Salzburger Nachrichten

Puchner versteht die Aufregung nicht

- CHRISTIAN MORTSCH

Wo noch vor wenigen Jahren Abfahrt trainiert wurde, sind nun Gletschers­palten. Diese dramatisch­e Situation kennt Mirjam Puchner schon länger. Die aktuelle Debatte über das vermeintli­che Ausweichen nach Chile sei aber fehl am Platz.

SALZBURG. Temperatur­en jenseits der 30 Grad lassen sogar hierzuland­e den Winterspor­t noch als weit entfernt erscheinen. Für die Profis

hingegen wird der Countdown zur neuen Skiweltcup­saison im Hochsommer eingeläute­t. Mirjam Puchner etwa schnallt erstmals seit dem Ende der vergangene­n, für die Salzburger­in so erfolgreic­hen Saison wieder die Ski an. Ab Sonntag steht für das ÖSV-Speedteam ein einwöchige­s Schneetrai­ning in Saas-Fee auf dem Programm. Auf einem der Gletscher, den Sorgenkind­ern.

Was genau sie im Schweizer Wallis, unweit der italienisc­hen Grenze, erwartet, weiß Puchner natürlich noch nicht. Mittlerwei­le einige Jahre Gletschert­raining haben ihr die

besorgnise­rregende Situation aber schon in der Vergangenh­eit vor Augen geführt. „Wenn man im Sommer immer um dieselbe Zeit am Gletscher ist, dann wird dir das Schmelzen von Eis und Schnee Jahr

für Jahr brutal vor Augen geführt“, sagt die 30-jährige St. Johannerin. Besonders die vergangene­n zwei

Jahre seien dramatisch gewesen. „Wo wir noch vor ein paar Jahren

Abfahrt trainiert haben, wo also eine kompakte Piste war, sind jetzt Gletschers­palten. Du fährst mit der Gondel rauf, siehst die im Vergleich zum Vorjahr ausgeapert­en Stellen

und denkst dir ,Das gibt es doch nicht‘. Ich hab es mir auch lange nicht vorstellen können, wenn meine Eltern oder Großeltern darüber gesprochen haben. Jetzt weiß ich es leider ganz genau.“

In Saas-Fee dürfen Puchner und Co. kommende Woche Ski fahren,

weil es ihr Beruf ist. Da nur etwa die Hälfte der auf zwischen 3200 und

3600 Metern Seehöhe gelegenen Pisten befahrbar ist, sind die Pisten nämlich den Trainingsg­ruppen vorbehalte­n. Ihren Sommerskib­etrieb

überhaupt schließen mussten nun die Lifte in Zermatt. Zermatt? Da war doch was. Richtig. Ende Oktober die Herren und eine Woche später die Damen sollen heuer erstmals

unter der atemberaub­enden Kulisse des Matterhorn­s Abfahrten bestreiten, ihre Speedsaiso­n also spektakulä­r eröffnen. Es scheint, als würde die Idee wie Schmelzwas­ser davonrinne­n, noch ehe sie umgesetzt werden konnte.

Dass die Folgen des Klimawande­ls zunehmend auch vor dem Skiweltcup

nicht haltmachen, ist nicht nur Mirjam Puchner bewusst. Die

Aufregung, dass man auf der Suche nach besseren Bedingunge­n nun aus diesem Grund ans andere Ende der Welt fliegen müsse, kann die Salzburger­in aber gar nicht nachvollzi­ehen: „Wir haben, mit Ausnahme von zwei Jahren Coronapaus­e, immer in Südamerika trainiert. Das war immer am Plan. Dass wir

wegen der schwierige­n Situation auf den Gletschern so weit ausweichen müssen, stimmt einfach nicht“, stellt Puchner klar. Am 24.

August bricht das ÖSV-Team auf in den chilenisch­en Winter. Die Möglichkei­ten dort sind, unabhängig

von den Bedingunge­n auf den Gletschern im europäisch­en Sommer, einfach sehr viel besser.

Mit drei Podestplät­zen, sechs weiteren Top-10-Ergebnisse­n im

Weltcup und natürlich der Silbermeda­ille im olympische­n Super G von Peking hat sich Puchner in der vergangene­n Saison an der Spitze etabliert. Die Zeiten, als sie aufgrund der folgenschw­eren Unterschen­kelverletz­ung nicht oder

nicht schmerzfre­i Ski fahren und trainieren konnte, gehören der Vergangenh­eit an. „Ich bin fit, kann mich jetzt zum zweiten Mal in Folge ohne körperlich­e Einschränk­ung auf die Saison vorbereite­n“, erzählt die groß gewachsene Modellathl­etin. Die jüngsten Erfolge würden für das Training im Sommer zusätzlich anspornen. „Ich hatte nie Motivation­sprobleme. Aber wenn es einmal zäh ist, dann weiß ich jetzt umso besser, warum ich es mache.“

Nach einem anspruchsv­ollen Frühsommer mit dem Abschluss ihrer Polizeiaus­bildung, als sie wöchentlic­h ein 40-Stunden-Praktikum und 25 Stunden Training zu kombiniere­n hatte, folgte noch einmal ein Kurzurlaub. „Und jetzt bin ich heiß auf den Schnee.“Auch so

lässt sich die Hitzewelle aushalten.

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BILDER: SN/GEPA/STEINER/EISNER Auf eine Woche Gletscher (im Bild Pitztal) folgt für Mirjam Puchner und Co. das Chile-Training.

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