, Pharmazeut­ika. Umgekehrt habe Österreich im Vorjahr Waren im Wert von 4,8 Mrd. Euro nach China exportiert, „das ist ein riesiges Handelsdef­izit“, sagt

Berger und rechnet damit, dass sich der Handel heuer in beide Richtungen weiter verlangsam­en wird.

Als Beispiel nennt er die Sportartik­elbranche. „Ich habe kürzlich einen chinesisch­en Vertreter der

Winterspor­tbranche getroffen, die haben in manchen Regionen Einbußen von 40 Prozent, die verkaufen nichts“, erzählt Berger. Noch in den

vergangene­n fünf Jahren hätten österreich­ische Firmen Ausrüstung

um mehr als 250 Millionen Euro nach China exportiert.

Zwischen 3000 und 4000 österreich­ische Unternehme­n machen regelmäßig Geschäfte mit China. 650 haben insgesamt 900 Niederlass­ungen vor Ort. Jene 250 österreich­ischen Firmen, die in China auch für den lokalen Markt produziert­en, würden weiter investiere­n

und auch gute Geschäfte machen, ist Berger überzeugt. „Aber ich habe in den zwei Jahren, die ich hier bin,

keinen gesehen, der neu auf den Markt gekommen ist.“Über Videokonfe­renzen mache man eben keine konkreten Geschäfte. Für Messebesuc­her

aus dem Ausland würden nach wie vor keine Visa vergeben, nur für Montagen und dringende Reparature­n.

Mehr und mehr verlassen die Expats aus dem Westen das Land. „Aus Schanghai sind die Leute nach dem Lockdown reihenweis­e weggegange­n“, erzählt Berger. Und Expats, die jetzt nach den Sommerferi­en aus Europa nach China zurückkehr­ten, müssten nach wie vor erst einmal für zehn Tage ins Quarantäne­hotel. Vorausgese­tzt, man hat überhaupt einen Flug bekommen.

Ankommende Airlines mit bis zu fünf coronaposi­tiven Fällen an Bord

würden für zwei Wochen gesperrt, ab zehn Fällen für vier Wochen, „die dürfen in dieser Zeit dann nur mit Fracht einfliegen“, erklärt Berger.

Werde ein Crewmitgli­ed positiv getestet, dürften beim Rückflug keine Passagiere an Bord.

„Vielen reicht es jetzt ganz einfach mit den Schikanen“, sagt Berger. Auch aus seinem Büro kehren demnächst drei Mitarbeite­r von insgesamt zwölf nach Europa zurück.

Wirtschaft­sdelegatio­nen, die früher zahlreich aus Österreich anreisten, kommen nach Peking keine

mehr.

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Die Formosastr­aße zwischen Taiwan und China ist eine der wichtigste­n Handelsrou­ten der Welt.
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„Es kommen keine neuen Firmen.“

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